Wien Energie in schweren Turbulenzen – FPÖ zeigt Bürgermeister Ludwig an
Wie eine innenpolitische Bombe schlug Anfang der Woche in Österreich die Nachricht ein, dass der 2001 als Teil der Stadtwerke gegründete kommunale Versorger „Wien Energie“ in eine potenziell existenzbedrohende Schieflage geraten ist. Am Montag, 29. August, wurde bekannt, dass der Versorgungsbetrieb zur Besicherung von Stromverkäufen an den Terminbörsen für Energie gezwungen sein könnte, kurzfristig eine Garantiesumme von mehreren Milliarden Euro aufzubringen.
Da weder der Versorger selbst noch die Stadt Wien als Eigentümerin des kommunalen Betriebs in der Lage gewesen wären, den erforderlichen Betrag kurzfristig aufzubringen, hat Wiens Landesregierung unter Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zwei Tage später grünes Licht für einen Vertrag mit der bundeseigenen Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA) gegeben, die dem Land Wien einen Kreditrahmen von zunächst zwei Milliarden Euro einräumte. Dies sollte der Stadt Stützungsmaßnahmen für das Unternehmen ermöglichen. Das Bundesministerium für Finanzen geht von einem Bedarf von insgesamt bis zu acht Milliarden Euro an Finanzhilfen aus.
Finanzrahmen bis dato noch nicht ausgeschöpft
Wie der „Standard“ berichtet, machte Bürgermeister Ludwig von seiner Notkompetenz Gebrauch, um den Vertrag mit der OeBFA zu ermöglichen. In der Landesregierung wurde einer Mitteilung der Magistratsdirektion vom Donnerstag zufolge ein Umlaufbeschluss gefasst, der es der Gemeinde Wien ermöglicht, die Finanzmittel für den Ernstfall abzurufen. Die Regierungsfraktionen von SPÖ und NEOS stimmten diesem zu – Gegenstimmen gab es von der FPÖ.
Der Vertrag ermögliche im Bedarfsfall eine Überweisung der Bundesmittel zur Liquiditätssicherung an Wien Energie. Der vom Bund eingeräumte Finanzrahmen sei bislang aber nicht in Anspruch genommen worden, hieß es. Die doppelte Funktion der Bundeshauptstadt als Bundesland und politische Gemeinde macht in Fällen wie diesem komplexere Entscheidungsabläufe erforderlich.
Wie Medien am Freitag berichteten, wird es schon demnächst zur Bildung einer Untersuchungskommission kommen, die sich mit den Gründen für die Notlage des kommunalen Versorgers befassen soll. Die Opposition aus ÖVP, FPÖ und Grünen habe sich oe24.at nach darauf geeinigt, gemeinsam einen solchen Ausschuss einzusetzen. Die FPÖ hat zudem eine Anzeige gegen Ludwig wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs eingebracht.
ÖVP wittert Misswirtschaft als eigentliche Ursache
Der von der Opposition gewitterte Skandal im Zusammenhang mit der Notsituation der Wien Energie besteht im Kern aus zwei Komponenten. Vor allem in der FPÖ sieht man nicht die Preisexplosion infolge der Gaskrise, sondern mögliche Spekulationsgeschäfte an den Börsen vonseiten des Energieversorgers als den eigentlichen Grund für die prekäre Finanzlage.
Dazu kommt, dass Bürgermeister Ludwig am 15. Juli und 29. August des Jahres im Alleingang und ohne das Gemeindeparlament darüber zu informieren Darlehen in Höhe von jeweils 700 Millionen Euro unter Berufung auf seine Notkompetenz aufgenommen habe. Damit sollte ein Schutzschirm über die Wien Energie gespannt und der Preisentwicklung gegengesteuert werden. Erst am 12. September will Ludwig die Gewährung der Sicherheiten dem Gemeinderat nachträglich zur Genehmigung vorlegen.
Dass nicht Naturgewalten, sondern auch hausgemachte Misswirtschaft für die dramatische Entwicklung bei der Wien Energie verantwortlich sein könnte, will auch ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner nicht ausschließen. Sie verweist auf Aussagen von Experten, die bestätigt hätten, dass die Finanzierungslücke in Milliardenhöhe „nicht innerhalb einer Nacht aufgrund erhöhter Strompreise“ habe entstehen können.
Die NEOS als Koalitionspartner hätten der Entwicklung tatenlos zugesehen. „Wenn mir mitgeteilt wird, dass einem verstaatlichten Unternehmen 1,4 Milliarden Euro per Notverordnung zugeschossen werden müssen, frage ich schon nach, wofür“, zitiert das „Neue Volksblatt“ die ÖVP-Politikerin.
Geschäftsführer von Wien Energie: „Es wurde nicht spekuliert“
Der Geschäftsführer von Wien Energie, Michael Strebl, weist Spekulationsvorwürfe hingegen von sich. „Wir sind an der Börse tätig, um die Versorgung unserer Kundinnen und Kunden sicherzustellen“, erklärte er vor Journalisten. Es habe keine spekulativen Geschäfte gegeben und auch das Risikomanagement habe die Situation stetig evaluiert und Stresstests durchgeführt.
Allerdings sei das kommunale Unternehmen von einer „Tsunamiwelle voll erwischt worden“. Lediglich eine Verdoppelung des Strompreises, die über Nacht eingetreten sei, habe den „Horrorwert“ von 1,75 Milliarden Euro an kurzfristigem Liquiditätsbedarf herbeigeführt.
Spekulationsgeschäfte seien der Wien Energie verboten, erklärte Strebl. Dass der Staat und nicht eine Bank bei der Sicherstellung der Garantiesumme eingesprungen sei, sei durch die „unglaubliche Kurzfristigkeit“ der Ereignisse bedingt gewesen.
Auch Bürgermeister Ludwig selbst bestreitet, dass es einen Skandal gibt. „Die Versorgungssicherheit war und ist immer gewährleistet“, erklärte er gegenüber Ö1. „Wir wollten mit dem Wiener Schutzschirm sicherstellen, dass die Wien Energie den Handel an der Börse entsprechend unterfüttern soll.“
Die Mittel, die nun zur Verfügung stünden, würden nicht benötigt, es sei aber erforderlich gewesen, die Sicherheiten aufzubringen und einen Rahmen zu setzen. Bis jetzt habe man „keinen Euro Steuergeld benötigt“.
Kickl: „Milliarden an Steuergeldern verzockt“
Die FPÖ wirft Ludwig hingegen vor, die Stadtverfassung gebrochen zu haben. Zum einen, so erklärte Landesparteichef Dominik Nepp in einer Pressekonferenz, habe zunächst der Stadtsenat mittels Notkompetenz entscheiden müssen. Ein solcher Beschluss hätte auch im Sommer kurzfristig getroffen werden können. Zudem hätte Ludwig die Gremien unmittelbar nach der Freigabe der ersten Tranche von 700 Millionen Euro informieren müssen, so Nepp. Dies erst in der nächsten Ausschusssitzung zu tun, sei zu spät.
Auch Bundesparteichef Herbert Kickl wirft der SPÖ-geführten Stadtregierung vor, Milliarden Euro an Steuergeldern „verzockt“ und ungeachtet der absehbaren Folgen der „selbstzerstörerischen Russland-Sanktionsspirale in Brüssel” in einer „risikoreichen“ Weise spekuliert zu haben.
Kritik am Vorgehen Ludwigs kam jedoch auch von András Szigetvari im linksliberalen „Standard“. Es schaffe „für die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen enorme Risiken“, einem Bürgermeister überhaupt die Möglichkeit einzuräumen, kurzfristig und ohne Abstimmung mit den gewählten Gremien über solche Summen zu verfügen. Garantien seien es auch gewesen, die am Ende zur Pleite der Hypo Alpe Adria geführt hätten. Und der damalige Landeshauptmann Jörg Haider, der die Garantien ermöglicht habe, habe ebenfalls zuvor und nicht erst nachträglich die Genehmigung durch den Landtag einholen müssen.
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