„Massive“ politische Einflussnahme: Vergabe der 5G-Frequenzen war rechtswidrig
Die Vergabe der 5G-Mobilfunknetzfrequenzen im Jahr 2019 durch die Bundesnetzagentur war einem Gerichtsurteil zufolge rechtswidrig. Das Bundesverkehrsministerium unter dem damaligen Minister Andreas Scheuer (CSU) habe „massiv“ und „rechtswidrig“ Einfluss auf die Netzagentur genommen, erklärte das Verwaltungsgericht Köln am Dienstag.
Klagen kleinerer Mobilfunkanbieter, um die Netzinfrastruktur zu niedrigeren Preisen mitnutzen zu können, müssen demnach nun neu verhandelt werden. (Az 1 K 1281/22 (vormals 9 K 8489/18) und 1 K 8531/18)
Monopolstellung der großen Anbieter
Im Detail geht es um eine von kleineren Mobilfunkanbietern geforderte sogenannte Diensteanbieterverpflichtung: Die großen Anbieter mit eigenem Netz – namentlich die Telekom, Vodafone und Telefónica – würden damit verpflichtet, kleineren Anbietern, die nicht über eigene Netzinfrastruktur verfügen, zu regulierten Preisen die Nutzung der Netze zu erlauben.
Medienberichte in den vergangenen Jahren hatte bereits nahegelegt, dass Minister Scheuer dies gezielt verhinderte.
Tatsächlich sehen die 2018 von der Bundesnetzagentur festgelegten Regeln lediglich vor, dass die großen Anbieter mit den kleineren über die Mitnutzung verhandeln müssen. In der Praxis führt dies dazu, dass noch heute kleinere Mobilfunkanbieter 5G-Tarife nur zu höheren Preisen anbieten können. Der fehlende Wettbewerb hat allgemein höhere Mobilfunkpreise in Deutschland zur Folge.
Freenet und EWE Tel klagten
Freenet und EWE Tel, zwei kleinere Anbieter, hatten wiederholt gegen die Vergaberegeln geklagt, scheiterten damit jedoch zunächst unterinstanzlich. 2021 entschied das Bundesverwaltungsgericht dann anders und verwies den Fall zurück nach Köln. Das dortige Verwaltungsgericht solle prüfen, ob die Bundesnetzagentur in ihrer Entscheidung befangen gewesen sei, denn es gebe Anhaltspunkte für unzulässige Einflussnahme seitens der Politik.
Das Kölner Gericht bestätigte diese Vorwürfe in seinem am Montag ergangenen Urteil. Die Einflussnahme von Scheuers Ministerium (BMVI) ist demnach erwiesen und war so nachdrücklich, dass die EU-rechtlich garantierte Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur geschädigt wurde, wie das Gericht ausführte.
Es liege nahe, dass Bundesnetzagentur ihre Entscheidung „ohne die massive Einflussnahme durch das BMVI im Einzelnen anders ausgestaltet hätte“.
Bei der Auktion für den Mobilfunkstandard 5G hatten vier Telekommunikationskonzerne Frequenzen für insgesamt 6,5 Milliarden Euro ersteigert. Sie verpflichteten sich dabei zu Mindestausbauzielen, etwa dass sie bis Ende 2022 jeweils 98 Prozent der Haushalte in jedem Bundesland mit mindestens 100 Mbit pro Sekunde im Download versorgen.
Auswirkungen auf Mobilfunkkunden unklar
Wie sich das Kölner Urteil auf die Mobilfunkkunden in Deutschland auswirken wird, ist noch unklar, auch weil das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Das Verwaltungsgericht hat keine weitere Revision zugelassen.
Die Bundesnetzagentur kann aber versuchen, eine Zulassung der Revision beim Bundesverwaltungsgericht zu erreichen. „Wir erwarten keine negativen Auswirkungen auf den weiteren zügigen Ausbau der Mobilfunknetze in Deutschland“, sagte ein Behördensprecher.
Freenet erklärte, fast sechs Jahre nach der Präsidentenkammerentscheidung herrsche endlich Klarheit. „Das Gericht hat dokumentiert, dass das Verhandlungsgebot seinen Weg in die Präsidentenkammerentscheidung nur aufgrund rechtswidriger Einflüsse gefunden hat.“
Zwar könne die Aufhebung der 5G-Vergabeentscheidung die für den Wettbewerb verlorenen Jahre nicht rückgängig machen. „Aber nun steht einer Entscheidung im Verbraucherinteresse nichts mehr entgegen. Wir setzen auch vor dem Hintergrund des laufenden Frequenzvergabeverfahrens darauf, dass die Bundesnetzagentur der Aufforderung des Gerichts zeitnah folgt und dabei das spätestens seit heute verbrannte Verhandlungsgebot wieder durch eine wirksame Wettbewerbsregulierung ersetzt.“ (afp/dpa/red)
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