Trump 2.0: Europas Angst vor US-Strafzöllen – Wie vorbereitet ist die EU?
Die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus ist gestern Realität geworden. In Amerika lagen die wichtigsten Börsenindizes bei der Eröffnung deutlich im Plus. Alle drei großen US-Indizes – S&P 500, NASDAQ und Dow Jones – sprangen zur Wall-Street-Eröffnung auf Rekordhoch. Börsianer setzen in den USA offensichtlich darauf, dass heimische Unternehmen von Trumps Steuer- und Regulierungspolitik und seinem Leitspruch „America First“ stark profitieren werden.
Anders war die Situation auf dem Börsenparkett in Frankfurt am Main: Zunächst gewann der Dax bis zu 1,5 Prozent und stieg zeitweise auf 19.564 Punkte, ein Höchstwert in dieser Woche.
Bis zum Nachmittag war dieser Vorsprung aber schon wieder völlig aufgebraucht. Am Ende stand ein Minus von über einem Prozent. Der Dax schloss am Ende mit 19.039 Punkten. Deutsche Unternehmen schauen offensichtlich mit Sorge auf die Wahl Trumps zum US-Präsidenten.
Vor allem exportorientierte Unternehmen machen sich Sorgen. Vor allem Trumps Ankündigungen, Zölle auf Import zu erheben, bereitet diesen Unternehmen Kopfschmerzen. „Wenn ein Land in Europa von Trumpschen Strafzöllen getroffen wird, ist es Deutschland“, wird ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski in der Onlineausgabe des Magazins „Capital“ zitiert. Während die erste Amtszeit Trumps damals auf eine „Wirtschaft in Hochblüte“ stieß, kämen Strafzölle, Deregulierung des US-Finanzsektors und geopolitische Spannungen zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. „Nach vier Jahren Stagnation und strukturellen Schwächen ist Deutschland nicht nur der ‚kranke Mann Europas‘, sondern auch verwundbarer als vor acht Jahren“, so das Fazit von Brzeski.
Basiszölle von 20 Prozent auf Import
Trump hatte im Wahlkampf immer wieder angekündigt, unter seiner Präsidentschaft Basiszölle von 20 Prozent auf Importe aus Europa und 60 Prozent auf Importe aus China erheben zu wollen. „Diese Maßnahmen des erneut gewählten US-Präsidenten würden allein in Deutschland einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden von 33 Milliarden Euro bedeuten“, schreibt das ifo-Institut aus München gestern in einer Presseerklärung. Das ifo-Institut schätzt, dass die deutschen Exporte in die USA damit um etwa 15 Prozent zurückgehen könnten.
Zusätzlich würden die Ausfuhren nach China um 10 Prozent sinken, weil Chinas Exporte in die USA massiv zurückgehen würden. Betroffen wären etwa Hilfsstoffe oder Maschinen, die Deutschland nach China liefert für chinesische Endprodukte, die wiederum für den Export vorgesehen sind. Wenn China weniger in die USA exportiert, fordert das Land auch bei Deutschland weniger Hilfsstoffe an. Damit sinkt der deutsche Export.
Besonders hart könnten US-Zölle die deutsche Auto- und Pharmaindustrie treffen. Das ifo-Institut schätzt, dass der deutsche Autoabsatz in den USA um 32 Prozent zurückgehen könnte. Der Absatz pharmazeutischer Erzeugnisse könnte sogar um 35 Prozent zurückgehen.
Das „Kieler Institut für Weltwirtschaft“ (ifw) hatte wenige Tage vor der US-Wahl den Rückgang des Welthandels auf 2,5 Prozent im ersten Jahr und langfristig auf drei Prozent prognostiziert. Das „Institut der deutschen Wirtschaft“ (IW) in Köln prognostiziert, dass die deutsche Wirtschaftsleistung am Ende der zweiten Amtszeit Trumps 1,5 Prozent niedriger ausfallen könnte als heute. Ein Handelskrieg mit den USA könnte der deutschen Wirtschaft am Ende 180 Milliarden Euro kosten, so die IW-Schätzung.
„Wir müssen uns darauf einstellen, dass sich die USA weiter von einer offenen, globalen Zusammenarbeit entfernen“, warnt Lisandra Flach, Leiterin des ifo Zentrums für Außenwirtschaft. Deutschland und die EU müssten nun ihre Position durch „eigene Maßnahmen“ stärken. Dazu gehöre eine tiefere Integration des EU-Dienstleistungsmarktes und „glaubwürdige Vergeltungsmaßnahmen gegenüber den USA“, empfiehlt Flach.
Bei Handelskrieg würden beide Seiten verlieren
Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt: Wie ist die EU auf einen US-Präsidenten Trump aufgestellt?
Schon zur Vorbereitung auf die US-Wahl hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei EU-Generalsekretärin Ilze Johansone einen akribisch vorbereiteten „Szenario Trump 2.0“-Plan in Auftrag gegeben. Zuerst, so der Plan, möchte man Trump Zusammenarbeit und Verhandlungen anbieten.
In diesen Plan passt sicherlich auch die erste Erklärung der EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen nach dem Wahlsieg Trumps. Auf der Plattform X schrieb sie:
Ich gratuliere Donald J. Trump herzlich. Die EU und die USA sind mehr als nur Verbündete. Uns verbindet eine echte Partnerschaft zwischen unseren Völkern, die 800 Millionen Bürger vereint. Lassen Sie uns also gemeinsam an einer starken transatlantischen Agenda arbeiten, die ihnen auch künftig Erfolge bringt.”
Bei der EU setzt man darauf, dass Trump Geschäftsmann sei und auch die Politik als eine Abfolge von Deals sieht. Daran wolle man sich erst einmal orientieren, sagt ein Spitzendiplomat laut der „Wirtschaftswoche“. Sollten die USA unter Trump allerdings die EU mit Strafzöllen und anderen Maßnahmen überziehen, dann müsse man dem US-Präsidenten deutlich machen, dass bei einem Handelskrieg beide Seiten verlieren.
Sofortmaßnahmen in Schublade
Laut der „Wirtschaftswoche“ lägen in Brüssel detaillierte Sofortmaßnahmen und mittelfristige Pläne in den Schubladen der Kommission. Unter anderem könnte es dann Gegenzölle auf US-Produkte geben.
Die Außenwirtschaftsexpertin des ifo-Instituts, Lisandra Flach, empfiehlt im Falle, dass der neue US-Präsident Trump einen Handelskrieg mit Europa anzettelt, die Nutzung des von der EU neu geschaffenen Anti-Coercion-Instrument.
Das Anti-Coercion-Instrument (ACI) der EU ist eine Maßnahme, die darauf abzielt, die Europäische Union vor wirtschaftlichem Zwang durch Drittstaaten zu schützen. Dieses Instrument wurde eingeführt, um auf Versuche von Staaten außerhalb der EU zu reagieren, wirtschaftlichen Druck auf die EU oder ihre Mitgliedstaaten auszuüben, um politische Konzessionen zu erzwingen. Es ermöglicht der EU, schneller und effektiver auf solche Maßnahmen zu reagieren.
Das ACI bietet der EU die Möglichkeit, eine breite Palette von Gegenmaßnahmen zu ergreifen, die darauf abzielen, den Druck von außen abzuwehren und die Interessen der EU und ihrer Mitglieder zu schützen. Die Maßnahmen können wirtschaftlicher, handelspolitischer oder anderer Natur sein, je nach Art des wirtschaftlichen Zwangs, der ausgeübt wird.
Die Einführung dieses Instruments ist Teil einer breiteren Strategie der EU, ihre Autonomie zu stärken und ihre Abhängigkeit von anderen globalen Mächten zu verringern, insbesondere in strategischen Bereichen wie Handel, Technologie und Versorgungsketten.
USA wichtigster Handelspartner
Für deutsche Unternehmen sind die USA der wichtigste Exportmarkt. Laut dem Statistischen Bundesamt in Wiesbaden gingen im vergangenen Jahr knapp zehn Prozent der deutschen Exporte in die USA – das ist der höchste Wert in den vergangenen 20 Jahren.
China war bisher vorwiegend durch den hohen Wert der Importe Deutschlands wichtigster Handelspartner. In diesem Jahr werden die Vereinigten Staaten voraussichtlich China als wichtigsten Handelspartner Deutschlands überholen. 2022 war der Außenhandelsumsatz (Summe aus Exporten und Importen) mit den USA noch 50,0 Milliarden Euro geringer als mit China. 2023 waren es noch 1,9 Milliarden. Im 1. Halbjahr 2024 überholte der Außenhandelsumsatz mit den USA sogar den mit China um 4,6 Milliarden.
Sorgen wegen Umgang mit China
Deutsche Unternehmen schauen allerdings mit Sorge auf den verschärften Umgang der USA mit China. So haben die USA beispielsweise auch unter US-Präsident Biden die unter seinem Vorgänger und nun Nachfolger Donald Trump eingeführten Zölle auf chinesische Waren beibehalten.
Mit Zöllen von 100 Prozent auf Elektroautos aus China versperrte US-Präsident Joe Biden chinesischen Autobauern den Weg auf den US-Markt. Zudem verhängt die US-Regierung neue oder stark erhöhte Zölle unter anderem für Solarzellen, Halbleiter, Hafenkräne und Medizinartikel wie Kanülen und Schutzmasken.
„Ein scharfer Handelskonflikt zwischen Deutschlands wichtigsten Handelspartnern wäre eine weitere Belastung im internationalen Geschäft“, äußert Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) seine Sorgen darüber, was mit einem Präsidenten Trump passieren könnte. „Falls Trump einen generellen Importzoll einführt, wäre dies ein herber Rückschlag für die deutsche Wirtschaft – in einer ohnehin bereits angespannten Situation“, befürchtet er.
Die Vereinigten Staaten blieben ein „attraktiver Wirtschaftsstandort“, der durch seine vorteilhaften Bedingungen deutsche Investitionen anlockt, erläutert Adrian. „Die angekündigte Senkung der Körperschaftssteuer wäre ein positiver Impuls für die US-Wirtschaft und könnte auch für deutsche Unternehmen neue Aufträge bedeuten. Steigende Importzölle und Local-Content-Vorschriften verstärken allerdings auch den Druck, mehr vor Ort zu produzieren – möglicherweise zulasten deutscher Standorte.“
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