Verdi-Chef Bsirske geht in Rente – Gewerkschaft leidet unter Mitgliederschwund

Ab Oktober 2019 braucht die Gewerkschaft Verdi einen neuen Verhandlungsführer: Frank Bsirske geht in Rente.
Epoch Times3. März 2019

Von seinen Mitgliedern wurde er am Rande der Länder-Tarifrunde in Potsdam fast so frenetisch gefeiert wie ein Popstar, für Arbeitgeber ist er ein harter Brocken: Verdi-Bundeschef Frank Bsirske. Nach insgesamt 30 Jahren Gewerkschaftsarbeit tut er das, was er anderen immer ersparen wollte – er geht nicht mit 63 Jahren, sondern im September mit 67 in Rente.

Im Herbst braucht Verdi eine oder einen Neuen, der den Laden ganz unterschiedlicher Interessen in der Großgewerkschaft ähnlich gut zusammenhalten kann wie Bsirske. Er tritt beim Bundeskongress seiner Gewerkschaft Ende September in Leipzig nicht wieder an.

Ein ungelöstes Problem: Ungeachtet der in den vergangenen Jahren wieder gewachsenen Streiklust und trotz besserer Lohnabschlüsse leidet Verdi seit vielen Jahren – Rekordbeschäftigung hin oder her – unter nachhaltigem Mitgliederschwund. Der demografische Wandel trifft auch die Gewerkschaften. Das „Handelsblatt“ kürte sie spitz zu Deutschlands größten Rentnerklubs. Bald ist Bsirske einer von ihnen.

Bsirske ist einer der einflussreichsten Gewerkschaftsführer

Acht Prozent Lohn-Plus bis Anfang 2021 – an Kraft hat es ihm auch bei seiner letzten Tarifrunde mit der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) nicht gefehlt, obgleich die es ihm nicht leicht gemacht haben.

„Ich hätte sie mir einfacher gewünscht“, zog Bsirske das Fazit seiner letzten Tarifverhandlungen. „Ich habe sehr unterschiedliche Verhandlungssituationen erlebt, das ist eine der komplizierteren.“

Bsirske wurde am 10. Februar 1952 im niedersächsischen Helmstedt an der Grenze zu Sachsen-Anhalt als Kind einer Arbeiterfamilie geboren. In den 70er Jahren studierte er am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin in der damaligen Mauerstadt Politikwissenschaft. Heute gehört Bsirske zu den nicht nur bei Verdi, sondern als Arbeitnehmervertreter auch in Aufsichtsräten von Großunternehmen einflussreichsten Mitgliedern der Bündnisgrünen.

Sein Einstieg in die Gewerkschaftsarbeit begann 1989 als Sekretär der Verdi-Vorgängergewerkschaft Öffentliche Dienst, Transport und Verkehr (ÖTV). Erfahrungen in der öffentlichen Verwaltung sammelte er Ende der 90er Jahre als Personal-Stadtrat in Hannover. Im Jahr 2000 wurde Bisrske zunächst ÖTV-Bundeschef und führte die Gewerkschaft in die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, bei der er das Spitzenamt 2001 übernahm.

Verhandlungen auf Augenhöhe waren schwierig

Mit fünf Bundesinnenministern handelte Bsirske die Angestelltengehälter bei Bund und Kommunen aus. Auf Länderseite stellte ihn der CDU-Politiker und Finanzminister Hartmut Möllring aus seinem Heimatland Niedersachsen als Verhandlungschef der Länder-Arbeitgebervereinigung TdL vor die wohl schwerste Herausforderung seines Berufslebens. Möllring habe es 2006 darauf angelegt, Verdi „das Kreuz zu brechen“, erinnert sich Bsirske. Erst nach 14 Wochen Erzwingungsstreik kam es zum Kompromiss.

„Er ist natürlich einer der gewieftesten Tarifverhandler in Deutschland“, fasst Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) als aktueller Verhandlungschef der TdL seine Erfahrungen mit Bsirske zusammen. „Wenn man auf der anderen Seite sitzt, muss man sich immer darauf konzentrieren, dass die Verhandlungen tatsächlich auf Augenhöhe stattfinden“.

„Ich habe Frank Bsirske bei Tarifverhandlungen als besonnenen und charismatischen Gewerkschaftsführer erlebt“, bilanziert Ulrich Silberbach als Chef des Beamtenbunds. Die Zusammenarbeit beider Gewerkschaften sei nicht immer reibungsfrei, „aber der offene Dialog und das faire Miteinander zeichnet ihn aus“.

Als großen politischen Erfolg seiner rund 20jährigen Amtszeit sieht Bsirske den Mindestlohn in Deutschland, das EU-weit den größten Niedriglohnsektor besitzt. Arbeit dürfe nicht arm machen und entwürdigen, betont er. (afp)



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