Brandbrief an Bundeskanzler: Wirtschaft fordert Schutz vor neuen EU-Plänen
Deutschland steuert im Moment machtvoll in eine vermutlich länger anhaltende Rezession hinein. Die Bundesregierung plant deshalb Hilfen und Bürokratieabbau für die Wirtschaft. Eigentlich sollte das sogenannte „Wachstumschancengesetz“ längst auf den Weg gebracht sein. Familienministerin, Lisa Paus (Grüne), hatte das aber mit ihrem Veto im Bundeskabinett verhindert.
Nun ziehen für die mittelständische Wirtschaft in Deutschland neue dunkle Wolken auf. Diese kommen dieses Mal aus Europa. Dort schreitet ein Vorhaben voran, von dem die Wirtschaft weitere Belastungen erwartet – die EU-Lieferkettenrichtlinie. Dieses verschärft noch einmal das gerade erst im Januar eingeführte deutsche „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ (LkSG).
Grenzen des tatsächlich Leistbaren erkennen
Arbeitgeberpräsident Dr. Rainer Dulger und Handwerkspräsident Jörg Dittrich haben deshalb einen alarmierenden Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geschrieben, über den unter anderem die „Deutsche Handwerkszeitung“ berichtet.
„Die Politik muss hier die Grenzen des tatsächlich Leistbaren erkennen und respektieren“, schreiben sie an Scholz und appellieren an ihn, sich für grundlegende Änderungen der EU-Richtlinienentwürfe einzusetzen. „Weitere Belastungen können den Betrieben nicht zugemutet werden“, warnen sie in dem Brief. Dittrich vertritt mit dem „Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH)“ eine Million Mittelständler. Die Arbeitgeber-Bundesvereinigung BDA vertritt Betriebe aller Branchen als Sozialpartner-Spitzenverband.
Mit der Lieferkettenregulierung werden Unternehmen verpflichtet, auf der ganzen Welt auf Menschenrechte und Umweltstandards bei Zulieferern und Geschäftspartnern zu achten. Um diese Regulierung durchzusetzen, unterliegen Unternehmen nun Berichts- und Kontrollpflichten sowie Haftungsrisiken und Bußgelddrohungen.
Schon das deutsche Gesetz, das Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) noch in der Großen Koalition durchgesetzt hat und zum Jahresanfang in Kraft getreten ist, sorgt bei der Wirtschaft für Unmut. Momentan gilt es nur für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten. Im kommenden Jahr soll die Grenze auf 1.000 Beschäftigte abgesenkt werden. Die im Juni vom EU-Parlament beschlossenen Pläne gehen einen ganzen Schritt weiter. Diese Regelung sieht eine Grenze von 250 Mitarbeitern vor.
Eine weitere Richtlinienverschärfung kommt ebenfalls aus Brüssel: Die EU-Pläne verpflichten Unternehmen über die Überwachung ihrer eigenen Zuliefererkette hinaus auch zur Überwachung sogenannter „nachgelagerten Ketten“. Diese umfassen „alle Aktivitäten der Geschäftspartner hinsichtlich Vertrieb, Transport, Lagerung oder Entsorgung“, wie das Bundesarbeitsministerium erklärt. Arbeitgeberpräsident Dr. Dulger und Handwerkspräsident Dittrich erinnern den Bundeskanzler in ihrem Schreiben daran, dass sich die Ampel in Bezug auf das Lieferkettengesetz nicht nur im Koalitionsvertrag auf ein Vorgehen festgelegt hat, das „kleinere und mittlere Unternehmen nicht überfordert“. Im Dezember 2022 haben sie das wortgleich in einer förmlichen Protokollerklärung zu dem Brüsseler Vorhaben niedergelegt.
Hoher bürokratischer Aufwand für Unternehmen
Die beiden Wirtschaftsvertreter weisen nun darauf hin, dass die gemachten Vorgaben nicht nur die Unternehmen mit den entsprechenden Beschäftigtenzahlen beträfen. Auch Unternehmen, die unter der Grenze liegen, bekämen den Druck über ihre Geschäftsbeziehungen zu größeren Unternehmen weitergereicht. Viele größere Unternehmen geben die an sie gestellten Anforderungen durch Anfragen einfach an kleinere Zulieferer weiter. Dies führt schon jetzt zu hohem bürokratischem Aufwand.
Weitere Belastungen können den Betrieben nicht zugemutet werden“, mahnen die Verbandspräsidenten in ihrem Brief eindringlich.
Mittelständler sähen sich schon jetzt „als Dienstleister oder Zulieferer in Lieferketten teils mit nicht erfüllbaren Anforderungen konfrontiert.“
Man könne hier nicht von „Anlaufschwierigkeiten“ sprechen. Die Probleme lägen vielmehr im Gesetz begründet. Es drohe daher ein „Rückzug deutscher Unternehmen aus den Wertschöpfungsketten in bestimmten Regionen oder Sektoren“. Deutschland dürfe „keinem der aktuell vorliegenden Entwürfe der EU-Institutionen zustimmen“, mahnen Dr. Dulger und Dittrich.
Der Mittelstand brauche „einen deutlich praktikableren und einfacheren Ansatz“. Vor allem müssten die hauptsächlich mittelstandsrelevanten Lieferketten innerhalb der EU sowie entsprechende Teile von globalen Lieferketten „grundsätzlich als risikoarm eingestuft und bei ordnungsgemäßer Priorisierung der Risiken eine Enthaftung möglich sein“, heißt es im Brief weiter.
Das aktuelle Lieferkettengesetz wird in der Wirtschaft schon jetzt als Belastung empfunden. Dass das keine leeren Aussagen der beiden Spitzenvertreter der Wirtschaft an Bundeskanzler Scholz sind, zeigt eine Erhebung des Justizministeriums zur Vorbereitung des geplanten Bürokratieentlastungsgesetzes (BEG). Dutzende Verbände waren dazu eingeladen worden, Vereinfachungsvorschläge einzureichen. Wie aus der Ergebnisdokumentation hervorgeht, wurde kein Thema häufiger angesprochen als Probleme mit dem Lieferkettengesetz.
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