Soll der digitale Euro das Bargeld abschaffen?

Die Europäische Zentralbank erwägt die Einführung eines digitalen Euros als zusätzliche Zahlungsmöglichkeit im Euroraum. Während die EU-Kommission die Vorteile betont und die Abhängigkeit von ausländischen Zahlungsdienstleistern reduzieren möchte, gibt es trotzdem noch viele unbeantwortete Fragen.
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Die EU-Kommission hat ihre Pläne für den digitalen Euro konkretisiert.Foto: iStock
Von 26. Juli 2023

Noch bis zum Herbst führt die Europäische Zentralbank (EZB) eine sogenannte Untersuchungsphase für den digitalen Euro durch. Nach Ende dieser Phase möchte die EZB über den Eintritt in eine voraussichtlich dreijährige Implementierungsphase entscheiden.

Ende Juni hat allerdings schon die EU-Kommission einen Gesetzentwurf zur Einführung des digitalen Euros präsentiert. Wie in den letzten Monaten wurde auch bei der Vorstellung wieder betont, dass die europäische Digitalwährung nur ein weiteres Angebot sein soll und das Bargeld damit nicht abgeschafft werde.

Bargeld in digitale Form gebracht

„Man bekommt mehr Auswahl“, sagt die zuständige Kommissarin Mairead McGuiness in einer Pressemitteilung. „Wir werden digital tun können, was wir heute mit Bargeld erledigen und es ist wichtig, den Menschen diese Möglichkeit zu geben. Das ist nicht wie bei Kreditkarten. Wir sprechen darüber, unser Bargeld in ein digitales Format zu bringen und uns zu erlauben, Bargeld digital zu verwenden.“

Brüssel betont ebenso wie die EZB in Frankfurt, dass es in einer digitalen Wirtschaft dieses Schrittes bedürfe. Es sei ein Angebot für digitale Zahlungen als Alternative zu bestehenden Zahlungsdienstleistern.

Die EU-Pläne sehen konkret vor, dass Verbraucher zukünftig im Euroraum mit dem digitalen Euro gebührenfrei bezahlen können, etwas mithilfe einer digitalen Geldbörse oder mit dem Smartphone. Ebenso sollen Zahlungen mit dem digitalen Euro auch ohne Internetverbindung möglich sein.

Wie das System digitaler Euro dann tatsächlich im Detail aussehen könnte, da herrschte in der Europäischen Union bisher Unklarheit. Das gab auch Kommissionsvize Valdis Dombrovskis laut einem Bericht der „Tagesschau“ zu. Sicher sei seiner Ansicht nach lediglich, dass der digitale Euro sich gegen digitale Währungen anderer Staaten behaupten muss. Länder wie China, Großbritannien und die USA entwickeln gerade ähnliche Lösungen.

„Mehr als 100 Zentralbanken arbeiten an digitalen Währungen“, so Dombrovskis, „und da kann der Euro als die am zweithäufigsten verwendete Währung der Welt nicht zurückstehen.“

Schweden erlebt gerade die Negativseite der Abkehr von Bargeld

Dass die Einführung bargeldloser Zahlungen nicht nur Vorteile, sondern auch Risiken in sich birgt, das erlebt gerade Schweden. In diesem skandinavischen Land spielt Bargeld praktisch keine Rolle mehr. Überall kann man bargeldlos bezahlen. Ob an der Strandbude oder sogar auf dem Flohmarkt – Kartenzahlung ist überall möglich. Selbst in der Kirche kann man seine Spende per Karte und Pin einwerfen. Bargeld wird nur gebraucht, wenn man in Supermarkt seinen Einkaufskorb aus der Halterung lösen möchte.

Für die Schweden hat das aber einen sehr großen Nachteil, gerade jetzt in der Urlaubszeit. Fliegen schwedische Touristen beispielsweise nach Asien oder Lateinamerika, können sie nun häufig keine Kronen mehr in den Wechselstuben eintauschen. Die Geldwechsler verweigern die Annahmen, da es zunehmend aufwendig geworden ist, die schwedische Währung wieder loszuwerden.

Solche Zustände, das sagt zumindest die Europäische Union, sollen verhindert werden. Sie fährt deshalb zweigleisig: Einerseits möchte die EU verstärkt sicherstellen, dass Bargeld im Euroraum flächendeckend akzeptiert wird. Gleichzeitig möchte sie mit dem digitalen Euro eine neue Form des Geldes auf den Weg bringen.

„Unser Vorschlag sieht vor, dass die Staaten Maßnahmen ergreifen müssen, wenn Bargeld als Zahlungsform in großem Maße abgelehnt wird“, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni laut einem Bericht der „Welt“. Zudem könnte die Kommission selbst eingreifen, um die Akzeptanz von Bargeld sicherzustellen.

Akzeptanz von Bargeld hoch – Zugang schwerer geworden

Derzeit liegt die Akzeptanz für Bargeld in der Eurozone bei etwa 59 Prozent aller Transaktionen. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den Ländern ziemlich erheblich. In manchen Ländern liegt die Akzeptanz bei bis zu 70 Prozent. In anderen EU-Ländern ist die Akzeptanz erheblich niedriger, bei bis zu 20 Prozent. Besonders wenig Akzeptanz genießt Bargeld im EU-Raum beispielsweise in den Niederlanden. So ergab eine gerade erst durchgeführte Umfrage der niederländischen Zentralbank, dass bereits zwölf Prozent der Apotheken keine Barzahlungen mehr akzeptieren.

Zunehmend schwierig gestaltet sich auch der Zugang zu Bargeld. „13 Prozent der Bürger der Eurozone finden es inzwischen schwierig, an Bargeld zu gelangen“, erklärt Gentiloni. Diesen erschwerten Zugang zu Bargeld kann vermutlich jeder nachvollziehen, der im deutschen ländlichen Raum wohnt. Dort wird es zunehmen schwerer, sich Geld aus einem Geldautomaten zu ziehen. Es ist aber nicht nur ein deutsches Problem. Die Zahl der Geldautomaten sank in der Eurozone zwischen 2016 und 2022 von 420.000 auf 370.000. Viele Verbraucher fürchten daher, dass die Einführung es digitalen Euros ein weiterer Schritt in Richtung der Abschaffung des Bargeldes sein könnte.

Die EU-Kommission bemüht sich deshalb immer wieder in ihren öffentlichen Verlautbarungen, den Menschen die Angst vor dem digitalen Euro zu nehmen. Dass EU-Länder nun verpflichtet sind, die Beschaffung von Bargeld sicherzustellen und dass im Zweifel sogar die EU-Kommission eingreifen kann, soll noch einmal die Haltung der EU unterstreichen, dass der digitale Euro nur eine zusätzliche Zahlungsmöglichkeit sei.

Digitaler Euro per App

Nach dem jetzigen Vorschlag der EU soll sich zukünftig jeder den digitalen Euro auf eine App laden können. Mit dieser App kann der Verbraucher dann überall bezahlen – sowohl online als auch offline. Dabei soll es dann aber eine Obergrenze bei den Beträgen geben. Wo diese liegen soll, das ist im Moment noch nicht definiert. Die Kommission möchte damit verhindern, dass mit dem digitalen Euro die Geschäfte der Banken nicht gefährdet werden und sie keine Geldabflüsse erleiden.

EU-Kommissar Dombrovski ging laut „Welt“ auch auf Sicherheit und Privatheit des Geldverkehrs ein. So sollen Transaktionen – ähnlich wie schon jetzt bei Kartenzahlungen – über private Dienstleister laufen. Im Offline-Modus des Bezahlverkehrs soll die Sicherheit dann noch einmal stärker ausgeprägt sein. Weder Banken noch EZB sollen dann einsehen können, wer wann wie viel Zahlungen leistet, versprach der EU-Kommissar.

Gerade die versprochene Sicherheit im Offline-Modus wirft aber auch Fragen auf. Ein Bericht der EZB zu diesem Thema kam erst im Mai zum Ergebnis, dass es fraglich sei, ob es innerhalb der nächsten sieben bis zehn Jahren technisch machbar sein werde, eine sichere Offline-Nutzung zu ermöglichen. Wenn es aber nach den EU-Plänen geht, dann kommt der digitale Euro schon in drei Jahren.

Mehrwert des digitalen Euros unklar

Ein weiteres Problem liegt in der Frage, welchen tatsächlichen Nutzen der digitale Euro am Ende wirklich hat. Auf den Punkt bringt es in seiner Stellungnahme zum Kommissionsvorschlag Markus Ferber (CSU), dem wirtschaftspolitischen Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament: „So wie der digitale Euro konzipiert ist, ist er eine Lösung auf der Suche nach einem Problem“, so Ferber. „Die Menschen wollen ganz konkret wissen, was man mit dem digitalen Euro machen kann, was heute nicht geht.“

Das ist tatsächlich eine Frage, die die EU-Kommission bisher noch nicht zufriedenstellend beantwortet hat. Immer wieder hört man nur, dass der digitale Euro eben eine weitere Zahlungsmöglichkeit sei.

Ein weiterer Aspekt, der immer wieder betont wird, dass der digitale Euro die Abhängigkeit von ausländischen Zahlungsdienstleistern verringern kann. Insbesondere US-Firmen wickeln bisher den größten Teil der digitalen Zahlungen im Euroraum ab. Die europäische Infrastruktur, so das Argument, könne so gestärkt werden.

Wie der digitale Euro am Ende konkret aussieht, das wird sich erst in den kommenden Monaten entscheiden. Der Vorschlag der Kommission liegt auf dem Tisch. Nun müssen die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament über den Gesetzesvorschlag diskutieren und diesen verabschieden, auch in einer eventuell geänderten Form. Anschließend entscheidet dann die EZB, ob sie das Projekt überhaupt umsetzen möchte. Vor Herbst ist mit dieser Entscheidung nicht zu rechnen.



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