Tesla: Auffallend hoher Krankenstand, Drohungen gegen kranke Mitarbeiter

Außergewöhnlich hoch sind die Krankenstände in der Teslafabrik in Grünheide. Die Werksleitung zeigt wenig Toleranz – und droht den Mitarbeitern mit drastischen Konsequenzen. Was sind die Gründe für die vielen Ausfälle?
Tesla: Extrem hoher Krankenstand, Drohunugen gegen kranke Mitarbeiter
Die Teslafabrik bei Berlin. Hier sollen schwere Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter herrschen.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 16. Oktober 2023

Die Teslafabrik in Grünheide bei Berlin muss erneut Vorwürfe über sich ergehen lassen. Die dortige Werksleitung soll häufiger krankgeschriebene Mitarbeiter stark unter Druck gesetzt haben.

Der US-Autokonzern hat nach Medienberichten krankgeschriebenen Mitarbeitern schriftlich gedroht, diesen keinen Lohn mehr auszuzahlen – oder sie zu kündigen. Um das zu verhindern, sollten die betroffenen Arbeiter ihre ärztliche Diagnose offenlegen und ihre Ärzte von der Schweigepflicht entbinden, wie „Focus“ berichtet.

Zu hohe Arbeitsanforderungen?

Die Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) kenne gut ein Dutzend solcher Fälle, bestätigte Dirk Schulze, Bezirksleiter für Berlin, Brandenburg und Sachsen. „Wir gehen davon aus, dass dieses Vorgehen gängige Praxis ist, wenn Beschäftigte häufiger krank waren.“

Die Krankenstände bei Tesla seien mit 30 Prozent und mehr außergewöhnlich hoch. Im ersten Halbjahr 2023 lag der durchschnittliche deutschlandweite Krankenstand bei 5,5 Prozent, was laut dem IGES Institut schon ungewöhnlich viel ist. Im Vorjahreshalbjahr betrug der Wert noch 4,4 Prozent.

Ein Grund könnten die hohen Arbeitserwartungen von Firmenchef Elon Musk sein, wie „Merkur“ berichtet. Dem Multimilliardär wird nachgesagt, ein Arbeitstier zu sein. Bis zu 100 Stunden pro Woche seien da keine Seltenheit. Von seinen Mitarbeitern scheint er Ähnliches zu erwarten. Nach seiner Übernahme der Plattform X (früher Twitter) forderte er seine Mitarbeiter auf, eine „extrem Hardcore“-Arbeitskultur zu übernehmen. Konkret bedeutet das für viele wohl eine 80-Stunden-Woche.

Bereits im Jahr 2017 teilte der Mitarbeiter Juan Maldonado seine außergewöhnliche Erfahrung aus einem US-amerikanischen Teslawerk mit, berichtete damals die „Wirtschaftswoche“. Er sagte: „In einem Zeitraum von insgesamt zehn Monaten mussten wir bis zu 72 Stunden die Woche arbeiten“, erzählt der Monteur. Sechs Tage in der Woche in 12-Stunden-Schichten schraubte er Akkus in die Tesla-S- und -X-Modelle.

Verdacht auf „Nötigung oder Erpressung“

Auch in der deutschen Gigafabrik bei Grünheide werden hohe Arbeitsanforderungen vermutet, was den sehr hohen Krankenstand erklären würde. Laut dem Arbeitsrechtler Sven Jürgens ist das Vorgehen des Autobauers nicht rechtens, wie HNA berichtet.

Es dränge „sich der Verdacht auf, dass sogar der Straftatbestand einer Nötigung oder Erpressung erfüllt sein könnte.“ Ärztliche Diagnosen seien personenbezogene Daten und unterlägen dem Datenschutz, so der Experte.

Mehr als 1000 Beschäftigte von Tesla habven nach Angaben der IG Metall in der Fabrik in Grünheide gemeinsam bessere Arbeitsbedingungen eingefordert.

Mehr als 1.000 Beschäftigte von Tesla haben nach Angaben der IG Metall in der Fabrik in Grünheide gemeinsam bessere Arbeitsbedingungen eingefordert. Foto: Patrick Pleul/dpa

Tesla weist Vorwürfe zum Arbeitsschutz zurück

Am Arbeitsschutz sollen die hohen Krankenstände nicht liegen, Tesla hält Vorwürfe eines mangelnden Arbeitsschutzes in seiner Fabrik in Grünheide nicht für zutreffend. „Für uns als Gigafactory Berlin-Brandenburg steht der Gesundheitsschutz unserer Mitarbeiter an oberster Stelle und damit auch die Arbeitssicherheit“, hieß es beim Unternehmen auf Anfrage.

Alle Arbeitsplätze würden anhand standardisierter Gefährdungsbeurteilungen bewertet. Die Maßnahmen, die sich daraus ergäben, würden umgesetzt. Alle Mitarbeiter hätten die nötige Arbeits- und Sicherheitskleidung und würden zu Schutzmaßnahmen geschult.

Der „Stern“ hatte Ende September von auffallend vielen Arbeitsunfällen in der Teslafabrik in Grünheide bei Berlin berichtet. Tesla habe 190 meldepflichtige Unfälle zwischen Juni und November 2022 angegeben. Die Berufsgenossenschaft Holz und Metall erklärte auf dpa-Anfrage, dass 2022 statistisch bei Autoherstellern und Zulieferern 16 meldepflichtige Unfälle je 1.000 Beschäftigte auftraten.

Würde die Mitarbeiterzahl von Tesla für Mai 2022 von rund 4.000 Beschäftigten zugrunde gelegt, wären statistisch gesehen 64 meldepflichtige Unfälle normal – deutlich weniger als die vom „Stern“ recherchierten 190. Die Genossenschaft nannte aber keine konkreten Zahlen für Tesla.

Viele Klagen über schlechte Arbeitsbedingungen

Tesla erklärte, qualifiziertes Personal analysiere und bewerte die Unfälle. Dann würden entsprechende Vorsichtsmaßnahmen oder notwendige Änderungen umgesetzt. Die Einhaltung der Arbeitssicherheitsmaßnahmen in der gesamten Fabrik werde häufig und regelmäßig von den zuständigen Behörden überprüft. Die oppositionelle Linksfraktion im Brandenburger Landtag will die Zahl der Arbeitsunfälle in der Teslafabrik kommende Woche in einer Aktuellen Stunde des Landtags zum Thema machen.

Nach Angaben der IG Metall klagen zahlreiche Tesla-Beschäftigte in Gesprächen mit der Gewerkschaft über schlechte Arbeitsbedingungen. Sie schätzen demnach die Arbeitsbelastung wegen kurzer Taktzeiten, Personalmangels und überzogener Produktionsziele als extrem ein. Die IG Metall sprach von einer „Atmosphäre der Angst“, was Tesla zurückwies.

Die Fabrik in Grünheide in Brandenburg eröffnete im März 2022. Dort arbeiten nach jüngsten Angaben des Unternehmens etwa 11.000 Beschäftigte.

(Mit Material der Agenturen)



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