Preisbremsen in Kraft – Horrende Abschlagsmitteilungen im Umlauf

Ab sofort gelten Preisbremsen für Strom und Gas. Viele Kunden müssen im kommenden Jahr dennoch höhere Abschläge bezahlen.
Entlastung bei der Stromrechnung: Zu Monatsbeginn greifen in Deutschland die Energiepreisbremsen.
Seit 1. März 2023 gelten die Preisbremsen für Gas und Strom. Das Symbolbild zeigt den 2011 in Betrieb genommenen Erdgasspeicher „UGS Katharina“ in Peißen, Sachsen-Anhalt.Foto: Textbüro Freital
Von 1. März 2023

Seit Mitternacht zum 1. März sind die Preisbremsen für Strom und Gas in Kraft, die das Bundeskabinett im Herbst 2022 auf den Weg gebracht hatte. Die neuen Regeln gelten rückwirkend auch für Januar und Februar 2023. Zur Finanzierung der von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als „Doppel-Wumms“ bezeichneten Verbraucherentlastungen steht ein Sondervermögen von 200 Milliarden Euro zur Verfügung.

Preisbremsen: Plan B nach Scheitern der geplanten Gasumlage

Anlass für die Preisbremsen war die durch den Krieg in der Ukraine befeuerte Preisexplosion auf den Energiemärkten. Ende August 2022 hatte der Großhandelspreis für eine Megawattstunde (MWh) Gas an der niederländischen TTF-Börse einen Allzeitrekord von 346 Euro erreicht. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wollte ursprünglich die Energieunternehmen durch eine Gasumlage entlasten. Diese Maßnahme erwies sich jedoch als politisch nicht durchsetzbar.

Um eine Überforderung von Wirtschaft und Verbrauchern zu verhindern, entschied die Regierung, stattdessen einen Teil der Energiepreise für Haushalte und kleinere Unternehmen zu subventionieren. Für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs soll eine Erstattung der Differenz zwischen gedeckeltem Preis und Marktpreis erfolgen. In diesem Umfang gilt ein Höchstpreis pro Kilowattstunde von 12 Cent bei Gas, 40 Cent bei Strom und 9,5 Cent bei Fernwärme.

Insgesamt soll durch die Preisbremsen auch der monatliche Abschlag sinken – zumindest dort, wo die regulären Preise höher sind als die gedeckelten. Auf der Jahresabrechnung für 2023 wird dann zu sehen sein, wie hoch der Verbrauch tatsächlich war. Bei Zentralheizungen müssen Vermieterinnen und Vermieter oder die Hausverwaltungen die Entlastung über die Jahresnebenkostenabrechnung weitergeben – was also noch dauert.

Weniger starke Preisausschläge für Bestandskunden in der Grundversorgung

Mittlerweile stehen jedoch auch die Preisbremsen in der Kritik. Die Zeit der extremen Gaspreise ist lange vorbei. Seit Monaten haben sie sich im Großhandel deutlich nach unten bewegt. Es ist gelungen, die LNG-Infrastruktur in Deutschland auszubauen, und nach einem moderaten Winter sind die Gasspeicher noch zu 70 Prozent gefüllt.

Der TTF Daily Natural Gas Forward Daily Future lag zuletzt bei 48,225 Euro (Stand 1. März, 11:00 Uhr). Im August hatte er bei 308,18 notiert. In der Corona-Zeit gab es vereinzelt Tage, an denen das Produkt zu einem einstelligen Preis gehandelt wurde. Davor lag das Preisniveau etwas niedriger als die Hälfte des heutigen Wertes.

Bei vielen Kunden sind die sinkenden Großhandelspreise dennoch bislang nicht angekommen. Vor allem in der Grundversorgung, die in den meisten Fällen durch die Stadtwerke stattfindet, liegt dies an der Einkaufspolitik. Dort dominieren langfristig abgeschlossene Verträge. Aus diesem Grund reagieren die Preise für den Endverbraucher weniger stark auf kurzfristige Preisausschläge.

Das bedeutet im Fall explodierender Preise wie im Vorjahr, dass Bestandskunden vor besonders starken Erhöhungen verschont bleiben. Vor allem beim Strom liegen die Arbeitspreise mancher Stadtwerke-Kunden trotz Erhöhung noch unter dem Höchstwert der Preisbremse. In solchen Fällen greift diese auch nicht. Im Gegenzug profitieren Kunden aber auch weniger stark von sinkenden Preisen.

Versorger erhöhen ihre Preise

Bei Anbietern jenseits der Grundversorgung dominiert hingegen meist die kurzfristige Beschaffung über die Spotmärkte. In der Vergangenheit konnten diese deshalb Verbrauchern deutlich geringere Arbeitspreise anbieten als die Grundversorger. Das böse Erwachen kam für viele jedoch im Vorjahr.

Die extremen Preisausschläge nach oben gingen voll zulasten der Verbraucher. Einige kleinere Anbieter verschwanden sogar vom Markt. In diesem Fall mussten die Kunden in die Grundversorgung wechseln – wobei die Versorger für diese Neukunden ebenfalls auf den Spotmärkten einkaufen mussten. Die Folge waren ebenfalls extrem hohe Abschläge.

Wer bereits im Vorjahr freiwillig seine Abschläge erhöht hatte, kann in einigen Fällen auf moderate Vorschreibungen oder sogar Rückerstattungen hoffen. Viele Verbraucher müssen 2023 jedoch trotz Preisbremse höhere Energiekosten in Kauf nehmen.

Wie der „Tagesspiegel“ unter Berufung auf das Portal Verivox berichtet, erhöhten 524 Versorger die Gaspreise im Schnitt um 48,5 Prozent. Beim Strom fiel die Preissteigerung bei 762 Versorgern mit durchschnittlich 54 Prozent sogar noch höher aus.

Habeck will sich um Anpassung der Preisbremsen bemühen

In der Politik macht sich nun Argwohn breit. Vielerorts stehen Stromversorger im Verdacht, die Preisbremse auszunutzen, um „Sondergewinne“ für sich abzuschöpfen. Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, äußerte:

Die aktuellen Preisbremsen verhindern, dass die sinkenden Großhandelspreise bei den Verbrauchern ankommen.“

Auch CDU-Fraktionsvize Jens Spahn forderte eine Anpassung der Preisbremsen an die weiter sinkenden Energiepreise. Die Staatshilfen, so der ehemalige Gesundheitsminister, nähmen den Versorgern den Druck, günstigere Preise an die Verbraucher weiterzugeben.

Jetzt will auch Wirtschaftsminister Habeck eine Neufassung der Energiepreisbremse auf den Weg bringen. Versorgungsunternehmen sollen demnach zur Offenlegung ihrer Kalkulationen verpflichtet sein, private Prüfer sollen die Angemessenheit ihrer Preispolitik untersuchen. In Fällen unangemessener Preisgestaltung sollen Energieversorger mit Rückzahlungspflichten rechnen müssen.

Verbraucherschützer raten inzwischen zum Anbieterwechsel, denn für Neukunden gebe es zurzeit wieder günstige Einstiegspreise. Manch andere versuchten, so heißt es aus dem Bundesverband VZBV, „abzukassieren und völlig überhöhte Abschläge durchzudrücken“.

Auf einige Kunden kommen erhebliche Nachforderungen zu

Ein „Stern“-Reporter teilte jüngst mit, eine Abschlagsmitteilung erhalten zu haben, die auf eine monatliche Vorauszahlung von 5.687 (!) Euro lautete. Aber auch Anbieter wie Eprimo hatten Kunden mit Preiserhöhungen von bis zu 800 Prozent irritiert.

Auf Nachfrage teilte der Anbieter mit, dass es sich nicht um einen Irrtum handele. Allerdings hätte es einen „Kommunikationsfehler“ gegeben. Aufgrund der Preisbremsen sei es erforderlich gewesen, aufgelaufene Nachforderungen in die Abschläge mit einzubeziehen.

Normalerweise wären diese erst auf der kommenden Jahresrechnung als Nachzahlungsforderung erschienen, hieß es zur Erklärung. „Zum Schutz unserer Kunden vor hohen einmaligen Nachzahlungen“ habe man diese, so der Anbieter, in die nächsten noch anstehenden Abschläge eingerechnet. Tatsächlich könnten die Kunden ab April mit deutlich geringeren Abschlägen rechnen. Die Nachzahlungen bleiben dennoch für einige Betroffene erheblich.

Energiewirtschaft bezeichnet Preisbremsen als wirksam

Kerstin Andreae, die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, verteidigt das Vorgehen der Branche. Gegenüber dem „Tagesspiegel“ erklärte sie:

Die meisten Unternehmen beschaffen Strom und Gas langfristig, zum Teil mehrere Jahre im Voraus. Lieferverträge für das laufende Jahr mussten daher schon im vergangenen Jahr zu den sehr hohen Preisen im Großhandel abgeschlossen werden.“

Es werde bei vielen Versorgern noch dauern, bis Kunden von der Preisentwicklung profitierten. Allerdings seien die Gaspreise für Endkunden seit Dezember im Schnitt von 20 auf 18 Cent gesunken:

Das zeigt, die Gaspreisbremse ist ein wichtiges Entlastungsinstrument.“

Um die Preise dauerhaft im verkraftbaren Rahmen zu halten, führt nach Einschätzung von Experten jedoch nichts an einer erheblichen Ausweitung des Angebots vorbei.

(Mit Material von AFP)



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