VW-Krise: IG Metall fordert Maßnahmen gegen Jobabbau – und Lohnerhöhung um 7 Prozent
Die am 2. September verlautbarte Beendigung der seit 1994 geltenden Beschäftigungsgarantie durch den VW-Vorstand hat deutschlandweit Sorge um die Zukunft des Aushängeschildes der deutschen Automobilindustrie ausgelöst.
Diese soll erst 2029 gelten und bis dato ist von betriebsbedingten Kündigungen bei Volkswagen auch noch keine Rede. Dass man betriebsbedingten Jobabbau und sogar Werksschließungen nicht mehr grundsätzlich ausschließen will, gilt als Alarmsignal für den Standort Deutschland.
Entscheidung 1994
Die IG Metall möchte nun ihren Beitrag zur Zukunftssicherung des angeschlagenen Konzerns leisten. Schon in der nächsten Woche könnte eine Tarifrunde zwischen der Gewerkschaft und Volkswagen beginnen.
Wie das „manager magazin“ berichtet, denkt man darüber nach, einen ähnlichen Weg wie 1994 zu gehen. Damals hatte VW schon einmal eine Absatzkrise erlebt – ein operativer Verlust von 770 Millionen D-Mark (circa 393,69 Millionen Euro) stand damals zu Buche.
Vorstandschef Carl Hahn musste gehen, an seine Stelle trat Ferdinand Piëch, der von einer zu teuren Produktion in zu teuren Fertigungsstätten sprach und 30.000 Jobs infrage stellte. Als Ausweg vereinbarte man mit der Gewerkschaft eine Vier-Tage-Woche bei 10 Prozent Lohnkürzung. Im Gegenzug gab es die Beschäftigungsgarantie.
Das Modell funktionierte, VW konnte sich neu aufstellen und 2006 kehrte man zur Fünf-Tage-Woche zurück. Nun bringt die IG-Metall-Chefin eine Lösung dieser Art erneut ins Spiel – um Volkswagen damit erneut eine Konsolidierung zu ermöglichen.
Bis dato habe die Arbeitgeberseite ein solches Vorgehen abgelehnt. Dass seit einem Tag nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen eine neue VW-Krise im Raum steht, könnte jedoch für eine neue Dynamik sorgen.
Gewerkschaft hält an Lohnforderungen fest
Aus der Politik kommt noch keine eindeutige Festlegung bezüglich einer Arbeitszeitverkürzung. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil spricht jedoch gegenüber dem NDR von einer „angemessenen Verteilung der Lasten“ zwischen allen Beteiligten und verweist auf 1994. Als 20-prozentiger Aktionär und mit zwei Mitgliedern des Aufsichtsrats übt das Land ein Mitspracherecht bei Volkswagen aus.
Jeder fünfte Arbeitsplatz innerhalb des Konzerns befindet sich in Niedersachsen. Eine Studie der Norddeutschen Landesbank aus dem Jahr 2017 spricht davon, dass VW zu mehr als der Hälfte der Wertschöpfung unter den größten Arbeitgebern des Bundeslandes beiträgt.
An ihrer Forderung nach einem Lohnplus von 7 Prozent will die IG Metall jedoch festhalten. Bezirksleiter Thorsten Gröger erinnerte an den Grundsatz, dass Tarifforderungen und Abschlüsse bei VW im Einklang mit der Branche erfolgen sollten. Dies sei bereits seit 20 Jahren Konsens. Die Krise bei Volkswagen sei nicht von den Beschäftigten verursacht worden.
Betriebsrat von VW wirft Management Zaudern bei Investitionen vor
In eine ähnliche Kerbe schlägt auch die Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, Daniela Cavallo. Sie sieht nicht die Personalkosten des Konzerns als dessen Hauptproblem, sondern das Verschlafen der Technologieführerschaft. Zu viele Produkte und Projekte habe das Management verschlafen, etwa im Bereich der Software oder bei der Weiterentwicklung eines wettbewerbsfähigen Batteriesystems.
Die Entscheidungsträger würden einmal getroffene Entscheidungen regelmäßig revidieren, äußerte Cavallo in einer Betriebsversammlung vor 25.000 Beschäftigten in Wolfsburg. Dazu gebe es zu viel an internen Regulierungen und Dokumentationsvorgaben.
Die Betriebsratsvorsitzende wirft der Konzernspitze vor, bei Investitionen zu zurückhaltend zu sein, obwohl nur Innovationen die Trendwende herbeiführen könnten. Auch bemühe man sich nicht, die vorhandenen Kapazitäten der Werke in Deutschland vollständig auszulasten. Man habe Märkte wie jene für den Hybridantrieb unterschätzt – und aus Kostengründen Chancen liegengelassen:
„Aufträge werden aus Wolfsburg ferngehalten, um völlig engstirnig kurzfristig Geld zu sparen. Für ein Herzstück unserer Elektrostrategie, den künftigen VW-Kleinstwagen, wollte man sich dem Wettbewerb an den Hals werfen und ihn bei Dacia bauen lassen.“
Konzernchef Blume: „Wir stehen fest zum Standort Deutschland“
Der „Welt“ zufolge ist das Stammwerk in Wolfsburg, in dem mehr als 800.000 Autos pro Jahr produziert werden können, nur zur Hälfte ausgelastet.
In anderen Werken sehe es noch bedenklicher aus. Auch Finanzvorstand Arno Antlitz erklärte, es fehle ein Absatz von 500.000 Pkw pro Jahr – „die Verkäufe für rund zwei Werke“. Dies liege nicht einmal an den Produkten oder am Vertrieb:
Der Markt ist schlicht nicht mehr da.“
VW-Chef Oliver Blume äußerte in der „Bild am Sonntag“, die Situation sei „so ernst, dass man nicht einfach alles weiterlaufen lassen kann wie bisher“. Bisherige Sparmaßnahmen reichten nicht aus, man müsse noch weitere veranlassen.
Gleichzeitig betonte er, dass Volkswagen „fest zum Standort Deutschland“ stehe. Es gebe Mitarbeiter, deren Großväter bereits VW-Modelle gefertigt hätten, so Blume. „Ich will, dass auch ihre Enkel hier noch arbeiten können.“ Allerdings habe sich das wirtschaftliche Umfeld gerade für die Marke VW noch einmal erheblich verschärft.
Der Kuchen ist kleiner geworden und wir haben mehr Gäste am Tisch.“
Blume appellierte an den Veränderungswillen: „In Volkswagen steckt aber auch das Wort ‚wagen‘. Wir müssen wieder etwas wagen: Erfolg wagen“, sagte der Konzernchef. „Wir werden die Marke VW wieder dort hinbringen, wo sie hingehört. VW kann dabei auf mich zählen. Und ich zähle auf VW.“
Branchenexperte prognostizierte sechsstelligen Jobabbau in der Autoindustrie
Der Konzernchef deutet an, dass die Nachfrage nach Pkw in den vergangenen Jahren europaweit zurückgegangen sei. Gleichzeitig dränge asiatische Konkurrenz – insbesondere billige chinesische Modelle – auf den Markt, vor allem im Bereich der Elektroautos.
Nicht nur der schleppende Umstieg auf Elektromodelle, der nicht nur mit schwindender Kaufkraft infolge der Inflation zu tun hat, belastet den Markt. Die EU arbeitet schon wieder an strengeren Abgasregeln, und Klarheit über die Zukunft des Verbrennermotors gibt es frühestens 2026.
Bereits im Februar hatte Branchenexperte Stefan Bratzel von Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach gegenüber der ARD-„Tagesschau“ erklärt, es sei mit „bis zu 160.000 Jobs“ zu rechnen, die durch die „Transformation“ zum E-Auto wegfielen.
Zur Herstellung von E-Autos sei nur ein Viertel jener Bauteile erforderlich, die für den Bau eines Verbrenners benötigt würden. Gleichzeitig hätte China allein schon durch den einfacheren Zugang zu den benötigten Rohstoffen einen Kostenvorteil.
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