Tesla: Diebstahl von 100 GB Daten – Autonomes Fahren weit von Umsetzung entfernt

Mehr als 100 GB an sensiblen Daten von Tesla sind illegal an Medien gelangt. Sie beinhalten Details zu Unfällen beim autonomen Fahren und Autopilot-Problemen.
Tesla will rechtliche Schritte gegen einen verdächtigten Ex-Mitarbeiter einleiten.
Tesla will rechtliche Schritte gegen einen verdächtigten Ex-Mitarbeiter einleiten.Foto: Christophe Gateau/dpa
Von 27. Mai 2023

Mehr als 100 Gigabyte (GB) an Daten sind auf offenbar illegale Weise aus dem Bestand des US-Autokonzerns Tesla abgeflossen. Sie sollen etwa 23.000 Dateien umfassen, die zum Teil sensible Daten enthalten. Neben persönlichen Informationen über Mitarbeiter sind auch häufig als vertraulich gekennzeichnete Dokumente enthalten. Einige betreffen auch Probleme mit Cybertrucks oder dem Autopiloten. Autonomes Fahren scheint noch auf absehbare Zeit eine Risikotechnologie zu bleiben.

Tesla hat bereits Anzeige erstattet

In mehreren Ländern, darunter auch in Deutschland, nehmen Datenschuzbehörden Tesla wegen des Datenabflusses ins Visier. Der Konzern selbst geht davon aus, dass sich ein früherer Mitarbeiter mit hoher krimineller Energie Zugriff auf die Informationen verschafft hat. Eine Anzeige soll in den Niederlanden, wo die Europazentrale von Tesla beheimatet ist, bereits erfolgt sein. Das „Handelsblatt“ entschloss sich dennoch, die von einem „Informanten“ zugespielten Daten zu sichten und auszuwerten.

Dem Bericht der Zeitung zufolge soll vor allem der Autopilot in Tesla-Modellen einen erheblichen Risikofaktor darstellen. Zwischen 2015 und März 2022 sollen Kunden in etwa 3.000 Fällen Meldungen zu sicherheitsrelevanten Vorfällen erstattet haben.

Es habe demnach mehr als 1.000 Unfälle mit Tesla-Modellen gegeben. In mehr als 2.400 Fällen sprachen Kunden von unmotivierten Selbstbeschleunigungen, mehr als 1.500-mal hätten Bremsfunktionen fehlerhaft agiert. In 139 Fällen habe ein Tesla-Modell eine ungewollte Notbremsung hingelegt. Die Zahl der Phantombremsungen infolge unbegründeter Kollisionswarnungen lag demnach bei 383.

Tesla hatte offenbar selbst das Problem einiger Modelle mit sogenannten Phantombremsungen erkannt. So habe man nicht weniger als 14.000 Testfahrten dokumentiert, in denen die KI parkende Autos oder sogar Schatten mit Hindernissen verwechselt habe.

Mehr als 40.000 Verkehrstote jährlich in den USA

Die Vorfälle sollen sich hauptsächlich in den USA, aber auch auf ausgewiesenen Teststrecken etwa in der Schweiz abgespielt haben. Sie sollen zu Karambolagen, Auffahrunfällen, Kollisionen mit Betonpollern oder Fahrten in den Straßengraben geendet haben. In einigen Fällen habe es auch Todesopfer gegeben. In diesem Zusammenhang seien auch Zivilklagen gegen Tesla anhängig.

Zur Einordnung der Zahlen scheint der Hinweis relevant, dass Tesla in besagtem Zeitraum rund 2,6 Millionen Fahrzeuge ausgeliefert hat, die über Autopilot-Software verfügen. Die Gesamtzahl der jährlichen Verkehrsunfälle in den USA beträgt etwa fünf Millionen Unfälle. Die Zahl der Todesopfer pro Jahr hatte Mitte der 2010er-Jahre erstmals die Zahl von 40.000 überschritten.

Dennoch zeigen die Daten, die sich den sogenannten Tesla-Files entnehmen lassen, dass hochautomatisiertes oder autonomes Fahren noch eine Risikotechnologie darstellt. Tesla setzte bezüglich der Gefahrenerkennung lange auf Kameraerkennung und Künstliche Intelligenz. Konkurrenten bevorzugten etwa Radar- oder Lasertechnik. Zuletzt hatte sich auch Tesla-CEO Elon Musk dazu entschlossen, die Radartechnologie in seine Produktentwicklung wieder einzubinden.

Tesla an der Spitze der Unfallstatistik – wegen fortgeschrittener Meldesysteme

Seit Juni 2021 gilt in den USA eine Meldepflicht von Unfällen mit Fahrzeugen, die über teilautomatisierte Funktionen verfügen. Die US-Transportbehörde NHTSA erhielt „Golem.de“ zufolge bislang insgesamt 392 Unfallberichte von allen Autoherstellern. Davon entfiel der Löwenanteil mit 273 auf Tesla, in 90 Fällen wären Honda-Modelle involviert gewesen. Sechs Unfälle seien tödlich verlaufen, in fünf habe es schwere Verletzungen gegeben.

Die Behörde erklärte dazu jedoch, dass die Statistik nicht als repräsentativ anzusehen sei. Die Vielzahl der gemeldeten Vorfälle mit Tesla-Bezug habe auch damit zu tun, dass das Unternehmen über fortgeschrittene Systeme zur Datenaufzeichnung und Telemetrie verfüge. Diese seien eher in der Lage, Unfälle zu registrieren und weiterzumelden.

Bei anderen Fahrzeugtypen würden Unfälle etwa mit Level-2-Modellen demgegenüber oft nicht gemeldet. Einige Fahrer aktivierten die entsprechenden Systeme auch nicht immer. Auch Doppelmeldungen seien möglich – wenn sowohl der Hersteller als auch Anbieter von Assistenzsystemen Bericht erstatteten.

Im Bereich der vollautomatisierten Kraftfahrzeuge liegen Google-Tochter Waymo, das französische Modell Transdev und Cruise von GM an der Spitze bei den Meldungen. Im Bereich der Automatisierung gibt es bei Kraftfahrzeugen fünf Stufen. Diese reichen vom lediglich assistierten bis hin zum vollständig autonomen Fahren.

Komplexität und Unvorhersehbarkeit überfordert KI auch im Straßenverkehr

Wie auch in anderen Bereichen ist auch in der Mobilität „Künstliche Intelligenz“ keine Intelligenz im eigentlichen Sinne. Die dort eingesetzte KI beruht auf komplexen stochastischen Modellen, die vorhandene Informationen abrufen kann. Nach einem definierten Algorithmus berechnet sie mögliche Reaktionen auf diesen Informationsstand.

Verkehrssituationen sind dabei häufig so komplex und wenig vorhersehbar, dass auch eine ausgereifte KI sie nicht immer vollständig und adäquat erfassen kann. Dies setzt auch der Hoffnung auf vollständiges autonomes oder zumindest vollautomatisiertes Fahren Grenzen.

Die Automatisierung des Verkehrsgeschehens soll der Verkehrssicherheit dienen. Menschliche Fehler sind eine der Hauptursachen für Verkehrsunfälle, autonomes Fahren könnte diese Fehler reduzieren und so die Anzahl der Unfälle verringern. Zudem könnte autonomes Fahren den Verkehrsfluss optimieren, indem es den Abstand zwischen Fahrzeugen optimiert und so Staus reduziert.

Autonomes Fahren vorerst nur in begrenzten Bereichen realistisch

Ein weiterer potenzieller Vorteil ist die erhöhte Effizienz des Straßenverkehrs. Durch die Kommunikation zwischen autonomen Fahrzeugen könnten diese kooperativ agieren. Dies könnte zu einem verbesserten Verkehrsfluss und einer Reduzierung des Energieverbrauchs beitragen. Zudem könnte autonomes Fahren den Zugang zum Individualverkehr erleichtern. Menschen, die nicht selbst fahren können oder möchten, hätten eine zusätzliche Aussicht auf individuelle Mobilität.

Realistisch betrachtet ist es derzeit möglich, bestimmte Stufen des autonomen Fahrens zu erreichen. Bereits heute gibt es Fahrzeuge mit fortgeschrittenen Fahrerassistenzsystemen, die in bestimmten Situationen die Kontrolle übernehmen können. Allerdings betrifft dies begrenzte Bereiche, wie das automatische Einparken oder das Halten der Spur auf der Autobahn.

Die größten Fortschritte erwarten Experten auch künftig in gut definierten Umgebungen und spezifischen Anwendungsbereichen. Dies umfasst auch den öffentlichen Nahverkehr oder den Güterverkehr. Dort könnte vollständig autonomes Fahren im Alltag nach derzeitigem Stand noch an ehesten zur Realität werden.



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