Trotz Bestnote AAA für Deutschland: „Behörden zunehmend unter Reformdruck“
Die Ratingagentur Fitch hat am 15. September für Deutschland die Bestnote „AAA“ bestätigt. Ganz im Gegensatz dazu stand die Abstufung der USA Anfang August. Damals senkte Fitch die Kreditwürdigkeit der USA von AAA auf AA+ – wegen einer „stetigen Verschlechterung“ der Regierungsführung in den vergangenen zwanzig Jahren. Auch Frankreich wurde in diesem Jahr herabgestuft – auf „AA-“.
Deutschland gehört damit im europäischen Maßstab neben Dänemark, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen, Schweden und der Schweiz zu den Staaten mit der besten Bewertung durch Fitch.
Wirtschaftlicher Rückgang, Energie, Immobilien
Was erwartet Fitch für Deutschland? Die Analysten rechnen mit einem Schrumpfen der deutschen Wirtschaft um 0,4 Prozent im Gesamtjahr, verursacht durch schwache Ergebnisse des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im ersten Halbjahr 2023.
„Das schwächere globale und chinesische Wachstum wirkt sich negativ auf den Exportsektor aus, während der Inlandsverbrauch unter der weiterhin hohen Inflation, strengeren Finanzierungsbedingungen und einem sinkenden Verbrauchervertrauen leidet“, heißt es in der Begründung.
2024 erwartet Fitch ein Wachstum der deutschen Wirtschaft um +0,7 Prozent und 2025 um +2 Prozent. Das gehe mit einer Erholung des privaten Konsums und einem Aufschwung der Exporte und Investitionen einher.
Für den Energiesektor heißt es: „Einige energieintensive Industrien haben offensichtlich dauerhafte Veränderungen erlitten.“ Die Unternehmensinsolvenzen dürften ansteigen, der Druck vor allem in den energieintensiven Industriesektoren wie der Chemie-, Papier-, Glasindustrie oder dem Maschinenbau zunehmen.
Auch der Immobilienmarkt stehe weiterhin unter Druck, die Preise für Wohn- und Gewerbeimmobilien hätten sich nach unten angepasst. Bei Wohnimmobilien seien die Preise um fast 7 Prozent im ersten Quartal verglichen mit dem Vorjahr gefallen. „Dies hat einige Immobilienentwickler unter Druck gesetzt, was zu einigen Insolvenzen und wahrscheinlich höheren Kreditausfallraten geführt hat.“ Allerdings schienen die Auswirkungen auf den gesamten Finanzsektor bisher begrenzt zu sein.
Der Arbeitsmarkt sei noch solide und stütze die Wirtschaft, allerdings zeige er erste Anzeichen einer Abkühlung. Die Arbeitslosigkeit dürfte 2024/25 leicht ansteigen, jedoch unter der Quote von 3,7 Prozent im Jahr 2020 bleiben.
Behörden unter Druck
Kritik klingt an, wenn es in der Begründung heißt, es gebe strukturelle Herausforderungen: „Die Wachstumsleistung Deutschlands in den letzten fünf Jahren (0,6 Prozent) und in unseren Prognosen gehört zu den schwächsten in der Ratingkategorie AAA.“
Dahinter ständen eine ungünstige demografische Entwicklung und ein verlangsamtes Wachsen der Produktivität. Die Behörden ständen zunehmend unter Druck, „ehrgeizige Reformen zur Verbesserung des Wachstumspotenzials umzusetzen“.
Wo sehen die Analysten dafür Möglichkeiten? Sie führen vier Punkte an: die „Erhöhung der Zahl qualifizierter Migranten“, den „Abbau von Bürokratie“, eine „Beschleunigung des grünen und digitalen Wandels“ sowie die „Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen, die das Rückgrat der Wirtschaft bilden“.
Sie bilanzieren Deutschland eine „gewisse Unsicherheit, was die Größe und Wirksamkeit von Reformen“ angeht – wegen zunehmender Meinungsverschiedenheiten der regierenden Koalitionsparteien.
Und: „Die im letzten Jahr zunehmende Abhängigkeit von außerbudgetären Mitteln führte zu Unsicherheit hinsichtlich der Haushaltsaussichten und verringerte die Transparenz.“
Inflation bei 6,4 Prozent in diesem Jahr
Die Inflation halte weiterhin an, sei aber rückläufig, die Kerninflation liege stabil bei 5,5 Prozent. Wird die Inflation anders gemessen, nämlich mit dem Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI), dann prognostiziert Fitch für Deutschland eine durchschnittliche Inflation von 6,4 Prozent im laufenden Jahr. Nächstes Jahr sollte diese dann bei 3,1 Prozent und 2025 bei 2,2 im Jahr 2025 liegen.
Fitch setzt darauf, dass die Schuldenbremse wiedereingeführt wird und der Kernhaushalt damit in Einklang steht. Die Staatsverschuldung ginge allmählich von 66,2 Prozent des BIP (2022) auf 61,9 Prozent (2025) zurück. Dieser Wert liegt leicht über dem Niveau vor der Pandemie – und gleichzeitig deutlich über dem derzeitigen „AAA“-Medianwert von 39,3 Prozent des BIP (im Vergleich zu 91 Prozent in der Eurozone).
Fazit: Die Analysten sind überzeugt, dass Deutschland in der Lage sei, Folgen von COVID-19 und den damaligen politischen Maßnahmen, Turbulenzen im Energiesektor und das geringe BIP-Wachstum „ohne nachhaltige Auswirkungen auf seine langfristige makroökonomische Stabilität“ auszugleichen.
Ratings durchaus umstritten
Wie Ratingagenturen zu ihren Bewertungen kommen, geben sie nicht vollständig preis. Bekannt sind zwei grundsätzliche Inhalte: Zum einen werden zentrale Wirtschaftsdaten wie das BIP oder das Investitionsvolumen einbezogen. Zum anderen gibt es Kriterien zur politischen Situation und der sozialen Stabilität des Landes.
Durch die mangelnde Transparenz bei den Risikobewertungen sollten die Ergebnisse vorsichtig betrachtet werden. Gleichzeitig entscheidet das Rating dieser privaten Unternehmen mit über die Kreditwürdigkeit eines Landes – ähnlich der Schufa, die die Bonität natürlicher Personen prüft.
Die „Big Three“ unter den Ratingagenturen sind Moody’s, Fitch sowie Standard and Poor’s. Als erste deutsche Ratingagentur kann das Unternehmen Creditreform bezeichnet werden. Creditreform beurteilt keine Volkswirtschaften, sondern beschränkt sich auf die Prüfung der Bonität von Unternehmen.
Länderranking Europa (einschließlich Großbritannien und Türkei) August 2023
Bestnoten haben derzeit acht Länder: Deutschland, Dänemark, Liechtenstein, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Schweden und die Schweiz.
Als Staaten mit sehr guter, guter oder befriedigender Bonität gelten – siehe Tabelle – Belgien bis Ungarn (AA bis BBB).
B-Werte (Albanien, Bosnien, Griechenland, Mazedonien, Moldawien, Montenegro, Serbien und die Türkei) und darunter stehen für schlechte Bonität. Je schlechter die Note ist, desto höher sind die Unsicherheiten. Investoren tragen dort ein erhöhtes Risiko, es kann zu Ausfällen kommen.
Interessant sind eventuell noch die Ukraine und Russland. Am 23. Juni 2023 hat Fitch Ratings das Rating der Ukraine auf CC gesetzt.
Das letzte Rating von Fitch für Russland stammt vom 8. März 2022, als das Rating des Landes auf C herabgestuft wurde. Am 25. März 2022 zog die Fitch alle Ratings für Russland zurück, um den EU-Sanktionen zu entsprechen.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion