Thyssenkrupp will grünes Milliardenprojekt stoppen – Habeck: „Kein guter Zustand“

Mit zwei Milliarden Euro wollten der Bund und das Land NRW den Bau einer Anlage für Grünen Stahl bei Thyssenkrupp subventionieren. Ein Viertel davon ist bereits geflossen. Nun stellt die neue Führung des Konzerns die Zukunftsfähigkeit von Grünem Stahl infrage.
Deutschlands größter Stahlerzeuger Thyssenkrupp Steel steht vor einem Umbau.
Deutschlands größter Stahlerzeuger Thyssenkrupp Steel steht vor einem Umbau.Foto: Oliver Berg/dpa
Von 7. Oktober 2024

Von „keinem guten Zustand“ spricht Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit Blick auf die „unversöhnliche Zuspitzung“ im Essener Stahlkonzern Thyssenkrupp. Im Vorjahr hatte Miguel Lopez den Konzern übernommen, im vergangenen Sommer brachte er erstmals den Teilverkauf der Stahlsparte ins Spiel. Nun steht ein Prestigeprojekt auf dem Spiel, für das sich Habeck persönlich vehement eingesetzt hatte: die Transformation der Hütten hin zur Produktion von sogenanntem Grünen Stahl mithilfe von Wasserstoff.

Konzernchef Lopez will den Bau der dafür erforderlichen Direktreduktionsanlage auf den Prüfstand stellen. Diese würde eine Gesamtinvestition von etwa drei Milliarden Euro erfordern. Zwei Milliarden davon sollen der Bund und das Land NRW beisteuern.

Neuer Stahlchef sieht trotz Subventionen keine Perspektive für Grünen Stahl

Der neue Stahlchef Dennis Grimm sieht den Bau der Einrichtung als solche dabei gar nicht mal als das Hauptproblem. Vielmehr regen sich in der Stahlsparte erhebliche Zweifel an der langfristigen Konkurrenzfähigkeit von Grünem Stahl auf dem Weltmarkt.

Trotz der in Aussicht gestellten Anfangssubvention, von der bereits 500 Millionen Euro geflossen seien, sieht man es als ungewiss an, ob Erträge aus der Stahlproduktion für die Rückzahlung von zwei Milliarden Euro ausreichen würden. Entsprechend berichtet das „Handelsblatt“, dass mittlerweile ernsthaft über einen Baustopp der Anlage nachgedacht wird.

Zumindest sieht eines von vier Szenarien, die der Vorstand derzeit diskutiere, eine solche Variante vor. Dies will das Blatt von Quellen aus dem Unternehmen selbst erfahren haben. Allerdings steht die Freigabe der in Aussicht gestellten Mittel durch Bund und NRW unter dem Vorbehalt, dass perspektivisch mithilfe der Anlage Grüner Stahl in Deutschland produziert werde.

Ausstieg wäre für Thyssenkrupp mit hohen zusätzlichen Kosten verbunden

Ein möglicher Baustopp würde dem Konzern selbst erhebliche Kosten bereiten. Offene Rechnungen für bereits erbrachte Leistungen müsste er in jedem Fall bezahlen, dazu kommen mögliche Ausfallzahlungen oder sogar Vertragsstrafen gegenüber dem Anlagenbaukonzern SMS Group. Darüber hinaus müssten wohl auch die bis dahin ausbezahlten 500 Millionen Euro an Bund und Land NRW zurückbezahlt werden.

Die Stahlsparte steht dem Bericht zufolge in Gesprächen mit dem Mutterkonzern, mit dem Ziel, diesen zu einer möglichen Haftungszusage zu bewegen. Trotz der absehbaren Mehrkosten und frustrierten Aufwendungen könnte man im Vorstand zu der Einschätzung gelangen, dass die Umsetzung des Projekts rund um den „Grünen Stahl“ dauerhaft weniger lukrativ wäre. Ursprünglich sollte die Anlage im Jahr 2027 in Betrieb gehen.

Aus dem Konzern hieß es nun, man prüfe „fortlaufend technologie- und ergebnisoffen, was die besten und wirtschaftlich tragfähigsten Lösungen unter den jeweils gegebenen Rahmenbedingungen sind, um den Stahlbereich von Thyssenkrupp langfristig klimaneutral aufzustellen“. Zum derzeitigen Zeitpunkt gehe man davon aus, das Projekt umsetzen zu können.

Joint Venture mit tschechischem Milliardär Křetínský angedacht

Allerdings habe der Vorstand den Aufsichtsrat über eine zu erwartende Kostensteigerung in Kenntnis gesetzt. Wie „Bloomberg“ erfuhr, geht man nicht von einer Erhöhung der Subventionen durch Bund und Länder im Angesicht dieser Entwicklung aus. Derzeit sind in Deutschland 27.000 Menschen bei Thyssenkrupp beschäftigt, davon mit 13.000 der größte Teil in Duisburg.

Konzernchef Lopez liebäugelt mit einer Verringerung der Produktionskapazitäten. Ein Gedanke, mit dem Lopez sich trägt, ist ein mögliches Joint Venture mit dem tschechischen Milliardär Daniel Křetínský und dessen Energieholding. Křetínský war bereits im Vorjahr mit 20 Prozent in die Stahlsparte eingestiegen. Bei dem möglichen Joint Venture hätte Thyssenkrupp selbst möglicherweise nur noch 50 Prozent der Anteile.

Thyssenkrupp hatte im Laufe dieses Jahres bislang dreimal die Prognose für das Gesamtjahr gesenkt. Im Sommer hatten mehrere Top-Manager ihren Rücktritt erklärt, unter ihnen auch Ex-Vizekanzler Sigmar Gabriel.

Thyssenkrupp diskutiert drei mögliche Alternativen

Die Wirtschaftskrise, eine schlechte Auftragslage und hohe Energiepreise haben den Konzern stark belastet. Das Nettoergebnis von Thyssenkrupp zwischen Oktober und November 2023 betrug minus 314 Millionen Euro. Im Jahr zuvor war man noch mit 75 Millionen Euro in der Gewinnzone gelandet.

Thyssenkrupp Steel-Chef Dennis Grimm hat nun „harte Einschnitte“ angekündigt, um das Unternehmen wieder profitabel zu machen. Auch mit einem Stellenabbau sei zu rechnen.

Was die „klimafreundliche Transformation“ anbelangt, diskutiert man drei mögliche Alternativen zu der von Bund und Land NRW geförderten Direktreduktionsanlage. Eine wäre eine solche Anlage in Kombination mit einem sogenannten Elektrolichtbogenofen. Auch ein Schmelz-Reduktionsofen (SAF), eine Sonderform eines solchen, könne zum Einsatz kommen. Die vierte Variante wäre eine vollständige Aufstellung über Elektrolichtbogenöfen.



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