Verschwindet die deutsche Nutztierhaltung?
„Es werden zwar Nutztierpraktiker gesucht, doch die Tierproduktion ist in Deutschland nicht mehr erwünscht und wird sich zwangsläufig ins Ausland verlagern. Die bäuerliche Landwirtschaft wird hier zu Lande sterben“, schreibt ein Tierarzt in einer neuen Umfrage von Christian Dürnberger, Philosoph am Messerli Forschungsinstitut der Vetmeduni Wien.
Dürnberger untersuchte mit offenen Fragen, wie deutsche Tierärzte, welche sich mit den Nutztieren der Lebensmittelproduktion wie Kühen und Schweinen befassen, die Situation und die Zukunft ihres Berufs sehen. Die Studie wurde auf academicjournals.org veröffentlicht.
Sein Fazit: „In etlichen Antworten herrscht eine düstere Stimmung, wenn es um die Zukunft des Berufes und der Tierhaltung im Allgemeinen geht.“
Unternehmen, die in Deutschland immer weniger gewollt sind
Für die Tierärzte ist es ein drängendes Problem und ein Hauptstressfaktor, in Unternehmen zu arbeiten, welche von der deutschen Gesellschaft immer weniger gewollt sind.
Aus Sicht der Landwirte und Tierärzte habe ein Teil der Gesellschaft den Bezug zur Landwirtschaft und zur Lebensmittelproduktion verloren. Dabei werde die Gesellschaft von anderen Akteuren beeinflusst – welche leider die Debatte dominieren.
„Die öffentliche Debatte muss stärker wissens-/faktenbasiert werden! Aus diesem Grund muss sich die Schulbildung ändern.“ Dabei sollten keine „Ideologien verfolgt werden – wissenschaftliche Expertise muss an erster Stelle stehen“, so eine Meinung der Befragten.
Sie sprechen von mancherorts niedrigen Verdiensten bei 10/12-Stunden-Tagen zusätzlich zum Bereitschaftsdienst und Wochenenddienst, der zunehmenden Bürokratisierung und kaum einhaltbaren Gesetzen. Manchmal sei der Tierarzt ein bloßer „Medikamentenlieferdienst“, da Bauern auch medizinische Maßnahmen vornehmen.
Der Druck aus der Politik wird zunehmen
Die Studienteilnehmer wurden unter anderem gefragt, ob sie ihren Beruf weiterempfehlen würden. Neben vielen Ja-Antworten gab es auch Nein-Antworten dieser Art:
Der „Druck aus Politik und bestimmten Kreisen der Gesellschaft auf die Landwirtschaft und damit auf die Tierärzte wird in Zukunft zunehmen; das Verhältnis ist schon heute von Misstrauen und Sprachlosigkeit geprägt. Obwohl die Betriebstierärzte auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind, ist die Tierproduktion in Deutschland nicht mehr erwünscht und wird zwangsläufig ins Ausland abwandern.“
So sei „der Tierhaltungssektor aufgrund der aktuellen politischen Situation mehr oder weniger ein Auslaufmodell“. Die Viehwirtschaft habe in Deutschland „keine Zukunft“. Ein Teilnehmer der Studie schrieb:
Ich gehe davon aus, dass aufgrund der gesellschaftlichen Anforderungen an die Landwirtschaft diese in den nächsten 25 Jahren aus den mitteleuropäischen Ländern weitestgehend verschwinden wird. Die pauschale Schuldzuweisung der jüngeren Menschen, perpetuiert durch die quotenorientierten Medien, zermürben die Bauern. Das allgegenwärtige ‚Bauern-Bashing‘ trägt in meinem Umfeld dazu bei, dass die Höfe aussterben.“
Ein anderer:
Die Nutztierhaltung steht (…) momentan am Scheideweg, auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu sein oder für den lokalen Markt nachhaltig zu produzieren. Diese Richtung wird allerdings politisch nicht unterstützt, sodass die Nutztierhaltung in Deutschland auf die Dauer eine sehr untergeordnete Rolle spielen wird.“
Es könne nicht sein, dass Milch im Supermarkt billiger als Wasser sei
Die überwiegende Mehrzahl der beteiligten Nutztierärzte wünscht sich bessere Bedingungen für die Nutztiere: ein Ende der (permanenten) Anbindehaltung, eine Begrenzung der Herdengrößen und die Forderung nach tierfreundlichen Lösungen für Interventionen wie Kastration oder Enthornung.
Vieles sehen sie auch beim Menschen kritisch. Die Verbraucher verlangen eine andere Art von Landwirtschaft, seien aber nicht bereit, dafür zu bezahlen.
Die Verbraucher sollten auch bereit sein, für ihre Forderungen zu bezahlen.“
Für die Tierärzte besteht ganz klar ein Bedarf an häufigeren staatlichen Kontrollen: „Unangekündigte Kontrollen der Herden durch das Veterinäramt (insbesondere der Kälberhaltung und der Überbelegung)“ sind notwendig.
Ein anderer schreibt: „Weg mit QS, QM und wie sie alle genannt werden. Wir brauchen ganz klar einmal im Jahr eine Inspektion durch das zuständige Veterinäramt.“
Ein Tierarzt weist darauf hin: „Die Leistung der Tiere (Milch und Mast) muss abnehmen, weil der Stoffwechselstress extrem hoch ist. Die Landwirte sind oft nicht in der Lage, die geforderten Fütterungs- und Haltungsbedingungen zu erfüllen, oder diese Anforderungen können überhaupt nicht erfüllt werden, was zur Folge hat, dass die Tiere krank sind und leiden.“
Den Bauern fehlt das Geld, meinen die Tierärzte
In Bezug auf die Tierhaltung wünschen sich die Tierärzte mehr finanziellen Spielraum für die Tierhalter. Den Landwirten fehle es an Geld. Dieser wirtschaftliche Druck wirke sich auch auf die Tierärzte aus – und natürlich auf die Situation der Tiere.
Die Tierärzte sehen hier vor allem die Verbraucher, den Handel und die Politik in der Pflicht. Das Geld, das für Lebensmittel ausgegeben wird, sollte nicht „in den großen Handelsunternehmen verschwinden“; „der Einzelhandel sollte nicht so mächtig sein, um die Milch- und Fleischpreise nach unten zu treiben“.
Die Umfrage wurde im Sommer 2019 mit insgesamt 123 Tierärztinnen und Tierärzten durchgeführt. Alle sind im Bereich der Nutztierhaltung in Deutschland tätig. Sie stammen aus zwölf verschiedenen Bundesländern. Die Studie ist nicht repräsentativ.
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