USA: „Markt nicht mehr, was er war“ – Entlassungswelle in der IT-Branche

In den USA hat in der IT-Branche seit Corona eine Entlassungswelle eingesetzt, die bis heute ungebrochen ist. Vielfach machen sich Ängste vor einer möglichen neuen Dotcom-Blase breit. Dagegen spricht, dass in der breiten Wirtschaft der Fachkräftebedarf weiterhin hoch ist.
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Die großen IT-Konzerne in den USA – wie Alphabet, zu dem Google gehört – haben zuletzt zahlreiche Mitarbeiter entlassen. Symbolbild.Foto: iStock
Von 20. März 2024

Die Entwicklung ist dynamisch, die Innovationen sind bahnbrechend, die Aktienkurse steigen. Dennoch erlebt die IT-Branche seit dem Ende der Corona-Pandemie Massenentlassungen und insbesondere die Riesen in dem Bereich streichen Stellen. Nicht nur unter den Betroffenen selbst, auch unter Beobachtern macht sich Sorge um eine mögliche Dotcom-Blase 2.0 breit.

Branchenriesen der IT streichen Stellen in großem Stil

Unter Berufung auf Daten des Portals Layoffs.fyi berichtet „heise.de“, dass zumindest die Zahl der freigesetzten Beschäftigten Erinnerungen an damalige Verhältnisse wecke. Allein in den bisherigen zweieinhalb Monaten des Jahres 2024 haben – mit Stand vom Wochenende – 209 Techfirmen in den USA 50.312 Mitarbeiter entlassen. Im gesamten Jahr 2023 beendeten etwa 1.200 Unternehmen insgesamt 260.000 Arbeitsverträge.

Unter den Konzernen, die sich am Stellenabbau beteiligten, finden sich klangvolle Namen. Sie reichen von Alphabet (Google) über Microsoft, Amazon und Meta bis hin zu eBay, PayPal, SAP oder Cisco. Damit sei das Jahr 2023 jenes mit den höchsten Entlassungszahlen im Techsektor gewesen – seit 2001, unmittelbar nach Zusammenbruch des neuen Marktes. Im vergangenen Monat sei es zudem die höchste Entlassungszahl gewesen seit 2009, als die Weltfinanzkrise ihren Tribut zollte.

Die Stellensuche für Betroffene sei auch schwieriger geworden, erklärte Layoffs.fyi-Gründer Roger Lee. Der Markt sei „nicht mehr das, was er einmal war“. Sogar Softwareentwickler und Datenwissenschaftler müssten ihre Aufgabenfelder und oft auch die Branche wechseln – oder schlechtere Konditionen akzeptieren. In der Branche würden Stellenbeschreibungen anspruchsvoller, ohne dass sich die Gehälter nach oben entwickelten.

KI-Ingenieure können gegen den Trend auf höhere Gehälter hoffen

Immerhin entwickle sich der allgemeine Arbeitsmarkt weiterhin positiv. Allerdings werde auch dort der Einstellungsprozess für Softwareingenieure anspruchsvoller. Arbeitgeber seien insbesondere gegenüber Visa-Inhabern anspruchsvoller. Das macht die Lage unter anderem für zahlreiche indische Fachkräfte schwieriger.

Gleichzeitig biete Künstliche Intelligenz (KI), bis dato vor allem als potenzieller Jobkiller gefürchtet, auch Chancen. ChatGPT mag Kommunikation ebenso wie Programmierungen schneller und straffer vonstattengehen lassen. Seine Präzision wächst jedoch nicht in den Himmel und es ist in allen Anwendungsbereichen ratsam, menschliche Experten über die Ergebnisse schauen zu lassen.

Dies führt dazu, dass sich die Gehälter für KI-Ingenieure entgegen dem Trend nach oben bewegen. Dass es inmitten des schrumpfenden Marktes neue Wachstumsnischen gibt, ist ein Faktor, der die derzeitige Lage deutlich von der Zeit der Dotcom-Blase abgrenzt. Zwar steigen auch nach wie vor die Aktienkurse in der Branche und die Investitionen sind hoch. Es deutet jedoch wenig darauf hin, dass eine spürbare Überbewertung der Unternehmen stattfände.

„Schweinezyklus“ statt Spekulationsblase?

Anders als in der Zeit der Dotcom-Blase ist die Technologielandschaft heute deutlich komplexer als in den 1990er-Jahren – und die Bandbreite der Innovationen ist deutlich größer. Von KI über Blockchain hin zur Quantencomputertechnik gibt es noch erhebliche Wachstumspotenziale. Verbunden mit der Entwicklung der Datenökonomie spricht wenig für eine dauerhafte Marktsättigung oder für übermäßige Spekulationen.

Viele Unternehmen richten jedoch ihre Strategien neu aus. Während einige darauf setzen, ihre Kerngeschäfte zu optimieren, gehen andere in die Breite und diversifizieren sich. Die damit verbundenen Schwerpunktverschiebungen können sich in Form von Entlassungen bemerkbar machen.

Was sich an der Spitze des Techsektors zeigt, könnte insofern eher ein Ausdruck dessen sein, was in der Wirtschaftswissenschaft als „Schweinezyklus“ bezeichnet wird. Das Phänomen, das der Begriff beschreibt, der von der Entwicklung der Schweinepreise auf den Lebendmärkten herleitet, taucht auch auf Arbeitsmärkten auf.

Er beschreibt eine periodische Schwankung der Angebotsmenge und des Marktpreises infolge eines deutlichen Nachfrageanstiegs. In Deutschland waren Entwicklungen dieser Art in vergangenen Jahrzehnten etwa im Schulwesen bemerkbar. Der Lehrermangel veranlasste mehr junge Menschen, in der Hoffnung auf gute Arbeitsmarktchancen, Lehramt zu studieren.

Am Ende ihrer Ausbildung war das Angebot an Arbeitskräften dann jedoch so hoch, dass es die Nachfrage überstieg. In weiterer Folge wurde das Lehramtsstudium unattraktiver, was perspektivisch wieder zu Lehrermangel führte und den Zyklus von Neuem in Gang setzte. Ähnliches könnte sich nun auch in einigen Segmenten des IT-Bereiches zeigen.

In Deutschland bleibt IT-Spezialist ein Mangelberuf

Während die führenden Branchenriesen umstrukturieren und sich neu aufstellen, bleiben IT-Spezialisten und Fachkräfte dieses Bereichs in der Wirtschaft insgesamt gefragt. In Deutschland, wo es von vornherein nur wenige Techriesen gibt, zeigt sich dies noch deutlicher.

Im Jahr 2023 blieben hierzulande knapp 150.000 Stellen für Informatiker unbesetzt. Die Nachfrage nach IT-Fachkräften wird insbesondere durch die Digitalisierung beschleunigt, bei der – wie die Corona-Zeit zeigte – ein wesentlicher Nachholbedarf besteht.

In den MINT-Berufen insgesamt – zu der auch die Informatik gehört – standen im September 2023 knapp 476.400 offenen Jobs lediglich 195.920 arbeitslos gemeldete Personen mit entsprechenden Qualifikationen gegenüber. Dies hat zur Folge, dass in Deutschland der Markt noch weit von der Ausschöpfung entfernt sein könnte. Vor allem Bereiche wie KI, Machine Learning, Data Mining und Cloud Computing stecken in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Altkanzlerin Angela erklärte immerhin 2013, das Internet sei hier noch „Neuland“.



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