Umweltorganisationen kündigen Klimaklagen gegen deutsche Autobauer an
Diese Konzerne – stellvertretend für viele – müssten ihren klimagerechten Umbau „deutlich“ beschleunigen, forderten die Organisationen am Freitag. Sie berufen sich auf das Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts: Daran seien auch große Unternehmen gebunden.
Das Verfassungsgericht in Karlsruhe hatte im April geurteilt, dass künftige Generationen ein Grundrecht auf Klimaschutz haben. Die Umweltschützer machen nun gegenüber den Unternehmen zivilrechtliche Ansprüche auf Schutz ihrer persönlichen Freiheits- und Eigentumsrechte geltend, wie Anwältin Roda Verheyen erläuterte.
Greenpeace und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) knüpfen demnach auch an das Urteil eines niederländischen Gerichts vom Mai gegen den Ölkonzern Shell an, wonach Großunternehmen eine eigene Klimaverantwortung haben.
Forderung und Drohung
Konkret verschickten die Organisationen sogenannte „Anspruchsschreiben“ an die Konzerne. Darin setzen sie den Autobauern eine Frist bis Ende Oktober und Wintershall Dea bis zum 20. September. Bis dahin sollen die Unternehmen verbindlich erklären, wie sie ihre Treibhausgasemissionen senken wollen.
Tun sie das nicht, würden die schon vorbereiteten Klagen eingereicht. Kläger sind jeweils die Geschäftsführer der Organisationen sowie Clara Mayer von Fridays for Future (FFF).
Anwältin Verheyen sagte: „Wir verlangen von den Autokonzernen einen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor bis 2030 und von Wintershall Dea den Ausstieg aus der Erschließung von neuen Öl-und Gasfeldern spätestens bis 2026.“
DUH und Greenpeace ließen von Fachleuten ausrechnen, wie hoch das jeweils verbleibende CO2-Budget der Unternehmen ist, das mit fünfzigprozentiger Wahrscheinlichkeit dazu führen kann, dass das 1,5-Grad-Ziel bei der Begrenzung der Erderwärmung erreicht wird. Mehr dürften die Unternehmen nicht verbrauchen, entsprechend müssten sie die geforderten Maßnahmen umsetzen.
„Klimaschutz ist Grundrechtsschutz. Mit diesem Satz sind wir zum Bundesverfassungsgericht gezogen und bestätigt worden“, erklärte DUH-Anwalt Remo Klinger. Mit diesem Gedanken würden nun solche Unternehmen in die Verantwortung genommen, die für mehr CO2-Emissionen verantwortlich seien als ganze Länder.
Scharfe Vorwürfe gegen die Automobilkonzerne
Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser ergänzte: „Wir begreifen den Richterspruch aus Karlsruhe als Auftrag, den Schutz unserer gemeinsamen Lebensgrundlagen auf allen Ebenen des Rechts schnell und wirksam durchzusetzen.“ Greenpeace und FFF-Aktivistin Mayer wollen gegen VW klagen, die DUH gegen BMW, Mercedes und Wintershall Dea.
DUH-Geschäftsführer Resch kritisierte, gerade BMW und Mercedes-Benz hätten „über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg alle gegebenen Zusagen zum Klimaschutz gebrochen und stattdessen auf schmutzige Diesel und durstige Benzinantriebe gesetzt“.
Der Öl- und Gasgigant Wintershall Dea ist laut DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner eines der größten fossilen Unternehmen Deutschlands und Europas. Der Konzern wolle die fossile Produktion in den nächsten zwei Jahren noch um knapp 30 Prozent steigern und sogar neue Gasfelder erschließen. „Das muss gestoppt werden.“
Die Mercedes-Mutter Daimler erklärte, der Konzern habe den „Spurwechsel zur Klimaneutralität bereits eingeleitet“. Bei einer Klage werde sich das Unternehmen „mit allen juristischen Mitteln“ verteidigen. BMW betonte, der Konzern bekenne sich zum 1,5-Grad-Ziel. BMW sei in der Branche Vorreiter im Kampf gegen den Klimawandel.
VW erklärte, der Wolfsburger Konzern habe sich bereits 2018 „klar zum Pariser Klimaabkommen bekannt“, und verwies auf die Milliardeninvestitionen des Autobauers in Elektromobilität. Die Ankündigung einer Klage gegen ein einzelnes Unternehmen halte VW „nicht für ein angemessenes Mittel zur Lösung wichtiger gesellschaftlicher Herausforderungen“.
Auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) äußerte sich kritisch zum Vorstoß der Umweltverbände. „Eine Klage gegen die Unternehmen wird die Geschwindigkeit der Transformation nicht verändern“, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller.
Es brauche vielmehr die „richtigen Rahmenbedingungen“ wie beispielsweise den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Es sei die Aufgabe des Gesetzgebers, „die erforderlichen Regelungen etwa zum Umfang zugelassener Emissionsmengen selbst zu treffen“, sagte Müller weiter. „Klimapolitik sollte vorrangig im Parlament – und nicht im Gerichtssaal – diskutiert und entschieden werden.“ (dpa/afp/dl)
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