TenneT-Deal scheitert an „Haushaltsproblemen“ – Habeck will alternative Lösungen sondieren

Trotz jahrelanger Verhandlungen ist es der Bundesregierung nicht gelungen, die Niederlande von einem Verkauf des Deutschland-Geschäfts ihres Stromnetzbetreibers TenneT zu überzeugen. Minister Habeck erhoffte sich davon Synergieeffekte. Nun muss er einen Plan B entwickeln.
Der niederländische Stromnetzbetreiber Tennet
Der niederländische Stromnetzbetreiber TenneTFoto: Nicolas Armer/dpa
Von 21. Juni 2024

Einen Dämpfer hat die Bundesregierung bei einem Projekt zu verzeichnen, das sie als zentral für die Finanzierung der Energiewende betrachtet hat. Aus den derzeit auf dem deutschen Markt präsenten Übertragungsnetzbetreibern TenneT, 50Hertz, Amprion und TransnetBW sollte eine einheitliche „Deutsche Netz AG“ entstehen. Deren Aufgabe sollte der Ausbau der Übertragungsnetze sein.

Die Schwerpunktaufgabe von TenneT sollte dabei die Sicherstellung des Transports in Norddeutschland generierter Offshore-Windenergie in den Süden darstellen. Sie gilt als eine der größten Herausforderungen im Kontext einer effizienten bundesweiten Energieversorgung. Derzeit erzeugen norddeutsche Windkraftwerke häufig mehr Strom als kurzfristig nutzbar gemacht werden kann. Gleichzeitig kommt es häufig zur Unterversorgung mit erneuerbarem Strom in den stark industrialisierten Ballungsgebieten West- und Süddeutschlands.

TenneT brachte Verkauf von sich aus ins Spiel

Die deutsche TenneT-Tochter TSO GmbH in Bayreuth betreibt ein Höchstspannungsnetz im Umfang von 13.559 Kilometern. Mehr als 10.000 davon sind Freileitungen, der Rest besteht aus Erdkabeln. TenneT Deutschland betreibt auch 136 Umspannwerke in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bremen, Hessen, Bayern und NRW. Die Muttergesellschaft in Arnheim steht zu 100 Prozent im Eigentum des niederländischen Staates.

TenneT Deutschland sah sich mit der Finanzierung der ambitionierten Ausbaupläne für das Stromnetz durch den Bund zunehmend überfordert. Auch deshalb hatte das Unternehmen von sich aus im Februar 2023 einen Verkauf seines deutschen Übertragungsnetzes ins Spiel gebracht. Der Bund sollte dieses übernehmen, so das Konzept, das im Grundsatz auch von diesem selbst für sinnvoll gehalten wurde.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck versprach sich Synergieeffekte für den Fall einer Zusammenfassung aller vier bestehenden Netzbetreiber in Deutschland zu einer „Deutsche Netz AG“. Der Bund sollte über ein solches Konstrukt Anteile an allen vier Unternehmen halten, die derzeit das insgesamt 37.000 Kilometer lange Stromnetz des Landes unterhalten. Die Verhandlungen mit den Niederlanden hatte im Auftrag des Bundes die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) geführt.

Gesamter Investitionsbedarf bis 2045 auf etwa 320 Milliarden Euro geschätzt

Nun musste der Bund jedoch die Segel streichen – und machte eigene Haushaltsengpässe geltend. Minister Habeck nannte es „sehr schade und sehr bedauerlich“, dass eine politische Lösung zur Bildung eines entsprechenden Kapitalstocks nicht gefunden werden konnte. Der Minister äußerte sich am Donnerstag, 20. Juni, am Rande einer Ostasienreise von der südkoreanischen Hauptstadt Seoul aus.

Habeck zeigte sich sicher, dass die angestrebte Lösung zu einer Senkung der erheblichen Stromkosten in Deutschland hätte beitragen können. Vor allem Unternehmen aus energieintensiven Branchen sowie Mittelständler hatten dem Land zuletzt aufgrund der Energiekosten zunehmend den Rücken gekehrt. Auch eine Stützung des Wachstums durch die Binnenkaufkraft blieb aus, weil der Konsum aufgrund der hohen Lebenshaltungskosten ebenfalls stockt.

Wie das Magazin „Capital“ berichtet, geht die Bundesnetzagentur bis zum Jahr 2045 mit einem gesamten Investitionsbedarf in das deutsche Stromnetz in Höhe von etwa 320 Milliarden Euro aus. Die Kosten für den Ausbau bezahlen derzeit die Stromkunden in Form einer Umlage über die Netzentgelte.

TenneT wollte eigene Überforderung durch deutsche Energiewendekosten vermeiden

Allein für die nächsten zehn Jahre hatte TenneT einen eigenen Investitionsbedarf in Höhe von bis zu 160 Milliarden Euro erwartet, den größten Teil davon in Deutschland. Die Niederlande strebte eine Trennung von ihren Anteilen am deutschen Übertragungsnetz an, um eine Beteiligung an diesen Kosten zu vermeiden.

TenneT selbst führte in seinem Geschäftsbericht über das Jahr 2023 aus, dass sowohl Den Haag als auch Berlin es vorzögen, lediglich den Ausbau ihrer eigenen nationalen Strominfrastruktur zu finanzieren.

Der nunmehr geplatzte Deal sorgt auch in den Niederlanden für eine Haushaltslücke in Höhe von etwa 1,6 Milliarden Euro. Dies geht aus einem Schreiben des zuständigen niederländischen Finanzministers Steven van Weyenberg an das Parlament in Den Haag hervor.

Nun will Minister Habeck „halt noch mal von vorne nachdenken“, wie es gelingen könnte, die Netzbetreiber unter einem Dach zu vereinen – und mit ausreichend Kapital zu versorgen. In einem ersten Schritt will die TenneT Holding sich selbst nach möglichen öffentlichen und privaten Investoren für ihr deutsches Standbein auf den Kapitalmärkten umsehen.

Keine kurzfristigen Lösungen in Sicht

Der Bund hat seine grundsätzliche Bereitschaft erklärt, den Konzern dabei zu unterstützen. Die Möglichkeit einer strategischen Minderheitsbeteiligung an TenneT Deutschland solle dabei kein Tabu darstellen.

Die Ampel könnte auch andere Optionen ins Auge fassen, um einen schnelleren und effizienteren Ausbau der Netzinfrastruktur zu ermöglichen. Dazu gehören Verhandlungen mit den übrigen Netzbetreibern ebenso wie öffentliche Investitionen oder Gespräche mit Nachbarländern über grenzüberschreitende Stromnetze.

Das Problem daran: Öffentliche Investitionen dürften erst recht ihre Grenzen an der Haushaltssituation finden. Und alle anderen Möglichkeiten würden einen erneuten Gesprächsmarathon erfordern, der vor Ende der laufenden Legislaturperiode kaum zu einer realistischen Lösung führen dürfte.



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