VW-Chef Diess warnt Autobranche vor Stillstand: „Der Sturm geht jetzt erst los“

Die politisch geforderte Abkehr vom Verbrennungsmotor ist nicht die einzige Herausforderung, vor der die Automobilindustrie steht. Auch der Markt selbst entwickelt neue Anforderungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Digitalisierung.
Titelbild
Volkswagen-Chef Herbert Diess.Foto: Peter Steffen/dpa
Von 18. Januar 2020

Neben dem Wandel zum E-Auto, der weniger vom Markt selbst als von der Politik forciert wird, steht Deutschlands Autoindustrie noch vor einer weiteren Herausforderung: der Digitalisierung. Themen wie autonomes Fahren und dessen digitale Optimierung schaffen einen neuen globalen Wettbewerb, in dem die deutsche Autoindustrie auch auf die erforderliche Infrastruktur für die sogenannte Industrie 4.0 angewiesen ist – und zu deren Kern der 5G-Standard gehört.

Das Thema war, wie Gabor Steingart im „Focus“ berichtet, auch Thema eines jüngst abgehaltenen internen Treffens von VW-Aufsichtsratschef Herbert Diess mit dem Management des Konzerns. Und glaubt man Steingarts Einschätzung, ist selbst Diess nicht restlos davon überzeugt, den Wandel zu schaffen.

„In Zukunft das komplexeste, wertvollste, massentaugliche Internet-Device“

Der VW-Chef ist sich vor allem nicht sicher, ob der Konzern in der Lage ist, schnell genug auf die technologischen Veränderungen zu reagieren, die mit dem Prozess einhergehen. Da das Auto, so stellt er voran, nicht mehr länger nur Transportmittel sei, müssten auch die Automobilhersteller ihre traditionelle Funktion überdenken.

Das Auto werde vielmehr zu einem zusätzlichen Lebensraum werden, in dem mehr Zeit verbracht werden würde. Damit spielte Diess nicht einmal auf Ladepausen infolge der begrenzten Reichweite von E-Automobilen an. Vielmehr werde das Automobil „wird in Zukunft das komplexeste, wertvollste, massentaugliche Internet-Device“, und Menschen würden darin künftig deutlich mehr Zeit verbringen als heute.

Das vernetzte Auto werde auch die Zeit, die Autofahrer im Internet verbringen, nahezu verdoppeln. Sie wollen auch in der Zeit, in der sie damit von einem Ort zum anderen gelangen, in der Lage sein, jederzeit auf digitale Daten zuzugreifen und online zu kommunizieren. Tesla habe als einer der ersten Konkurrenten diese Nachfrage und das damit verbundene Potenzial erkannt – was das Unternehmen aus Sicht der Analysten auch besonders wertvoll mache.

Die Angst vor dem Nokia-Moment

Die deutsche Automobilindustrie dürfe sich nicht auf dem Ruhm der Vergangenheit und derzeit noch intakten Gewinnen ausruhen. Die Unternehmen müssten sich darauf einstellen, dass die gesamte Branche einen umfassenden Wandel erleben werde. Es sei unsicher, ob man in der Lage sei, den Weg vom Automobilkonzern zum digitalen Technologie-Konzern in angemessener Zeit zu bewältigen.

Diess warnt:

Was uns fehlt, das sind vor allem Schnelligkeit und der Mut zu kraftvollem, wenn es sein muss radikalem Umsteuern.“

Mache man im derzeitigen Tempo weiter, werde es „sogar sehr eng“. Die Automobilbranche müsse jetzt daran arbeiten, den „Nokia-Moment“ zu vermeiden, also die Situation, da man im Irrglauben, angesichts in der Vergangenheit erlangter Größe würde die Zukunft zum Selbstläufer, auf der Strecke bleibe. Für Diess steht fest:

Der Sturm geht jetzt erst los.“



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