Volkswagen verlässt Xinjiang: Wirtschaftliche Gründe oder Druck wegen Zwangsarbeitsvorwürfen?

Volkswagen zieht sich aus wirtschaftlichen Gründen aus der chinesischen Provinz Xinjiang zurück, nachdem jahrelange Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen und Zwangsarbeit den Standort belastet hatten.
Die Einfahrt zum Werk von Volkswagen im westchinesischen Ürümqi (Xinjiang).
Der deutsche VW-Konzern hat sein umstrittenes Werk im westchinesischen Ürümqi, Xinjiang, verkauft.Foto: picture alliance / dpa
Von 27. November 2024

Seit über zehn Jahren ist Volkswagen in Xinjiang tätig. Wie der Volkswagen-Konzern am Mittwoch angekündigt hat, wird er sich nun aber aus der nordwestchinesischen Provinz Xinjiang zurückzuziehen. Das Werk in Ürümqi sowie die Teststrecken in Turpan und Anting seien „aus wirtschaftlichen Gründen“ im Zuge einer strategischen Neuausrichtung „veräußert worden“, teilte der Konzern in einer Pressemitteilung mit. Zuvor hatten schon verschiedene Nachrichtenagenturen über den Rückzug des deutschen Autoherstellers berichtet.

Seit 2013 betrieb Volkswagen zusammen mit seinem chinesischen Partnerunternehmen, dem Staatskonzern SAIC, das Werk in Ürümqi. Die Teststrecke in Turpan war 2019 fertiggestellt worden. Immer wieder war der Standort in Ürümqi wegen Menschenrechtsverletzungen an den Mitgliedern der muslimischen Uiguren-Minderheit in die Kritik geraten.

Seit Jahren gibt es aus der Region Vorwürfe, dass der chinesische Staat Uiguren unterdrückt, zu Zwangsarbeit zwingt und in sogenannten Umerziehungslagern drangsaliert.

Von staatlicher Zwangsarbeit profitiert?

Vor etwa über zwei Jahren veröffentlichte die damalige UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet einen Bericht über Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der chinesischen Provinz Xinjiang. „Im Rahmen der von der Regierung verfolgten Strategien zur Bekämpfung des Terrorismus und des ‚Extremismus‘ wurden in der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang der Volksrepublik China (XUAR) schwere Menschenrechtsverletzungen begangen“, so damals das Fazit des knapp 46 Seiten langen Dokuments.

Wie anderen Unternehmen auch, die in der Provinz Xinjiang Standorte unterhalten, war nach der Veröffentlichung des UN-Berichts dem VW-Konzern auch vorgeworfen worden, von staatlicher Zwangsarbeit zu profitieren. Konkrete Berichte gab es im Februar in Bezug auf den Bau der Teststrecke. Wie damals das „Handelsblatt“ berichtete, sollen bei diesem Bau von VW Zwangsarbeiter eingesetzt worden sein.

Wie die Wirtschaftszeitung berichtete, sei man dem Tipp eines VW-Angestellten nachgegangen und habe anschließend gemeinsam mit dem Wissenschaftler Adrian Zenz Hinweise  ausgewertet. Zenz forscht seit Jahren zur Unterdrückung von Uiguren in China. Er kam zu dem Schluss, dass uigurische Zwangsarbeiter beim Bau der Strecke eingesetzt wurden. Sie waren demnach der Erfassung biometrischer Daten ausgesetzt, wurden indoktriniert und überwacht.

Zenz berief sich damals auf öffentlich zugängliche Berichte, die unter anderem der chinesische Staatsbetrieb China Railway Engineering Corporation (CREC) veröffentlicht hatte, der damals die Strecke für VW baute. Chinesische Staatsmedien veröffentlichten nach Angaben von Zenz Fotos von Arbeitern in militärischer Drilluniform.

Auf Anfrage des „Handelsblatt“ erklärte VW damals, dass dem Konzern keine Informationen zu den Vorwürfen vorlägen. Neuen Erkenntnissen würde man aber nachgehen, hieß es damals.

Das kommunistische Regime im Peking weist jegliche Vorwürfe zurück und gibt an, sein Vorgehen in der Region Xinjiang diene vorrangig dem Kampf gegen Extremismus.

Umstrittene Untersuchung weist Mängel auf

Ende des letzten Jahres ging VW den Vorwürfen mit einer an die deutsche Auditfirma Löning übertragenen Untersuchung nach. „Wir haben die Arbeitsverträge und Gehaltszahlungen aller 197 Mitarbeitenden der letzten drei Jahre geprüft, 40 Interviews geführt und konnten die Fabrik frei begehen. Die erhobenen Daten wurden miteinander auf Konsistenz und Plausibilität abgeglichen (‚trianguliert‘)“, sagte Geschäftsführer Markus Löning zur Vorgehensweise seines Unternehmens. Man habe weder Hinweise noch Belege für Zwangsarbeit finden können, so die Prüfer damals.

Laut einem Bericht des „Handelsblatt“ von September dieses Jahres weist der Bericht allerdings auf gravierende Mängel hin. Im Fokus stand die chinesische Kanzlei Liangma Law. Diese war von Löning beauftragt worden, VW-Mitarbeiter im Werk in Xinjiang zu interviewen, hat dabei aber offenbar den sogenannten Standard SA8000 nicht eingehalten. Es handelt sich um ein international anerkanntes Verfahren zur Durchführung von Audits.

Der Nichtregierungsorganisation Campaign for Uyghurs (CFU) waren daraufhin geleakte Informationen zugespielt worden. Diese wertete abermals der renommierte Xinjiang-Forscher Adrian Zenz aus.

Offenbar hatte die chinesische Kanzlei keinerlei ausreichende Qualifikationen, um Audits dieser Art zu gewährleisten. Das Unternehmen verfüge über „keine erkennbare Erfahrung in der Durchführung von Sozialprüfungen und wirbt auch nicht mit entsprechenden Dienstleistungen“, heißt es in dem Bericht des Forschers Zenz.

Weiter kritisierte der Forscher die engen Verbindungen von Liangma Law zur Kommunistischen Partei Chinas. „Allein diese Tatsache deutet darauf hin, dass Uiguren und andere Mitarbeiter des SAIC-Volkswagen-Werks in Ürümqi dem Prüfungsteam keine sensiblen Informationen hätten übermitteln können, ohne Konsequenzen zu befürchten“, so Zenz.

Die Beratungsfirma Löning räumte daraufhin Schwierigkeiten beim Sammeln der nötigen Daten wegen der verpflichtenden Zusammenarbeit mit den chinesischen Behörden ein. Auch sei die Turpan-Teststrecke nicht Teil der Überprüfung gewesen.

Konzern profitiert vom „chinesischen Ökosystem“

Über die Zukunft des Werkes in Xinjiang war in den letzten Monaten intensiv verhandelt worden. Schon im Februar hatte der VW-Konzern laut dem „Tagesspiegel“ mitgeteilt, seine Geschäftsaktivitäten in der Region neu ausrichten zu wollen. Das ist nun offenbar passiert.

Das Werk in Ürümqi sei von dem chinesischen Unternehmen Shanghai Motor Vehicle Inspection Center (SMVIC) übernommen worden, erklärte Volkswagen. Bei der Auswahl eines „geeigneten Käufers“ sei der Erhalt der dortigen 170 Jobs ein wichtiges Kriterium gewesen.

Volkswagen unterhält seit 40 Jahren sein Joint Venture mit SAIC. Lange war das Gemeinschaftsunternehmen der verkaufsstärkste Autobauer Chinas. In den vergangenen Jahren hatte VW jedoch an Boden verloren und wurde von heimischen Herstellern überholt. Das Unternehmen BYD, das hauptsächlich Elektroautos verkauft, trägt mittlerweile den Titel des Marktführers.

Im Zuge der nun angekündigten „strategischen Neuausrichtung“ hin zu mehr Elektroautos verlängert Volkswagen sein Joint Venture mit SAIC vorzeitig bis 2040. Es wäre sonst im Jahr 2030 ausgelaufen. „China ist Innovationstreiber für autonomes Fahren und Elektromobilität“, erklärte der China-Chef von VW, Ralf Brandstätter. „Mit der neuen Vereinbarung intensivieren wir unsere Integration in das chinesische Ökosystem.“ Davon profitiere auch der Rest des Konzerns.

 



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