Absolutes Novum: Güterverkehr wegen Energiemangels zeitweise gestoppt
Der Güterverkehr wurde am Morgen des 23. März in weiten Teilen Deutschlands stillgelegt – weil nicht genug Strom zur Verfügung stand. Wartungsarbeiten und ein anschließender Ausfall der bahneigenen Kraftwerke führten zu einer Unterversorgung mit Energie, wie der Bahnstromnetzbetreiber DB Energie mitteilte.
Bisher galt das Bahnstromnetz als besonders stabil. Die Fahrdienstleiter der DB Netz AG wurden angewiesen, Güterzüge auf dem nächsten Abstellgleis festzuhalten. Die Betreiber der Güterbahnen wurden völlig überrascht, sie fordern eine unabhängige Prüfung.
Güterverkehr ist systemrelevant
„Sollte die DB pauschal den Güterverkehr angehalten haben, wäre das ein absolutes Novum. Wir werden die Bundesnetzagentur einschalten, um das aufzuarbeiten und eine Wiederholung definitiv zu verhindern“, erklärt Peter Westenberger, Geschäftsführer des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen.
Die Bahn unterscheidet drei Verkehrsarten, den Personenfern-, Personennah- und Güterverkehr. Wie es zu einer einseitigen Einschränkung ausschließlich für den Güterverkehr gekommen ist, sollte geklärt werden.
„Der Güterverkehr ist nicht der Wurmfortsatz der Eisenbahnbranche, er ist systemrelevant für die Industrienation und die Versorgung der Bevölkerung“, sagt Westenberger. Ähnlich wie der Personenverkehr muss auch der Güterverkehr in großen Teilen pünktlich sein. Industriekunden hätten „keinerlei Verständnis für mehrstündige Verspätungen“.
Westernberger zufolge gibt es durchaus Transporte, die bei akutem Strommangel etwas verschoben werden könnten. Die Notfallplanung der DB Energie sollte daher differenziert vorgehen.
Gesteuert werden kann der Energieverbrauch beispielsweise über Anfahrt und Beschleunigung der Züge, die sehr energieintensiv sind. Ähnlich energieaufwendig sind Höchstgeschwindigkeitsfahrten der ICEs. Andererseits könnten schwach ausgelastete Züge ausfallen oder Leerfahrten verschoben werden, statt pauschal den Güterverkehr mehrere Stunden lahmzulegen.
Besonderheiten von Bahnstrom
Der Strom für den Zugverkehr wird im Gegensatz zum normalen dreiphasigen Strom in einem Einphasenstromnetz zur Verfügung gestellt. Zuständig ist die DB Energie. Der Wechselstrom im Bahnnetz hat zudem eine Spannung von 15 Kilovolt und schwingt mit einer Frequenz von 16,7 Hertz. Das Stromnetz für Haushalte und Industrie nutzt die bekannte Frequenz von 50 Hz und 230 beziehungsweise 400 V.
Trotz unterschiedlicher Frequenzen bezieht die DB Energie ein Drittel des erforderlichen Bahnstroms aus dem öffentlichen (Hochspannungs-) Netz und wandelt diesen über spezielle Umformer auf die Bahnstromfrequenz um. Der Rest stammt aus besonderen Bahnstrom-Kraftwerken. Einer der größten Anbieter von Bahnstrom sind die Stadtwerke Tübingen. Das Bahnstromnetz verteilt den benötigten Strom über eine Hochspannung von 110 kV zu lokalen Unterwerken, die diese in 15.000 Volt Mittelspannung transformieren. Diese treiben täglich rund 20.000 Züge elektrisch über die Oberleitungen an.
Bis zum Jahr 2030 sollen laut Koalitionsvertrag 75 Prozent des Bundesschienennetzes elektrifiziert sein, bisher sind es gut 61 Prozent. Eine Elektrifizierung ist erst ab einer Mindestanzahl von Zügen pro Strecke wirtschaftlich.
Im Januar wurde von der SBB Cargo international, einem der größten Wettbewerber der Deutschen Bahn im Schienengüterverkehr, aufgrund der steigenden Bahnstrompreise sogar der Einsatz von Dieselloks erwogen. „Interessant ist, dass – nüchtern betrachtet – der Einsatz von schweren Dieselloks bei Neuverkehren kostenmäßig deutlich günstiger wäre als der Einsatz von E-Loks“, sagte Sven Flore, Chef der SBB Cargo. Mitte Januar 2022 waren die Preise für Bahnstrom zweieinhalb- bis dreimal so hoch wie 2021.
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