Unverpackt-Läden in der Krise – Konzept ohne Zukunft?
Schon auf den ersten Blick sieht man: Hier geht etwas zu Ende. Ein leerer Lebensmittelspender reiht sich an den anderen. Bis auf getrocknete Bananenchips, Quinoa, einige Kräuter und Gewürze gibt es bei „ZeroHero“ fast nichts mehr zu kaufen. Sobald alles weg ist, wird Arthur Koenig seinen Unverpackt-Laden in Nürnberg aufgeben. „Aus eigener Kraft schaffen wir das nicht mehr. Das ist finanziell nicht möglich“, sagt er.
Dabei lief es eine Zeit lang so gut, dass „ZeroHero“ 2019 eine zweite Filiale im nahe gelegenen Erlangen eröffnen konnte. Vielerorts in Deutschland machten damals Unverpackt-Läden auf. Doch wie Koenigs Laden stecken nun viele in der Krise. So musste Deutschlands erster Unverpackt-Laden in Kiel Ende vergangenen Jahres schließen. Auch „ZeroHero“ in Erlangen ist bereits dicht. Der Passauer Laden „Tante Emmer“ kämpft ums Überleben. Ist das Unverpackt-Konzept am Ende?
Ein Blick auf die Zahlen
Rund 270 geöffnete Geschäfte sind zurzeit beim Verband der Unverpackt-Läden in Deutschland registriert. Anfang 2022 waren es noch fast 340. Die Unverpackt-Branche stehe angesichts steigender Lebensmittelpreise und Kaufzurückhaltung genauso wie viele andere Fachgeschäfte vor Herausforderungen, heißt es vom Verband.
Bei „ZeroHero“ begannen die Probleme mit Corona. „Davon haben wir uns eigentlich nie erholt“, sagt Koenig. In der Zeit hätten sich die Menschen daran gewöhnt, schnell einkaufen zu gehen – oder online. „Der Einkauf im Unverpackt-Laden dauert natürlich länger.“ Man müsse vorher überlegen, was man brauche, entsprechende Gefäße mitbringen, die Lebensmittel abfüllen und wiegen.
„Einkaufen ist etwas, das schnell gehen muss“
Aus Sicht der Nachhaltigkeitsexpertin Petra Süptitz vom Nürnberger Konsumforschungsunternehmen GfK ist das ein Grund für die Schwierigkeiten der Unverpackt-Läden. „Wir sind alle gestresst und haben viel zu tun. Einkaufen ist etwas, das schnell gehen muss.“ Zudem kauften viele Menschen zurzeit sehr preisbewusst ein, sagt Süptitz. Nachhaltige Produkte seien ihnen zwar nach wie vor wichtig. „Sie kaufen diese aber nicht mehr im Fachhandel, sondern im Discounter oder als Handelsmarken.“
Marie Delaperrière, die ihren Unverpackt-Laden in Kiel wegen des schleichenden Rückgangs bei der Kundschaft seit Corona Ende 2022 schließen musste, sieht auch psychologische Gründe: „Die Leute haben die Assoziation, das ist ein schöner kleiner Laden, der muss teuer sein.“
Delaperrière hält diese Einschätzung nicht für gerechtfertigt. „Meine Preise waren dieselben wie im Bio-Markt oder auf dem Wochenmarkt.“ Sie selbst erlebt aber eine Verschiebung der Prioritäten, wofür die Leute angesichts der Inflation ihr Geld ausgeben: „In den Restaurants ist am Wochenende immer alles ausgebucht.“ Ähnlich sieht es auch Koenig. „Die Deutschen sparen bei den Lebensmitteln als Erstes.“ Freizeitaktivitäten, Reisen oder das Auto seien ihnen wichtiger.
„Der Hype ist nicht mehr da“
Bisher konnte Carola Böhm ihren Unverpackt-Laden „Tante Emmer“ in Passau noch über Wasser halten – auch dank einer Spendenaktion im vergangenen Jahr. „Damit konnten wir uns über die Monate retten“, sagt die Inhaberin. „Doch jetzt ist es wieder schwierig.“ Als vor Corona überall Unverpackt-Läden eröffneten, sei das Interesse an dem neuen Konzept groß gewesen. Doch das habe stark nachgelassen, hat sie festgestellt. „Der Hype ist nicht mehr da. Es kommt keine neue Laufkundschaft.“
Dazu komme die Konkurrenz großer Supermärkte, die zum Teil auch Unverpackt-Stationen eingerichtet haben, sagt sie. Diese könnten aber zu ganz anderen Preisen einkaufen als ein kleiner Laden und seien von der Lage her meist besser mit dem Auto erreichbar. Außerdem habe sich auch bei den Verpackungen viel getan, sagt Böhm. Viele seien nachhaltig oder würden zumindest damit werben – und das reiche manchen Menschen auch schon, wenn sie umweltbewusster konsumieren wollten.
Sie selbst will nun das Konzept ihres Ladens umstellen – wie genau überlegt sie gerade. „Das reine Unverpackt-Konzept ist bei uns hier am Standort nicht mehr durchführbar“, sagt sie.
Ist die Unverpackt-Idee also gescheitert? Nein, meint die GfK-Expertin Süptitz. „Die Unverpackt-Läden treffen vom Grundkonzept den Nerv der Zeit. Es ist eher eine Frage, wie man es richtig macht und seine Kundschaft begeistert.“ Auch beim Verband der Unverpackt-Läden blickt man trotz allem optimistisch in die Zukunft: 115 neue Läden sind demnach gerade in Planung. (dpa/red)
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