Tiktok schaltet sich in den USA ab – auch die EU geht gegen chinesische Apps vor
Unmittelbar vor Auslaufen einer Verkaufsfrist hat die Video-App Tiktok in den USA den Betrieb eingestellt. Nutzer bekamen am Samstagabend (Ortszeit) eine Warnmeldung zu sehen, in der es hieß, dass Tiktok vorerst nicht mehr nutzbar sei. Für den in China ansässigen Tiktok-Eigentümer Bytedance läuft heute die Frist ab, sich laut einem US-Gesetz von der App zu trennen. Die App zog aber schon vorher den Stecker.
Die Unterbrechung dürfte nur von kurzer Dauer sein. Der künftige US-Präsident Donald Trump stellte Tiktok bereits eine zusätzliche Frist von drei Monaten von Aussicht. Allerdings wird er erst am Montag als Präsident vereidigt.
Klare Lage nach US-Gesetz
Bytedance bekam nach dem US-Gesetz zur ausländischen Kontrolle über Online-Plattformen im vergangenen Jahr 270 Tage Zeit, sich von der Video-App zu trennen. Nach Ablauf der Frist muss Tiktok dem Gesetz zufolge aus den amerikanischen App-Stores von Apple und Google fliegen und den Zugang zu technischer Infrastruktur verlieren. Für US-Dienstleister, die Tiktok nach Ablauf der Frist weiter versorgen, sieht das Gesetz hohe Strafen von 5.000 Dollar pro Nutzer vor.
Die Regierung des scheidenden US-Präsidenten Joe Biden kündigte zwar an, man werde die Durchsetzung des Gesetzes Trump überlassen. Das sollte signalisieren, dass Verstöße von US-Unternehmen gegen das Gesetz nicht geahndet würden. Tiktok verlangte am Freitag aber direkte Zusicherungen der Regierung zumindest an die wichtigsten Tech-Dienstleister und kündigte an, ansonsten werde man die Plattform in den USA am Sonntag abschalten. Das Weiße Haus fand laut Medienberichten, dass man schon für genügend Klarheit gesorgt hatte.
„Suchtgefahr“: Erzwungenes Aus für TikTok als Warnschuss
Für Deutschland hätte ein Verbot von TikTok in den USA vorerst kaum nennenswerte Auswirkungen. Es würden aus den USA kommende Beiträge weniger, was entsprechend auch dazu führen kann, dass von dort kommende Trends weniger wahrgenommen werden. Allerdings erfährt der Dienst auch in Europa zunehmend Argwohn – und dies zieht Konsequenzen nach sich.
Zwar ist ein Verbot oder ein Zwangsverkauf von TikTok bislang weder auf EU-Ebene noch auf der Ebene der Mitgliedstaaten angedacht. Dennoch haben sowohl die EU-Kommission als auch einzelne Länder bereits Restriktionen mit Blick auf die Videoplattform verhängt.
Im August des Vorjahres hat die EU-Kommission die Betreiber des Dienstes angewiesen, das „Aufgaben- und Belohnungsprogramm“ TikTok Lite in den Mitgliedstaaten zu beenden. Brüssel warf dem Konzern „unzureichende Risikobewertung vor der Markteinführung“ und eine „potenzielle Suchtgefahr“ vor.
Bedenken über Datenschutz und Förderung sozialschädlichen Verhaltens
Wie in den USA sieht man auch in der EU zunehmend die Gefahr eines Datenmissbrauchs durch chinesische Sicherheitsdienste, die über ByteDance Zugriff auf Nutzerdaten erhalten könnten. Deshalb kam es auf EU-Ebene, aber auch in mehreren Mitgliedstaaten bereits zu einem Verbot für Spitzenbeamte, diese App auf Diensthandys zu installieren.
Neben dem Risiko von Spionage und Propaganda im Interesse der Führung in Peking sind es auch soziale Folgen der Nutzung, die TikTok in europäischen Ländern vermehrt in die Kritik bringen. Eine sogenannte Superman-Challenge sorgte erst jüngst für zum Teil schwere Verletzungen bei Kindern und Jugendlichen.
Nicht-EU-Land Albanien will eine temporäre Sperre, nachdem sich Jugendbanden über TikTok zu einer Schlägerei verabredet hatten. Ein 14-Jähriger starb dabei durch einen Messerstich. In all diesen Fällen wird der Dienst zum Adressaten von Vorwürfen, sozialschädlichen Verhaltensweisen nicht angemessen entgegenzuwirken.
Österreichische NGO geht gegen TikTok in Griechenland vor
In der EU läuft bereits seit knapp einem Jahr ein Verfahren auf der Grundlage des Digital Services Acts (DSA). Dabei will man das Gebaren von TikTok in mehreren Bereichen untersuchen. Einer davon ist der Verdacht mangelhafter Einhaltung von Vorschriften zum Jugendschutz. Darüber hinaus will man die von der Plattform ergriffenen Maßnahmen zum Schutz des „körperlichen und emotionalen Wohlbefindens“ junger Menschen überprüfen.
Im Rahmen des Verfahrens soll auch eruiert werden, inwieweit Videos auf TikTok Radikalisierungsprozesse unterstützen können. Weitere Elemente des DSA-Verfahrens sollen noch die Transparenz der Werbung auf TikTok und die Gewährleistung des Zugangs von Forschern zu TikTok-Daten sein. Seit August 2023 gehört TikTok zu den Plattformen, auf die das Gesetz Anwendung findet.
Neben der EU-Kommission und einzelnen Staaten gehen mittlerweile auch NGOs gegen TikTok vor. Wie der „Standard“ berichtet, hat die Vereinigung „None of Your Business“ (Noyb) des österreichischen Datenschutzaktivisten Max Schrems in fünf EU-Staaten bislang sechs Verfahren gegen Betreiber chinesischer Apps angestoßen.
Keine Grundlage für legale Datenübermittlung
Neben TikTok, gegen das nun in Griechenland wegen des Verdachts des Verstoßes gegen die Europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) anhängig ist, sind noch weitere Dienste betroffen. Dabei handelt es sich um die Onlineshops AliExpress, Shein und Temu, um den Messenger WeChat und um den Smartphone-Anbieter Xiaomi.
Der DSGVO zufolge dürfen persönliche Daten nur in Staaten außerhalb der EU transferiert werden, wenn dort der Datenschutz gewährleistet ist. China fällt nicht unter diese. Bislang hat Brüssel nur Andorra, Argentinien, Kanada, die Färöer, Guernsey, die Isle of Man, Israel, Jersey, Neuseeland, die Schweiz und Uruguay als sicher eingestuft.
Transparenzberichte von Xiaomi bestätigen nach Angaben der Beschwerdeführer, dass chinesische Behörden in der Praxis teils uneingeschränkten Zugriff auf persönliche Daten beantragen und erhalten. Xiaomi komme diesen Anfragen auch fast immer nach. Chinesische Gesetze verpflichten in China ansässige Unternehmen auch zur Kooperation.
Sollten die Beschwerden Erfolg haben, drohen den Diensten Geldbußen von bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Im Fall von TikTok wären dies etwa 644 Millionen US-Dollar.
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