Musterprozess im Dieselskandal: VW rechnet mit jahrelanger Verfahrensdauer
Volkswagen hat zwei Wochen vor Beginn des Musterfeststellungsprozesses die betroffenen Dieselbesitzer auf ein jahrelanges Verfahren eingestimmt. Zwar habe VW ein Interesse an einem zügigen Verfahren, erklärte der Konzern am Montag. Da das Rechtsinstrument allerdings zum ersten Mal angewendet werde und die unterschiedlichen Sachverhalte komplex seien, rechne Volkswagen mit einer Verfahrensdauer von mindestens vier Jahren.
Zugleich bekräftigte der Konzern, dass aus Unternehmenssicht die Kunden keinen Schaden erlitten hätten, „da alle Fahrzeuge im Verkehr genutzt werden können und sicher sind“. Am 30. September beginnt vor dem Oberlandesgericht (OLG) in Braunschweig das Musterfeststellungsverfahren gegen Volkswagen wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen, die im September 2015 den Dieselskandal auslösten. Damals gab der Konzern zu, weltweit in Millionen Fahrzeugen seiner Marken eine illegale Software eingebaut zu haben, die den Ausstoß von Stickoxiden nur auf dem Prüfstand sinken ließ, nicht aber im täglichen Straßenverkehr.
Mit der Musterfeststellungsklage will der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gemeinsam mit dem ADAC nun feststellen lassen, dass VW Kunden vorsätzlich geschädigt und betrogen habe. Möglich ist diese Klageform erst seit dem vergangenen November. Verbraucher sollen so ihre Ansprüche gegen Unternehmen einfacher durchsetzen können. Klageberechtigt sind Verbände, anschließend trifft ein Gericht grundsätzliche Feststellungsziele über mögliche Verfehlungen eines Unternehmens. Die Verbraucher können sich dann darauf berufen, wenn sie hinterher ihre individuellen Ansprüche selbst einklagen.
Mit solchen Individualklagen ist nach Einschätzung von VW aber frühestens in einigen Jahren zu rechnen. Denn die Musterfeststellungsklage werde vermutlich insgesamt rund zwei Jahre vor dem OLG und danach zwei weitere Jahre vor dem Bundesgerichtshof (BGH) verhandelt werden.
Da der Fall dann wieder zurück an das OLG verwiesen werden könne, rechnet VW nicht vor 2023 mit einem rechtskräftigen Urteil, das die Basis für Individualklagen von Verbrauchern sein könnte. Diese würden dann wiederum mindestens ein weiteres Jahr in Anspruch nehmen, ein etwaiger Schadensersatzanspruch werde somit nicht vor 2024 festgestellt werden – womöglich noch später, wenn auch die Individualklagen in die zweite Instanz gingen, erklärte der Konzern.
Überdies sieht der Autobauer für Schadenersatzansprüche unverändert keine Grundlage, da nach einem Software-Update die betroffenen Fahrzeuge im Verkehr genutzt werden könnten und sicher seien. Bestätigt fühlt sich Volkswagen auch durch bisherige Gerichtsurteile.
Hier war die Rechtsprechung bei Fahrzeugen, die Verbraucher vor der öffentlichen Bekanntgabe durch Volkswagen im September 2015 gekauft hatten, in den vergangenen Monaten allerdings uneinheitlich ausgefallen. Während etwa das OLG Köln im Juli zu Ansprüchen auf Rückzahlung des Kaufpreises zugunsten der Kläger entschieden hatte, wies das OLG Braunschweig im Februar eine vergleichbare Klage ab. Volkswagen erwartet in diesem Fall eine mündliche Verhandlung vor dem BGH im Frühjahr 2020.
Einen Vergleich, der in Musterfeststellungsverfahren explizit vorgesehen ist, hält VW indes für „kaum vorstellbar“. vzbv-Chef Klaus Müller hatte zuletzt darauf hingewiesen, dass ein aus Verbrauchersicht attraktiver Vergleich das Verfahren wesentlich abkürzen könne. (afp/sua)
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