Drum prüfe, wer sein Kapital zu lange bindet
Hannover – Mit Kapitalbindungskosten in der Montage befasst sich das IPH – Institut für Integrierte Produktion Hannover – seit Mai 2011 in einem neuen Forschungsprojekt. Entwickelt werden soll ein Softwaretool, das produzierenden Unternehmen aller Branchen bei der schnellen Bestimmung und Reduzierung des gebundenen Kapitals hilft.
Spätestens wenn sich im Pufferlager vor der Montage Material anhäuft, ahnen produzierende Unternehmen, dass nicht alles nach Plan läuft. Fehlt mindestens ein Bauteil eines Produkts, kann nicht mit der Montage begonnen und der Kunde meist auch nicht planmäßig beliefert werden. Selbst Komponenten mit niedrigem Wert, zum Beispiel Schrauben, können große Montageaufträge verzögern, wenn sie fehlen – und auf das Jahr hochgerechnet Kapitalbindungskosten im mittleren vierstelligen Bereich verursachen. „Dabei könnten Unternehmen schon durch kleine Verbesserungen bei der Materialbereitstellung in der Montage ihre Umlaufbestände drastisch reduzieren und ihre Liquidität erhöhen“, erklärt Dipl.-Wirtsch.-Ing. Patrick Prüssing, Projektingenieur am IPH.
Kapitalbindungskosten
Wie hoch die Kapitalbindungskosten tatsächlich sind und mit welchen Maßnahmen sie sich reduzieren lassen, können Unternehmen bald leicht überprüfen. Die Wissenschaftler des IPH forschen seit Mai an einer Methode, die auf Basis von wenigen statistischen Kennzahlen Aussagen über die Höhe der Kapitalbindungskosten erlauben soll. Ab Frühjahr 2013 wird die Methode in Form eines Softwaretools frei zugänglich und vorwettbewerblich im Internet verfügbar sein. Interessierte Unternehmen können sich die Open Source-Lösung dann herunterladen und individuell anpassen.
„Viele Unternehmen könnten finanziell besser dastehen, wenn sie nicht so viel Kapital in der Montage binden würden“, meint Prüssing. Gerade im Maschinen- und Anlagenbau sei dieses Problem besonders ausgeprägt. Laut einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG liegt das Verhältnis von Umlaufbeständen zu Umsatzerlösen in dieser Branche bei 22 Prozent. Darin sind nicht nur Lagerbestände enthalten, sondern auch Material, das vor der Montage gepuffert wird. „Vor allem im Maschinen- und Anlagenbau ist eine Materialbereitstellung in der Montage durch Lager, Fertigung und Lieferanten auf einen Schlag nur schwer realisierbar“, beschreibt Prüssing das Problem.
Zurückzuführen sei dies auf die Komplexität der Produkte und die Vielzahl der beteiligten Lieferanten. Zwar können Unternehmen anhand von Materialbewegungsdaten erfassen, inwieweit eine Abstimmung gelingt, der Aufwand ist jedoch sehr hoch. Gerade kleine und mittlere Unternehmen werten die Daten daher häufig nicht aus. Vor allem sie sollen von dem neuen Softwaretool profitieren, das am IPH entwickelt wird.
Zu Beginn des Projekts werden die Wissenschaftler des IPH zunächst in den beteiligten Unternehmen Daten erfassen, zum Beispiel Materialbewegungen oder Auftragswerte. Diese werden dann genutzt, um die Kapitalbindungskosten im Detail zu bestimmen. Im nächsten Schritt werden die Daten einer statistischen Analyse unterzogen und Gesetzmäßigkeiten mathematisch beschrieben. Auf Basis der Ergebnisse wird dann die Software entwickelt. Neben der Höhe der Kapitalbindungskosten soll das Tool auch Aufschluss über die Ursachen für deren Entstehung geben. Eine Aufschlüsselung soll Ansatzpunkte zur Reduzierung aufzeigen. Unternehmen können so monetär bewerten, ob sich eine Maßnahme wie ein Lieferantenwechsel lohnt.
Das Forschungsvorhaben
Das Forschungsprojekt „Reduzierte Kapitalbindung für die Montage durch abgestimmte Materialbereitstellung“ ist zum 1. Mai 2011 angelaufen. Gefördert wird das 22-monatige Forschungsvorhaben von der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e. V. (AiF) aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), die organisatorische Betreuung erfolgt durch die Bundesvereinigung Logistik e. V. (BVL). Bislang beteiligen sich fünf Industrieunternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau an dem Projekt, darunter vier KMU. Interessierte Unternehmen können sich dem Konsortium noch anschließen. Kosten entstehen dadurch keine; die beteiligten Unternehmen können die Forschungsergebnisse allerdings schon anwenden, bevor andere Firmen darauf zugreifen dürfen. (Meike Wiegand/IPH)
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