Wachstum: Deutschland bleibt Schlusslicht in Europa – es fehlt die Kaufkraft
Zeichnet sich nach Jahren der Krise für die EU Licht am Ende des Tunnels ab? Die am Mittwoch, 15. Mai, vorgelegte Frühjahrsprognose aus Brüssel legt diese Annahme zumindest nahe.
Der zuständige EU-Kommissar Paolo Gentiloni geht davon aus, dass die Wirtschaft in der Staatengemeinschaft 2025 mit 1,6 Prozent ein signifikantes Wachstum erleben könnte. Für dieses Jahr geht man von einem Plus von 1,0 Prozent aus.
EU-Kommission traut Deutschland 2025 ein Wachstum von 1,0 Prozent zu
Deutschland wird nach Einschätzung der Prognose unterdessen nur am Rande von der angenommenen Erholung profitieren. Wie die „Welt“ berichtet, soll zwar auch die deutsche Wirtschaft im nächsten Jahr ein Plus von 1,0 Prozent verzeichnen.
Allerdings wäre dies dennoch der schwächste Aufwärtstrend unter allen Mitgliedstaaten. Sogar Finnland (plus 0,0 Prozent) und Estland (minus 0,5), die 2024 hinter Deutschland (plus 0,1) eingeschätzt werden, werden demnach an der Bundesrepublik vorbeiziehen.
Gentiloni sprach insgesamt von einem langsamen Aufwärtstrend unter den EU-Mitgliedstaaten. Gleichzeitig deutete er jedoch auch an, dass dieser im ursächlichen Zusammenhang mit erheblichen öffentlichen Investitionen stehe. Deren Finanzierung habe im Laufe der vergangenen Jahre das Corona-Hilfspaket ermöglicht, das die Mitgliedstaaten 2020 auf den Weg gebracht hatten.
Wiederaufbaufonds „Next Generation EU“ hatte zuletzt Investitionen finanziert
Wie „Euractiv“ schreibt, äußert sich Gentiloni zufrieden mit den Effekten, die der mit 806,9 Milliarden Euro bestückte Wiederaufbaufonds „Next Generation EU“ bewirkt habe. Dieser soll Ländern, die sich im Gegenzug zu wirtschaftlichen Reformen verpflichten, Mittel zur Verfügung stellen, um ihre Volkswirtschaft zu stimulieren.
Der Fonds stellte das erste Projekt der EU dar, das vollständig durch gemeinsam aufgenommene EU-Schulden finanziert wird. 2026 soll der Fonds auslaufen. Vonseiten der politischen Linken auf EU-Ebene gibt es starke Bestrebungen, dessen Laufzeit zu verlängern. Konservative sperren sich gegen dieses Vorhaben.
Deutschland kann aus dem Aufbauplan auf Zuschüsse von bis zu 30,3 Milliarden Euro hoffen. Im Jahr 2021 hat die Regierung in Berlin davon eine Vorfinanzierung in Höhe von 2,3 Milliarden Euro erhalten. Der Beitrag, den Deutschland als Nettozahler zu „Next Generation EU“ leistet, liegt bei mehr als 65 Milliarden Euro.
Über die 2010er-Jahre hinweg hatte Deutschland mit im Schnitt 2,0 Prozent ein höheres Wachstum aufgewiesen als der EU-Durchschnitt (1,6). Auch das Corona-Jahr 2020 hatte Deutschland mit einem Minus von 3,8 Prozent noch besser verkraftet als die EU insgesamt (minus 5,6).
Seit 2021 befindet sich die deutsche Volkswirtschaft jedoch gegenüber dem Rest der EU im Hintertreffen. Einem Plus von 6,0 der EU-27 im noch stark von der Pandemie gezeichneten 2021 stand nur eines von 3,2 in Deutschland gegenüber.
Im ersten Jahr des Ukraine-Krieges wuchs die EU insgesamt noch um 3,4 und Deutschland um nur noch 1,8 Prozent. Im Vorjahr schnitt Deutschland mit minus 0,3 ebenfalls schlechter ab als die EU gesamt mit einem Plus von 0,4.
Gentiloni sieht Wachstum gefährdet
Anlässlich der Vorstellung der Prognose warnte Gentiloni vor einer zu restriktiven Haushaltspolitik, die nach seiner Einschätzung die wirtschaftliche Erholung in der EU gefährden könnte. Er betonte:
Wir dürfen unsere Wirtschaft nicht wieder in eine Stagnation bringen. Wir müssen die Beschleunigung der Wirtschaft ohne eine allzu restriktive Haushaltspolitik unterstützen.“
Die 1,6 Prozent Wachstum, die in der Prognose für 2025 anklingen, stellten eine Korrektur nach unten gemessen an den 1,7 Prozent dar, von denen im Vorfeld noch die Rede gewesen war.
Gentiloni sieht einen Zusammenhang zwischen dieser Korrektur und einer allgemeinen Verlangsamung der Investitionen in mehr als zwei Dritteln der 27 EU-Mitgliedstaaten. Deren Gesamtwert werde von 1,5 Prozent in 2023 auf 0,3 Prozent in diesem Jahr fallen.
In Deutschland steht die Debatte um den Haushalt ebenfalls im Zeichen von Sparzwängen infolge des Bundesverfassungsgerichtsurteils zur Schuldenbremse im November 2023. Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesfinanzminister Christian Lindner hatten zuletzt einen Schulterschluss in Sachen Haushaltsdisziplin vollzogen.
Demgegenüber mehren sich in der SPD die Rufe nach einer Aufweichung der Schuldenregeln. Auch einige Ministerpräsidenten der CDU haben sich diesen angeschlossen.
Deutschland erlebt ähnliche Probleme wie gesamte EU – plus fehlende Kaufkraft
Speziell, was Deutschland anbelangt, sehen Experten jedoch fehlende Impulse durch weniger Spielraum für Konjunkturpakete nur als einen von mehreren Faktoren für das schwache Wachstum.
Am gleichen Tag, an dem Gentiloni seine Frühjahrsprognose vorgestellt hatte, präsentierten die fünf deutschen Wirtschaftsweisen ihre.
Diese gehen ebenfalls nur von einem unwesentlichen Plus beim BIP im laufenden Jahr für Deutschland aus – wobei sie der deutschen Volkswirtschaft immerhin noch 0,2 Prozent zutrauen. Zudem bezeichneten deren Wachstumsaussichten „gemessen am Produktionspotenzial bis zum Ende des Jahrzehnts schwach“.
Der Sachverständigenrat führt den demografischen Wandel und das damit einhergehende Angebot an Arbeitskräften als auch mittelfristig relevanten Hemmschuh an. Niedrige Geburtenraten haben auch andere EU-Mitgliedstaaten.
Im Fall von Deutschland kommen jedoch noch hohe Energiekosten als dazu. Diese seien ein Faktor, der dazu führe, dass die Unterstützung für die eigene Wirtschaft durch den Konsum ausbleibe. Auch Industrie und Baubranche seien keine Stütze mehr.
Exportmacht durch Billiganbieter aus China untergraben
Zwar rechnen auch die Wirtschaftsweisen mit einem leichten Aufwärtstrend im Jahr 2025. Anders als die EU-Kommission gehen sie dabei jedoch nicht von einer Eins vor dem Komma aus. Ihre Prognose für das Wachstum der deutschen Wirtschaft im Jahr 2025 lautet 0,9 Prozent.
Gremienmitglied Veronika Grimm sieht noch eine weitere längerfristige Gefahr für die deutsche Wirtschaft. Die exportorientierten Unternehmen seien „mit einem scharfen Wettbewerb, steigenden Arbeitskosten und weiterhin erhöhten Energiepreisen konfrontiert“.
Gleichzeitig drängten Anbieter aus China auf Märkte, die bislang die deutsche Exportmacht gefestigt hätten. Für eine stark exportabhängige Wirtschaft bedeutet dies perspektivisch erhebliche Herausforderungen.
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