Gehetzte Hauskäufer – Sorge um steigende Zinsen

In diesem Frühjahr haben es viele Menschen eilig mit dem Eigenheimkauf. Getrieben werden sie offensichtlich von der Sorge, es könnte noch teurer werden.
Im Baugewerbe herrscht Materialmangel.
Im Baugewerbe herrscht Materialmangel.Foto: CLARK/Unsplash/obs
Epoch Times8. Mai 2022

Inflation und steigende Zinsen befeuern die Suche nach Häusern und Wohnungen in Deutschland. Sowohl die Landesbausparkassen als auch der Finanzierungsvermittler Interhyp berichten über eine stark gestiegene Nachfrage seit Jahresanfang – offensichtlich getrieben von der Sorge, Immobilien und Zinskosten könnten noch teurer werden.

Für finanziell weniger gut gerüstete Interessenten würden Eigenheim oder -wohnung wegen der doppelten Last gleichzeitig steigender Zinsen und Baukosten noch schwerer erschwinglich, heißt es in der Finanzbranche und auch am Münchner Ifo-Institut.

So hat die Landesbausparkasse Bayern in den ersten vier Monaten dieses Jahres rund 890 Millionen Euro an Darlehen zugesagt. „Das sind über 70 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres“, berichtet ein Sprecher in München. Ähnlich ist die Entwicklung beim Schwesterinstitut in Nordrhein-Westfalen: Die LBS West – die neben NRW auch Bremen betreut – meldet einen Anstieg von 50 Prozent. Darunter sind bei beiden Instituten neben Neukäufern auch viele Kunden, die Anschlussfinanzierungen abschließen oder ihr Eigenheim modernisieren wollen.

„Die Zahl der Anfragen und Abschlüsse ist in 2022 bisher deutlich höher als in den letzten Monaten des vergangenen Jahres“, sagt auch Mirjam Mohr, Vorständin beim Finanzierungsvermittler Interhyp. Das Münchner Unternehmen führt das vor allem auf den starken Zinsanstieg zurück. „Viele unserer Kundinnen und Kunden sind besorgt: Sie sehen das steigende Zinsniveau und empfinden einen Druck, sich noch schnell günstige Zinsen zu sichern“, sagt Mohr.

Andere Situation bei Postbank Immobilien

Bei Postbank Immobilien stellt sich die Lage etwas anders dar: Die Kunden agierten bei Kauf und Neubau „aufgrund der starken Zinsanstiege etwas zurückhaltender“, sagt eine Sprecherin. Doch meldet auch die Postbank großes Interesse an Anschlussfinanzierungen, zum Teil weit im Voraus.

Die über Jahre extrem niedrigen Zinsen machten stetig steigende Immobilienpreise für viele Käuferinnen und Käufer erträglicher. Diese Zeiten scheinen vorbei. „Es zeichnet sich eine Zinswende ab“, sagt der Ökonom Ludwig Dorffmeister, Fachmann für Bau und Immobilienmarkt am Münchner Ifo-Institut. „Die Interessenten, die sich in den vergangenen Jahren einen Immobilienerwerb nur wegen der extrem niedrigen Zinsen leisten konnten, fallen jetzt aus dem Markt.“

Seit Jahresbeginn sind die Zinsen für zehnjährige Darlehen nach Interhyp-Zahlen von 1 auf 2,6 Prozent Anfang dieses Monats gestiegen – „sie haben sich also mehr als verdoppelt“, sagt Vorständin Mohr. Im ersten Quartal 2021 waren es noch 0,8 Prozent. „Wir erwarten weitere Zinssteigerungen und halten im Jahresverlauf 3 Prozent für zehnjährige Darlehen für realistisch.“ Die hohen Immobilienpreise verbunden mit dem Zinsanstieg seien „zunehmend ein Problem für die Leistbarkeit“.

Langzeitvergleich

Im historischen Langzeitvergleich sind die Kreditzinsen nach wie vor niedrig. Dennoch bedeutet der derzeitige Anstieg erhebliche Mehrkosten. „Jedes Zehntel tut richtig weh“, kommentiert Stephan Kippes, der Marktforscher des Immobilienverbands IVD Süd in München.

Der Zinsanstieg bei zehnjährigen Darlehen von 1 auf 2,6 Prozent bedeute bei einem Immobilienkredit über 300 000 Euro und einer anfänglichen Tilgung von drei Prozent den Anstieg der monatlichen Rate von 1000 auf 1400 Euro, rechnet Interhyp-Vorständin Mohr vor – in zehn Jahren wären das 48 000 Euro. Bei 500 000 Euro Kreditsumme würden sich die Zinsmehrkosten in einem Jahrzehnt auf rund 80 000 Euro summieren.

Und es sind nicht allein die Zinsen, die steigen. Der Materialmangel im Baugewerbe habe sich seit den Corona-Turbulenzen verschärft, sagt Ifo-Experte Dorffmeister. „Mit einem Anstieg der Hochbaupreise um fast 10 Prozent war der Kostendruck vergangenes Jahr bereits immens. Seit März dieses Jahres dürfte sich das Preiswachstum sogar noch einmal beschleunigt haben.“

Keine Entspannung erwartet

Entspannung scheint vorerst nicht in Sicht. „Mit einer wesentlichen Beruhigung ist bis zum Sommer/Herbst nicht zu rechnen, auch weil sich die Hafensperrungen in China hierzulande erst mit einiger Verzögerung bemerkbar machen werden“, sagt der Wissenschaftler.

Könnte die doppelte Last steigender Zinsen und steigender Baukosten eine Immobilienkrise nach sich ziehen? Prognosen seien derzeit extrem schwierig, sagen die Fachleute. Ifo-Experte Dorffmeister könnte sich einen „gewissen Dämpfer beim Mehrfamilienhausbau“ vorstellen. „Ich teile aber nicht die Sorge, dass es zu einem Immobiliencrash kommen könnte. Vielerorts gibt es eine substanzielle Wohnraumnachfrage und die Kreditfinanzierung war bis zuletzt weitestgehend solide.“

Dorffmeister geht davon aus, dass Immobilienbesitz mittel- und langfristig „ausreichenden Inflationsschutz“ bieten wird, „wenn die Löhne entsprechend angepasst werden“, wie der Ökonom sagt. „Ich glaube also nicht, dass massiv Geld abgezogen wird, eine vorübergehende Dämpfung des Preisanstiegs ist aber denkbar.“

IVD-Süd Marktforscher Kippes analysiert: „Wir haben mehrere gegenläufige Sondereffekte.“ Baukosten, Materialmangel und Zinsentwicklung könnten ebenso dämpfend wirken wie die noch nicht überstandene Corona-Pandemie. Auf der anderen Seite befördern nach alter Lehrmeinung Inflation, Krisen und Kriege die Neigung zum Immobilienkauf. „Sachwerte gelten als sicher“, sagt Kippes. (dpa/red)



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