Energiekonzern Uniper beendet Ära der russischen Gaslieferungen

Eine Stockholmer Schiedsstelle hat dem deutschen Energiekonzern Uniper das Kündigungsrecht seiner Gazprom-Lieferverträge und 13 Milliarden Euro Schadenersatz zugesprochen. Ob gezahlt wird, ist fraglich. Seit seiner Verstaatlichung hatte sich Uniper wirtschaftlich erholt und folgt nun einer grünen Agenda.
Der Uniper-Vorstandsvorsitzende Michael Lewis vor Beginn der Bilanzpressekonferenz.
Archivbild: Der Uniper-Vorstandsvorsitzende Michael Lewis darf nach dem Schiedsspruch von Stockholm die Lieferverträge für russisches Gas kündigen.Foto: Rolf Vennenbernd/dpa
Von 13. Juni 2024

Die Zusammenarbeit des vor anderthalb Jahren verstaatlichten Düsseldorfer Energieunternehmens Uniper mit dem russischen Gasproduzenten Gazprom Export neigt sich nun auch formalrechtlich dem Ende zu. Nach der finalen und bindenden Entscheidung eines Stockholmer Schiedsgerichts vom 7. Juni 2024 darf Uniper die Gaslieferverträge kündigen. Außerdem besitzt Uniper einen Anspruch auf gut 13 Milliarden Euro als Schadenersatz für nicht geliefertes Gas.

Nach Angaben des international tätigen Konzerns hatte Gazprom Export seine Lieferverpflichtungen „seit Juni 2022 nur noch eingeschränkt und seit Ende August 2022“ überhaupt nicht mehr erfüllt. Dabei wären die Lieferungen bei allen sonstigen EU-Sanktionen gegen die russische Wirtschaft durchaus zulässig gewesen, wie der Düsseldorfer Konzern in einer Pressemitteilung vom 12. Juni 2024 betonte.

Formales Ende der Zusammenarbeit

Bis zum Schiedsspruch seien die „langfristigen Gaslieferverträge zwischen den beiden Unternehmen rechtlich noch in Kraft“ gewesen, heißt es darin weiter, „einzelne Verträge hätten noch bis Mitte der dreißiger Jahre bestanden“. Es hatte sich laut „Tagesschau“ um jene Kernverträge der deutsch-russischen Gaspartnerschaft gehandelt, die seit den 1970er-Jahren Bestand gehabt hätten.

Nach Angaben der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) hätte Uniper ohne den Schiedsspruch das Gazprom-Gas wieder abnehmen und bezahlen müssen, so bald Russland den Gashahn wieder aufgedreht hätte – die „Take or Pay“-Vertragsklausel hätte gegriffen.

Auf Grundlage des Urteils werde man nun die Option nutzen, „die russischen Gaslieferverträge zu kündigen und damit die langfristige Gaslieferbeziehung mit dem russischen Staatsunternehmen Gazprom Export rechtlich zu beenden“, so Uniper. Das Stockholmer Schiedsgericht habe den Streitfall nach Schweizer Recht beurteilt. Bereits vorher hätten sich beide Seiten mehrfach dieses Schlichtungsweges bedient.

Die Schadenersatzsumme errechne sich aus den Mehrkosten, die Uniper im Laufe des Jahres 2022 entstanden seien, um das fehlende Gas zu „extrem hohen Marktpreisen“ aus anderen Regionen zu beziehen. Weil das eigene Geld dafür nicht ausgereicht habe, habe der Bund die Mittel über die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bereitgestellt.

Im Gegenzug habe der Bund im Dezember 2022 per Rahmenvereinbarung 99,12 Prozent der Aktien von Uniper übernommen – insgesamt über 400 Millionen Anteilsscheine. Der finnische Hauptaktionär Fortum habe dem Deal am 21. September 2022 zugestimmt und seine Anteile an den Bund verkauft. Nach Angaben der „Wirtschaftswoche“ hatte der Bund im Endeffekt rund 13,5 Milliarden Euro dafür aufgewendet.

Ende des Jahres habe Uniper dann das vertraglich vereinbarte Schiedsgerichtsverfahren in die Wege geleitet, so der Konzern.

Der somit verstaatliche Konzern rechnet allerdings nicht unbedingt damit, dass Gazprom die 13 Milliarden Schadenersatz tatsächlich bezahlen wird. „Ob Beträge in signifikanter Höhe zu erwarten sind, ist aus heutiger Sicht noch nicht abzuschätzen“, erklärte Uniper-CEO Michael Lewis. Sollte Gazprom Export wirklich zahlen, würde das Geld ohnehin „dem Bund zufließen“, so Lewis.

Russische Seite bemühte eigenes Schiedsgericht

Wie die FAZ berichtet, könnte Gazprom Export allerdings seinerseits auf einer Rubel-Zahlung im Wert von 14,312 Milliarden Euro beharren. Denn am 13. März 2024 habe der russische Gasexporteur vor einem Schiedsgericht in Sankt Petersburg eine einstweilige Verfügung erwirkt, nach der Uniper das Schiedsgerichtsverfahren in Stockholm gar nicht hätte weiter betreiben dürfen. Uniper halte den Sankt Petersburger Schiedsspruch allerdings für rechtswidrig und habe bereits Berufung bei russischen Gerichten eingelegt.

Eine aktuelle Stellungnahme von russischer Seite liegt nach Informationen der „Wirtschaftswoche“ nicht vor.

Uniper: Transformation mit Steuergeldern von langer Hand geplant?

Nach einer wirtschaftlichen Durststrecke hatte der einstige Sanierungsfall Uniper nach der Verstaatlichung im Dezember 2022 offenbar eine positive Wende vollzogen. Das war nach Einschätzung des Juristen und Geopolitikexperten Wolfgang J. Hummel Anfang Dezember 2022 noch keineswegs zu erwarten. Hummel hatte die damalige Milliarden-Schieflage des Konzerns in einem Gastbeitrag für die Epoch Times weniger in der kriegsbedingt angespannten Geschäftsbeziehung zum russischen Gaslieferanten vermutet als vielmehr in der Uniper-Gründungsidee selbst.

Uniper war erst 2016 als Auslagerung seines Mutterkonzerns E.ON gegründet worden. Während E.ON sich auf ein neues, vorwiegend saubereres Image konzentrierte, sollte Uniper nach Einschätzung von Hummel fortan jene „schmutzigen“ Geschäftsfelder betreuen, die mit Steinkohle, Gas oder Erdöl zu tun hatten. Und das geschah keineswegs zufällig, meint der Geopolitikexperte:

Das Ziel war klar: E.ON geht in die Zukunft. Uniper, politisch gewollt, in die langfristige Abwicklung. Dass mit der Trennung dieser Unternehmensteil kein tragfähiges Geschäftsmodell mehr hatte, wurde unter dem griffigen Marketing-Namen Uniper versteckt.“

Zu diesem Zeitpunkt mag alles für Hummels Perspektive gesprochen haben, denn immerhin hatte Uniper schon weit vor dem 24. Februar 2022, dem Tag des russischen Angriffs, „massive Verluste“ in Milliardenhöhe verbucht. Allein in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 habe Uniper „einen Verlust von 39,3 Milliarden Euro und damit einen der größten jemals ausgewiesenen Nettoverluste eines börsennotierten Unternehmens weltweit“ einstecken müssen, so Hummels. Die Bundesregierung habe Uniper allerdings als „too big to fail“ eingeschätzt und den Konzern kurzfristig übernommen.

Sinkende Gaspreise führten in die Gewinnzone

Womit Hummel wohl nicht gerechnet hatte: Kurz nach der Verstaatlichung waren die Einkaufspreise für Gas am Spotmarkt nach Angaben der „Wirtschaftswoche“ wieder deutlich gesunken.
Am Ende des ersten vollen Geschäftsjahrs in Staatsbesitz 2023 meldete Uniper einen bereinigten Konzernüberschuss von 4,4 Milliarden Euro (PDF). Der Vorstand sprach von den „besten Finanzzahlen“ der Firmengeschichte. Und für 2024 erwartet Uniper immerhin noch einen bereinigten Konzernüberschuss zwischen 700 Millionen und 1,1 Milliarden Euro.

Laut „Wirtschaftswoche“ plant der Bund, sein Aktienpaket demnächst schrittweise zu versilbern. Das muss er nach dem Willen der EU-Kommission auch tun: Wie die „Wirtschaftswoche“ im Februar 2024 schrieb, verlangte die Kommission für ihr Okay zur Uniper-Übernahme unter anderem, dass der Bund ab 2028 nur noch höchstens ein Viertel der Aktien plus eine Aktie besitzen darf. Außerdem müsse Uniper bis Ende 2026 eigene Vermögenswerte zu Geld machen, etwa das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 in Nordrhein-Westfalen. Mit eigenen Rückzahlungen an den Bund will Uniper der „Tagesschau“ zufolge im Jahr 2025 beginnen.

Uniper will bis 2040 CO₂-neutral produzieren

Die von Geopolitikexperte Hummel befürchtete wirtschaftliche Opferung Unipers auf dem Altar der Energiewende hat sich bislang also nicht bewahrheitet. Politisch ist der Konzern klar auf Transformationskurs unterwegs: Heute bekennt sich Uniper zu dem Ziel, bis zum Jahr 2040 die vollständige CO₂-Neutralität erreichen zu wollen. Schon 2030 sollen über 80 Prozent der installierten Kraftwerksleistung CO₂-freien Strom produzieren.

Auch wenn der Großteil seiner Erzeugungskapazität von 23,4 Gigawatt noch immer aus „fossilen“ Quellen stammt, feiert der 7.000-Mitarbeiter-Konzern auf seiner Website primär die neue Marschroute:

Bereits heute ist das Unternehmen einer der größten Betreiber von Wasserkraftwerken in Europa und treibt den weiteren Ausbau von Solar- und Windenergie als Schlüssel für eine nachhaltigere und sichere Zukunft voran. Das Gasportfolio wird schrittweise um grüne Gase wie Wasserstoff und Biomethan ergänzt mit dem Ziel der langfristigen Umstellung.“

Bei dem Firmennamen Uniper handelt es sich übrigens um ein Kunstwort, das für „Unique Performance“, also etwa „einzigartige Leistungsstärke“ steht.



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