„Wegschauen ist keine Option“: Deutsche Unternehmen müssen aus Uiguren-Provinz abziehen
Wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen an Uiguren könnten deutsche Unternehmen bald gezwungen sein, ihre Aktivitäten in der Region Xinjiang im Nordwesten Chinas einzuschränken oder sich ganz von dort zurückzuziehen.
Das ergibt sich aus einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, über das die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet. Mit Inkrafttreten des Lieferkettengesetzes erscheine „eine Pflicht deutscher Unternehmen zum Abbruch der Geschäftsbeziehungen zu ihren chinesischen Zulieferern fast unausweichlich“, wenn diese Zwangsarbeiter einsetzten, heißt es in der von den Grünen in Auftrag gegebenen Ausarbeitung.
Deutsche Unternehmen mit Niederlassungen in Xinjiang beschäftigten zwar selbst keine uigurischen Zwangsarbeiter, könnten aber von „günstigen Marktkonditionen“ und Lieferketten chinesischer Zulieferunternehmen profitieren.
Andernfalls drohten den deutschen Unternehmen Bußgelder. In Einzelfällen könne sich auch eine „individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmensmitarbeitern“ ergeben. Die Grünen forderten die deutschen Unternehmen auf, Konsequenzen zu ziehen.
Grünen: Verantwortung werde mit diesem Gutachten „klarer denn je“
Die Verantwortung der in Xinjiang tätigen Firmen werde mit diesem Gutachten „klarer denn je“, sagte die menschenrechtspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Margarete Bause. „Jedes deutsche Unternehmen muss sich jetzt ernsthaft die Frage stellen, ob es Geschäftsbeziehungen nach Xinjiang unter diesen Bedingungen weiter aufrechterhalten will“, sagte sie. Das Gutachten sende eine klare Botschaft: „Wegschauen ist keine Option.“
In der Untersuchung wird darauf verwiesen, dass durch das vom Kabinett im März auf den Weg gebrachte Lieferkettengesetz eine neue Rechtslage entstehe. Zwar seien durch die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte Unternehmen verpflichtet, Menschenrechte zu achten, wo immer sie ihre Geschäftstätigkeit ausüben. Die Umsetzung sei jedoch rechtlich nicht einklagbar. Das ändere sich in Deutschland, sobald das Lieferkettengesetz in Kraft trete.
Der Gesetzentwurf sieht für große Unternehmen Bußgelder von bis zu zwei Prozent des jährlichen Umsatzes vor, wenn sie nicht gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstöße bei ihren weltweiten Zulieferern vorgehen. Betroffen wären ab 2023 zunächst Unternehmen mit mehr als 3000 in Deutschland Beschäftigten und ab 2024 auch Firmen ab 1000 Beschäftigten. Der Bundestag berät am Donnerstag über den Entwurf.
BDI fordert Ombudsstelle in Deutschland
Kritik an dem geplanten Gesetz kam vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Hauptgeschäftsführer Joachim Lang erklärte, der Entwurf bleibe „hinter den politischen Möglichkeiten Deutschlands“ zurück. Er forderte eine Ombudsstelle in Deutschland, bei der weltweite Menschenrechtsverletzungen gemeldet werden können. „Diese Aufgabe dem Mittelständler aus Paderborn oder Kusel zu übertragen, wird an den Umständen vor Ort weniger ändern, als möglich und nötig wäre“, kritisierte Lang.
Menschenrechtsorganisationen zufolge sind in Xinjiang mindestens eine Million Angehörige der Uiguren und anderer muslimischer Minderheiten in Haftlagern eingesperrt. Dort werden sie den Angaben zufolge zur Aufgabe ihrer Religion, Kultur und Sprache gezwungen und teilweise auch misshandelt. Peking weist die Vorwürfe zurück und spricht von Ausbildungs- und Arbeitsprogrammen gegen Extremismus. (dts/afp)
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