Was der Ukraine-Krieg Deutschland wirklich kostet
Der Krieg in der Ukraine hat die Bundesrepublik bisher mehr als 200 Milliarden Euro gekostet. „Die wirtschaftlichen Kosten für Deutschland nach zwei Jahren Ukraine-Krieg dürften deutlich höher liegen als 200 Milliarden Euro“, erklärte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, gegenüber der „Rheinische Post“ (RP). Und weiter:
„Vor allem die hohen Energiekosten haben das Wachstum in Deutschland im Jahr 2022 um 2,5 Prozentpunkte oder 100 Milliarden Euro und im Jahr 2023 bis heute um eine ähnliche Größenordnung nochmals reduziert“, sagte der DIW-Chef. Fratzschers Angaben zufolge handelt es sich jedoch nur um die „direkten finanziellen Kosten“. Weitere Kosten würden durch die wegen des Krieges „eskalierenden geopolitischen und geoökonomischen Konflikte, vorwiegend mit China“ entstehen. Diese würden besonders Exportunternehmen hart treffen, so Fratzscher.
Zwei Jahre Ukraine-Krieg: Gestörte Lieferketten, gestiegene Energiepreise
Auch eine neue Studie vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) anlässlich des zweiten Jahrestages des Ukraine-Krieges benennt die Kosten des Krieges und der Folgewirkungen der Corona-Pandemie 2022 und 2023 in dieser Größenordnung – auf 240 Milliarden Euro.
Die „RP“ zitiert aus der IW-Studie: „Während die Ausfälle im Jahr 2022 bei rund 100 Milliarden Euro liegen, stiegen sie im Jahr 2023 wieder auf gut 140 Milliarden an“. Allerdings flossen im Jahr 2022 und 2023 auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie in das Ergebnis ein, sodass sich eine genaue Abgrenzung der Effekte des Ukraine-Krieges nicht berechnen lasse. Der Krieg habe die exportorientierte deutsche Wirtschaft gleich dreifach getroffen: „Er ließ die Energie- und Vorleistungskosten explodieren, zerstörte Lieferketten und belastete die Weltwirtschaft und damit den deutschen Außenhandel“, schreibt die „RP“.
Abstieg energieintensiver Industriezweige
Allein die Rüstungsindustrie hat Auftrieb in Deutschland, sichtbar an der Aktie des Rüstungskonzerns Rheinmetall: Dessen Aktienkurs hat sich seit dem 24. Februar 2022 von 93 auf derzeit über 400 Euro mehr als vervierfacht.
Ansonsten fänden sich Verlierer des Krieges in der gesamten Breite der Volkswirtschaft, sagt IW-Forscher Michael Grömling und bezeichnet dieses als „ernstes Problem“. Kurz zusammengefasst: Die deutsche Industrie wird von hohen Energiekosten geplagt. Die energieintensiven Branchen Chemie-, Papier- und Metallindustrie sind durch die Energie-Preissteigerungen stark betroffen, ebenso wie die Bauwirtschaft wegen hoher Bauzinsen und gestiegener Materialpreise.
Im Dienstleistungssektor spiegeln sich Inflation und Kaufkraftverluste der Konsumenten wider. Lebensmittel sind erheblich teurer geworden, denn auch die Landwirte haben höhere Kosten für Saatgut, Futter und Düngemittel.
Habeck: Konjunktur „dramatisch schlecht“
Besonders hart beträfen die Kosten des Krieges Menschen mit geringen Einkommen, „denn diese erfahren eine zwei- bis dreimal höhere Inflation als Menschen mit hohen Einkommen“, bemerkt DIW-Chef Fratzscher. Menschen mit geringen Einkommen müssten also den Gürtel deutlich enger schnallen.
Die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland ist „dramatisch schlecht“, musste auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) letzte Woche einräumen, als er die Absenkung der Wachstumsprognose für 2024 auf nur noch 0,2 Prozent bekannt gab. Noch in der Herbstprognose war die Regierung von einem Wachstum von 1,3 Prozent ausgegangen.
Seit der Sprengung von Nordstream 2 im Frühjahr 2022 ist auch Schluss mit günstiger russischer Energie. Habeck plant den Bau mehrerer LNG-Terminals, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern. Dennoch strebe er keine kostengünstigeren langfristigen Lieferverträge an, schreibt die „Berliner Zeitung“. Der Grund: Deutschland soll langfristig auch aus der Nutzung von Gas aussteigen.
Energiepolitik mit Widersprüchen
Der Industriestrompreis hatte sich laut dem Statistischen Bundesamt in 2022 im Vergleich zum Vorjahr mit 43,2 Cent pro Kilowattstunde verdoppelt, auch wenn er aktuell im Jahr 2024 wieder auf circa 19 Cent pro Kilowattstunde, gewissermaßen auf Vorkriegsniveau, zurückgefallen ist.
Dass die hohen Energiepreise als Folgekosten alleinig dem Ukraine-Krieg zugeschrieben werden, mag irreführend oder als zu einseitig betrachtet erscheinen – zumal der Aspekt, dass diese Entwicklung zumindest zum Teil hausgemacht ist, dabei ausgeklammert wird. Genauso wie die politische Entscheidung des Festhaltens am Atomausstieg auch nach der Sprengung der Ostseepipelines.
Die Präsidentin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, Marie-Christine Ostermann, kritisiert in dem Zusammenhang, dass auch das irreversible Abschalten der AKWs eine Verschärfung der Situation bewirkt hätten: „Dass die Grünen mit ihrem Wirtschaftsminister trotz der Notlage dann mit dem Atomausstieg sehenden Auges auch noch den Strom verknappten und damit verteuerten, hat bei der energieintensiven Wirtschaft für einen Schub bei der Deindustrialisierung gesorgt“, so Ostermann zitiert von der „RP“.
Kassensturz: Kriegskosten zu kurz gerechnet
Was in den aktuellen Erhebungen, die die Kosten des Ukraine-Krieges für Deutschland beziffern wollen, nicht berücksichtigt wird, sind weitere indirekte Auswirkungen des Krieges, die vom deutschen Steuerzahler finanziert werden.
Seit Kriegsbeginn vor zwei Jahren sind mehr als 1,4 Millionen Menschen aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet (laut Ausländerzentralregister 1,143 Millionen). Von diesen haben 321.000 das Land inzwischen wieder verlassen.
Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg zufolge sind etwa 716.000 von diesen nach Deutschland Geflüchteten erwerbsfähig, also circa die Hälfte. Nach zuletzt verfügbaren Zahlen (November 2023) waren 21 Prozent auch berufstätig: 113.000 voll sozialversicherungspflichtig beschäftigt, 36.000 davon Minijobber.
Aktuell werden Forderungen des Deutschen Städte- und Gemeindebundes laut, die Höhe des Bürgergeldes für ukrainische Kriegsflüchtlinge an die Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme zu koppeln. Hauptgeschäftsführer André Berghegger verwies dabei auf die im Vergleich zu Nachbarländern niedrige Beschäftigungsquote unter Ukrainern. Dänemark und die Niederlande sind etwa deutlich erfolgreicher bei der Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt.
Aus Rechnung ausgeklammert: Waffenlieferungen und Geldhilfen
Auch nicht eingepreist in die Kostenkalkulation des Krieges sind Geldhilfen und Waffenlieferungen an die Ukraine. Dazu hat das Auswärtige Amt gegenüber „MDR aktuell“ mitgeteilt: „Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat Deutschland der Ukraine Hilfen im Gesamtwert von rund 28 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt – als humanitäre und finanzielle Unterstützung sowie mit Waffen.“
Auch lässt die Beschränkung auf Energiekosten und Folgen für die Wirtschaft einen möglichen EU-Beitritt der Ukraine als Kostenfaktor aus. Denn auch damit würden Kosten für Deutschland beziehungsweise den deutschen Steuerzahler entstehen. Ein EU-Beiritt der Ukraine würde für Deutschland – als größtem Nettozahler der EU (in 2022 hat Deutschland 21,5 Milliarden Nettoverlust gemacht) – noch einmal kräftig zu Buche schlagen.
Der deutsche Steuerzahler müsste dafür jedes Jahr etwa 4,5 Milliarden Euro mehr erbringen. Das geht aus einer „Berechnung der renommierten estnischen Denkfabrik International Centre for Defence and Security“ (ICDS) hervor. Demnach würde der jährliche Nettobeitrag der Bundesrepublik in den EU-Steuertopf auf rund 26 Milliarden Euro ansteigen, während die Ukraine mit einem Schlag zum größten Nettoempfänger avancieren würde: Etwa 19 Milliarden Euro stünden ihr jedes Jahr aus dem EU-Haushalt zu, inklusive des deutschen Anteils.
Deutschland weiter auf dem Kriegspfad?
Am Freitag, 23. Februar 2024, hat der Bundestag die „totale Kriegsunterstützung der Ukraine“ beschlossen, wie Alexander Wallasch schreibt. Der erfolgreiche Antrag der Ampelfraktion trägt den Titel „Zehn Jahre russischer Krieg gegen die Ukraine – Die Ukraine und Europa entschlossen verteidigen“. Die Regierungsparteien sind überzeugt, dass „die russische Führung willens und militärisch in der Lage ist, ein Nachbarland zu überfallen und internationale Regeln zu brechen, wenn sich die Gelegenheit bietet“.
Ecuador hat sich mittlerweile entschieden, nun doch kein Militärgerät nach Kiew liefern. Nach Sanktionen aus Moskau will das lateinamerikanische Land „kein militärisches Material in ein Land schicken, das sich in einem internationalen bewaffneten Konflikt befindet“, schreibt die „Welt“.
Sinkende Bereitschaft der USA
Auch die Bereitschaft der USA zur Kriegsunterstützung scheint zu sinken. Vor zwei Jahren, mit Beginn des Ukraine-Krieges, beteuert US-Präsident Joe Biden, dass die USA der Ukraine zur Seite stehen werden, solange es nötig sei. Als Wolodymyr Selenskyj Washington im letzten Dezember besuchte, schränkte Biden diese Aussage ein: Jetzt hieß es, die USA würden die Ukraine weiter mit Waffen versorgen, solange sie es könnten.
Mitte Februar hatte der US-Senat nach monatelangem Ringen ein milliardenschweres Hilfspaket für die Ukraine gebilligt. Es geht um 60 Milliarden US-Dollar (knapp 56 Milliarden Euro), größtenteils für militärische Unterstützung. Dieser Entwurf geht nun an das Repräsentantenhaus, wobei höchst fraglich ist, ob das Paket dort durchkommt, wie bei „Merkur“ zu lesen ist.
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