Mehr Banken erheben Negativzinsen

Der Druck auf Sparer in Deutschland wächst. Die Zahl der Institute, die Negativzinsen auf dem Tagesgeld- oder Girokonto erheben, steigt weiter. Es trifft zunehmend auch kleinere Guthaben.
Negativzinsen auf dem Konto nagen an dem Geld von immer mehr Bankkunden.
Negativzinsen auf dem Konto nagen an dem Geld von immer mehr Bankkunden.Foto: Fabian Sommer/dpa
Epoch Times1. April 2022

Bittere Zeiten für Sparer in Deutschland: Nicht nur gestiegene Inflationsraten nagen am Geld auf dem Konto, sondern auch Negativzinsen, die immer mehr Kreditinstitute verlangen.

Nach Daten des Vergleichsportals Verivox erheben inzwischen 449 von rund 1300 ausgewerteten Banken und Sparkassen Negativzinsen ab bestimmten Summen auf dem Tagesgeld- oder Girokonto (Stand 31.03.2022). Ende 2021 waren es 423 und vor einem Jahr nur 281. Zugleich setze sich der Trend zu immer niedrigeren Freibeträgen fort, die von Negativzinsen ausgenommen sind. Verbraucherschützer kämpfen vor Gericht gegen das sogenannte Verwahrentgelt.

Das Verbraucherportal Biallo.de kommt sogar auf 572 Institute, die Negativzinsen auf private Guthaben verlangen (Stand: 30.3.2022) und stellt ebenfalls den Trend zu sinkenden Freibeträgen fest.

Durchschnittssparer immer häufiger betroffen

„Schon längst müssen nicht mehr nur besonders vermögende Bankkunden Negativzinsen zahlen, auch Klein- und Durchschnittssparer sind immer häufiger betroffen“, berichtete Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH. Einige Kreditinstitute kassierten schon ab 5000 oder 10.000 Euro auf dem Tagesgeld-, Giro- oder Verrechnungskonto ein Verwahrentgelt. Mindestens 175 Kreditinstitute beschränkten den Freibetrag für das Gesamtguthaben auf 50.000 Euro oder weniger. Vor einem Jahr seien es erst 90 und zum Jahreswechsel 155 Geldhäuser gewesen.

Zuletzt hatten einige Banken ein Ende der Negativzinsen in Aussicht gestellt, sobald der Strafzins auf Bankeinlagen bei der Europäischen Zentralbank (EZB) wegfällt. So betonte beispielsweise die Deutsche Bank: „Wenn die EZB den Satz der Einlagenfazilität ändert, werden wir im Privatkundengeschäft das Entgelt kurzfristig entsprechend anpassen.“ Sollte der Strafzins wegfallen oder über null Prozent liegen, entfalle das Verwahrentgelt im Privatkundengeschäft.

„Bislang ist das allerdings noch Zukunftsmusik“, sagte Maier. „Angesichts der jüngsten Entwicklungen weist der Trend momentan eher in die entgegengesetzte Richtung.“

Seit Juni 2014 müssen Geschäftsbanken im Euroraum Zinsen zahlen, wenn sie Gelder bei der EZB parken. Aktuell liegt dieser Einlagenzins – im Fachjargon Einlagefazilität genannt – bei minus 0,5 Prozent. Seit einiger Zeit gewährt die Notenbank Freibeträge für bestimmte Summen, um die Institute zu entlasten. Die EZB treibt angesichts der hartnäckig hohen Inflation den Ausstieg aus ihrer ultralockeren Geldpolitik voran. Wann die Zinsen angehoben werden, lässt sie aber offen.

Die meisten Institute orientieren sich Verivox zufolge an dem Einlagenzins der EZB. Allerdings gehen 19 Geldhäuser noch darüber hinaus berechnen zumindest einem Teil ihrer Kunden Verwahrentgelte in Höhe von 0,55 bis 1 Prozent.

Negativzinsen rechtlich umstritten

Ob Kreditinstitute überhaupt Negativzinsen erheben dürfen, ist rechtlich umstritten. Die Verwahrentgelte treffen vor allem Neukunden. Will ein Geldhaus einen Negativzins von Bestandskunden verlangen, muss es diesen mit den Betroffenen individuell vereinbaren. Für Unmut sorgt, dass einige Kreditinstitute Kunden inzwischen kündigen, die dem Verwahrentgelt nicht zustimmen.

Verbraucherschützer halten Negativzinsen auf private Guthaben auf Giro- und Tagesgeldkonten generell für unzulässig. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat daher Klagen gegen verschiedene Kreditinstitute erhoben und sieht sich durch erste Urteile bestätigt.

So entschied das Landgericht Düsseldorf, dass Geldhäuser für Einlagen auf Girokonten kein gesondertes Entgelt berechnen dürfen. Das Landgericht Berlins erklärte Verwahrentgelte für Tagesgeld- und Girokonten für unzulässig. Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

Gibt es Zinsen für das Ersparte, liegen diese im Schnitt deutlich unter der Inflationsrate. Nach Berechnungen der zur Commerzbank gehörenden Comdirect verloren Sparer in Deutschland allein im vergangenen Jahr in Summe 80 Milliarden Euro wegen niedrig verzinster Einlagen.

Verivox wertet die im Internet veröffentlichten Preisaushänge von etwa 1300 Banken und Sparkassen in Deutschland aus. Da nicht alle Institute ihre Negativzinsen frei zugänglich auf ihrer Website veröffentlichen, dürften mehr als die ermittelten 449 Institute Verwahrentgelte erheben. Nach jüngsten Daten der Deutschen Bundesbank gab es 2020 in Deutschland 1679 eigenständige Kreditinstitute. (dpa/red)



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