Klimapädagogik im Supermarkt

Seit Januar gibt es „Klimapreise“ bei REWE. Vor allem auf veganen Produkten wird die CO₂-Bilanz ausgewiesen. Andere Supermarktketten haben ähnliche Initiativen gestartet.
Der Kölner Handelsriese Rewe will keine Waren aus Russland mehr anbieten.
Der Kölner Handelsriese hat jetzt „Klimapreise“.Foto: Uwe Zucchi/dpa
Von 8. März 2023

Tofuwürstchen statt saftigem Nackensteak, Sojaschnitzel statt zünftiger Bratwurst: Vegane Produkte sind international und auch hierzulande im Vormarsch – unbenommen. Deutschland ist weltweit die Nummer eins bei veganen Produktneueinführungen mit einem Anteil von 15 Prozent der Lebensmittel und Getränke.

Dabei liegt der Anteil der in Deutschland lebenden Veganer mit 1,58 Millionen nicht einmal mal bei zwei Prozent. Dem gegenüber stieg laut Statistischem Bundesamt alleine im Jahr 2021 der Markt für Fleischersatzprodukte um 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Diesen Trend toppt REWE jetzt noch mit einem Extradreh: Auf speziellen Preisschildern weist die Supermarktkette seit Januar die CO₂-Bilanz von einzelnen Produkten aus. Diese sogenannten „Klimapreise“ waren ursprünglich als eine Aktion des „Veganuary“ eingeführt und betrafen vor allem vegane Produkte.

Jetzt wird die Aktion in einigen REWE-Supermärkten weitergeführt. Neben dem Einkaufspreis wird auf den Produkten auch der Klimapreis angegeben, die CO-2-Bilanz, die Kunden Möglichkeiten geben soll, ihre Klimabilanz aufzubessern. Dies funktioniert vor allem durch den direkten Vergleich. Die CO-2-Bilanz wird auf alternativen „Preisschildern“ angezeigt, die nichts mit den eigentlichen Preisauszeichnungen zu tun haben.

Falafelbällchen besser als Frikadellen?

Beispielsweise verursacht die Herstellung von Falafelbällchen (1,50 CO₂e/kg) 83 Prozent weniger CO₂-Äquivalente als die Herstellung von Mini-Bouletten vom Schwein (8,87 CO₂e/kg). Wenn man anstatt der gleichen Schweinefleischfrikadellenbällchen vegane Gemüse-Hafer-Bällchen mit nur 1,45 CO₂e pro Kilogramm kauft, kann man 84 Prozent an CO₂ einsparen. Noch ein weiteres Beispiel: Mit dem Liter Haferdrink von REWE spart man laut Label 65 Prozent im Vergleich zum Liter Bio-Vollmilch ein.

Inflation auf dem Teller

„Vegane Bio-Alternativen sind emissionsärmer und damit umweltfreundlicher“, heißt es bei REWE. Mit den Klimapreisschildern sollen Kunden beim Einkauf ein besseres Gefühl für die „Umweltkosten“ von einzelnen Lebensmitteln bekommen: „Mit circa 15 Prozent macht die Ernährung neben Wohnen, Mobilität, Strom, öffentlichen Emissionen und Flugreisen einen bedeutsamen Teil des persönlichen CO₂-Fußabdrucks aus.“

Waren 2021 noch Fleischersatzprodukte – nach einer Untersuchung der Umweltorganisation WWF – mehr als doppelt so teuer wie Fleisch, titelte der „Stern“ Mitte 2022 nicht mal zwei Jahre später: „Inflation auf dem Teller: Das vegane Schnitzel als Krisengewinner“. Im Artikel wurde Bezug genommen auf eine Oxford-Studie, die Tausende Produkte in britischen Supermärkten untersucht hat und schon jetzt eine rasante Verkleinerung des Preisunterschieds zwischen pflanzlichen und tierischen Produkten attestierte.

Was hierbei allerdings nicht erwähnt wird: Die Erzeuger solcher Produkte – insbesondere wenn diese auch noch aus dem Bio-Sektor kommen – haben im Vergleich zu konventionellen Erzeugnissen noch aus ganz anderen Gründen zu leiden: Die Umstellung von konventioneller auf biologische Landwirtschaft oder Tierhaltung hatte aktuell empfindliche Einbußen zur Folge, die nur noch teilweise vom höheren Erlös der Produkte eingefangen werden können. Ein Bio-Bauer erklärte es im Frühjahr 2022 wie folgt:

„Wenn vor dem Krieg der Doppelzentner konventioneller Weizen beispielsweise 20 Euro kostete, dann lag der Bio-Weizen bei 40 Euro. Jetzt kostet der konventionelle Weizen schon 40 Euro, aber der Bio-Weizen liegt lange nicht bei 80 Euro. Ja, es gibt zwar immer noch eine Preisdifferenz, diese ist aber so klein wie noch nie zuvor.“

Lidl setzt auf Veggie, Aldi zeigt Haltung

REWE hat mittlerweile an die 1.400 vegane Eigenmarken-Produkte im Angebot, aber auch andere Anbieter machen bei diesem Trend mit.

Lidl setzt auf Veggie statt Fleisch und will bis 2025 sein Sortiment großflächig umstellen. Der Discounter möchte „als Alternative zu tierischen Proteinquellen den Anteil pflanzenbasierter Proteinquellen“ in seinem Sortiment deutlich erhöhen, wie er dem BR mitteilte. Auch hier wird als ein Argument die Klimathematik aufgeführt: Man sei sich „der Tatsache bewusst, dass die Ernährung wesentliche Auswirkungen auf das Klima, die Biodiversität sowie auf die Gesundheit hat“. Damit betritt auch Lidl das Feld der Klimapädagogik.

Nicht mehr die Bedürfnisse der Verbraucher bestimmen, was angeboten und gegessen wird. Christoph Graf, der Chefeinkäufer von Lidl für den deutschen Markt, kündigte Ende Januar auf der Grünen Woche in Berlin eine Reduktion tierischer Proteine im Einkaufsortiment aus Klimaschutzgründen an. Seine Erklärung: „Ein Wandel ist alternativlos.“ (Epoch Times berichtete).

55 Kilogramm Fleisch pro Kopf

Aldi ist auch auf der trendigen Überholspur – allerdings nicht oder noch nicht fleischlos. Womöglich will Aldi hier die verbleibende Fleischnische besetzen: Unter dem Motto „#Haltungswechsel“ will der Discounter die Fleisch- und Wurstwaren in Bezug auf ihre Haltungsformen bis 2030 umstellen.

Auf seiner Website schreibt Aldi, man plane eine „konsequente Umstellung auf gekühlte Fleisch- und Wurstwaren aus den Haltungsformen 3 und 4“ genauso, wie spätestens 2030 die Trinkmilch zu 100 Prozent auf diese tiergerechteren Haltungsformen umgestellt werden soll. Zudem sollen nur noch Schaleneier ohne Kükentöten angeboten werden.

Der Verzehr von Fleisch lag im Jahr 2021 laut Angaben der deutschen Onlineplattform für Statistik, statista.de, bei durchschnittlich 55,1 Kilogramm pro Kopf. Im Vergleich zu vor fünf Jahren, also 2016, ist der Pro-Kopf-Verzehr um sechs Kilo gesunken – das sind circa zehn Prozent.

Dieser Trend spiegelt die Regierungslinie wider: Die Ampel hatte im Koalitionsvertrag vereinbart, pflanzliche Alternativen zu stärken und der pflanzenbasierten Wirtschaft in Deutschland und Europa zukünftig Unterstützung zugesichert. Im Vertrag steht auch, dass sie sich für „die Zulassung von Innovationen wie alternativen Proteinquellen und Fleischersatzprodukten in der EU“ einsetzen wollten.

Neue EU-Verordnungen: Pulverisierte Heuschrecken zum Frühstück

Gerade erst gab es eine breite Diskussion um die Zulassungen von zwei weiteren Insekten als neuartige Lebensmittel durch die Europäische Kommission.

So dürfen ab sofort Hausgrillen und Larven des Getreideschimmelkäfers Lebensmitteln in der EU beigemischt werden. Damit sind in der EU nun vier Insekten als Lebensmittel zugelassen. Bereits seit 2021 sind Mehlkäfer und Wanderheuschrecke als neuartige Lebensmittel gestattet.

Die Insektenprodukte gelten als alternative Proteinquelle zu Fleisch oder Fisch. Sie dürfen unter anderem Brot, Nudeln, Chips oder Fleischzubereitungen zugesetzt werden. Allerdings müssen sie laut EU-Verordnung in der Zutatenliste aufgeführt werden, und zwar mit dem deutschen und dem lateinischen Namen der Insektenart. Außerdem muss für den Verbraucher erkennbar sein, in welcher Form die Krabbeltiere, die auch als Allergieauslöser gelten, verarbeitet wurden. Derzeit prüft die EFSA acht weitere Anträge auf Marktzulassung in der EU.

Food fürs Volk vom Krabbeltisch

Das Fachmagazin „agrarheute“ schreibt zu den Vorteilen von Insekten als Nahrungsmittel:

„Mit Blick auf die wachsende Weltbevölkerung und den steigenden Bedarf an tierischem Protein sieht die FAO (die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, Anm. d. Red.) den Verzehr von Insekten als wichtigen Beitrag zur Ernährung im 21. Jahrhundert an.“

Die gute Nachricht für Veganer und Vegetarier: Wenn Lebensmittel Insektenmehl enthalten, dürfen sie nicht als vegan oder vegetarisch gekennzeichnet werden – auch wenn es sich bei den Produkten offiziell um Fleischersatzprodukte handelt.



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