Stunde der Wahrheit: Wie hoch wird die Zahl der Privatinsolvenzen im Corona-Jahr?
Die Zahl der Privatinsolvenzen in Deutschland könnte noch in diesem Jahr unter dem Eindruck der Corona-Krise auf 100.000 steigen. Dies entspräche einem Zuwachs von 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Wie die „Welt“ berichtet, seien Schuldnerberatungen, seit die Möglichkeit persönlicher Terminvereinbarung wieder möglich ist, landesweit auf Monate ausgebucht.
Frank Schlein, Chef der Auskunftei Crif Bürgel, meint: „Es zeichnet sich ab, dass es mehr Privatinsolvenzen in Deutschland geben wird.“ Auch Kerstin Föller, Rechtsanwältin und Insolvenzexpertin der Hamburger Verbraucherzentrale, rechnet „fest damit, dass es zu mehr Fällen kommt“.
Dreimal so viel Kurzarbeit wie 2009
Zwar sei es schwierig, auf der Basis von Statistiken konkrete Schätzungen vorzunehmen, da es eine vergleichbare Situation zuvor noch nicht gegeben habe. Dennoch sei vor allem in den kommenden Monaten von einem deutlichen Anstieg zahlungsunfähiger Haushalte auszugehen.
Einer der Gründe dafür sei, dass die Schuldenlast in den kommenden Monaten erheblich ansteigen werde. Nicht jeder sei bereits wieder zurück in der Verdienstsituation von vor der Krise. Die Aufschubsfrist für gestundete Mieten und Kreditraten infolge des Corona-Lockdowns ende, die Schuldner müssten nun neben ihren laufenden Zahlungen auch die Rückstände berichtigen.
Zudem sei eine deutliche Erholung auf dem Arbeitsmarkt noch nicht absehbar. Mit Anträgen auf Kurzarbeit für 10,1 Millionen Menschen für die Monate März und April ist die Zahl der davon Betroffenen mehr als dreimal so hoch wie im gesamten Jahr 2009, als die Folgen der weltweiten Finanzkrise bewältigt werden mussten.
Trotz der Möglichkeiten, die Wirkung der Krise durch Kurzarbeit abzufedern, sei auch die reguläre Arbeitslosigkeit deutlich gestiegen – laut Bundesagentur für Arbeit von April auf Mai um 169.000 auf 2,813 Millionen. Gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres ist das ein Plus von 577.000 Personen.
Für viele Solo-Selbstständige ist Corona-Krise noch nicht zu Ende
Informationen aus Stadtverwaltungen zufolge sei auch die Zahl der Wohngeldanträge auf das Doppelte und zum Teil sogar Dreifache gestiegen. Erfahrungsgemäß werde Wohngeld in einer Situation beantragt, in der laufende Verbindlichkeiten nur noch mit Mühe bewältigt werden könnten. Der nächste Schritt sei die aufstockende Sozialhilfe.
Auch Solo-Selbstständige, deren Aufträge in der Corona-Krise zurückgingen, seien in überdurchschnittlichem Maße gefährdet, in die Privatinsolvenz zu schlittern. Neben Dozenten oder Nachhilfelehrern, deren Durststrecke in absehbarer Zeit ändern wird, geht für Schausteller, Gastronomen oder Musiker die Durststrecke weiter. Volksfeste werden auch im Herbst noch ausfallen, Messen und Großveranstaltungen finden bis auf Weiteres ebenfalls nicht statt.
Am Ende einer Privatinsolvenz zehn Jahre Wartefrist bis zur möglichen nächsten
Das Konjunkturpaket der Bundesregierung verspricht zumindest insofern Erleichterung, als die „Wohlverhaltensphase“ im Privatinsolvenzverfahren, die üblicherweise sechs Jahre dauert, auf drei Jahre verkürzt werden soll. Die Schuldner werden auf diese Weise schneller von ihren Schulden befreit, allerdings müssen sie alle zumutbaren Vermögenswerte der Verwertung zuführen und dürfen nur bis zur Höhe der Pfändungsfreigrenze von derzeit 1.179 Euro über eigene Einkünfte verfügen.
Ist das Privatinsolvenzverfahren abgeschlossen, dauert es zehn Jahre, bis wieder eines beantragt werden kann. Mit um die 140.000 eingeleiteten Schuldenregulierungsverfahren waren die Jahre 2007 – drei Jahre nach Einführung von Hartz IV – und 2010 sowie 2011 bislang die Jahre mit den meisten Privatinsolvenzen.
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