Stornierte Aufträge und fehlende Neuaufträge: Habeck spricht von „geplanter Krise“

Neue Zahlen des Statistischen Bundesamtes verdeutlichen, in welcher schweren Krise die Baubranche im Moment steckt. Die Branche hofft deshalb auf Hilfe von der Politik. Auf dem Wohnungsbau-Tag 2024 hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eine zynische Botschaft an die Wohnungswirtschaft.
Robert Habeck will das Klimaziel 2030 unbedingt einhalten.
„Wir müssen da jetzt durch“, lautet die Botschaft von Wirtschaftsminister Habeck an die Branche.Foto: Britta Pedersen/dpa
Von 20. April 2024

Das Ende der Baubranche ist noch lange nicht in Sicht. Das zeigen die am letzten Donnerstag, 18. April, veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes: Der Abwärtstrend bei den Baugenehmigungen für neue Wohnungen setzte sich auch im Februar fort. Ihre Zahl sank um 18,3 Prozent oder 4.100 im Vergleich zum Vorjahresmonat auf 18.200. Im Vergleich zum Februar 2022 gab es sogar einen Einbruch von 35,1 Prozent. Teure Materialien und gestiegene Finanzierungskosten schrecken viele potenzielle Häuslebauer und Investoren ab.

Die Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser sind in den ersten beiden Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich um 35,1 Prozent auf 6.100 gesunken. Bei Zweifamilienhäusern verzeichnete das Statistische Bundesamt ein Minus von 15,4 Prozent auf 2.200 Genehmigungen. Auch bei Mehrfamilienhäusern, der Gebäudekategorie mit den meisten Genehmigungen, gab es einen deutlichen Rückgang um 21,5 Prozent auf 18.600.

Kampf mit stornierten Aufträgen

Eine Verbesserung der Situation ist derzeit nicht in Sicht. Fast jedes fünfte Unternehmen im deutschen Wohnungsbau hat mit stornierten Aufträgen zu kämpfen, wie eine Umfrage des Münchner ifo Instituts ergab. Im März berichteten 19,6 Prozent der befragten Unternehmen von stornierten Aufträgen. „Die Lage im Wohnungsbau bleibt weiterhin angespannt“, so Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo-Umfrage. „Zusätzlich zu den Stornierungen gibt es zu wenig neue Aufträge.“ Im selben Monat klagten 56,2 Prozent der Unternehmen über einen Mangel an neuen Aufträgen.

Es sind keine ermutigenden Aussichten für die Branche. Das wurde auch am Wohnungsbau-Tag 2024 deutlich, zu dem sich die Bauwirtschaft am 11. April traf. Mit drastischen Worten machten die Branchenvertreter deutlich, dass etwas passieren muss. „Der Kipppunkt ist erreicht“, sagte beispielsweise Katharina Metzger vom Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB). Seit nun mehr als einem Jahr steht die Baubranche so unter Druck, dass sie sich Unterstützung der Politik in Berlin wünscht. Gespannt schaute man deshalb auf die Auftritte von Bauministerin Klara Geywitz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). 

Bauen zukünftig einfacher und günstiger machen

Geywitz stellte den Anwesenden eine Vereinfachung bei den Vorschriften und Bürokratieabbau in Aussicht. „Viele dieser Vorschriften sind nicht notwendig, um ein gutes und sicheres Haus zu bauen“, so die Ministerin. Zusammen mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) wolle sie zeitnahe rechtliche Änderungen zur Einführung eines Gebäudetyps E auf den Weg bringen. 

In der Baubranche taucht zunehmend der Begriff „Gebäudetyp E“ auf. Das „E“ steht sowohl für einfach als auch für experimentell. Es geht darum, innovative Ansätze zur Kostensenkung im Bauwesen zu erkunden. Im letzten Jahr fand dieser Begriff sogar Eingang in den 14-Punkte-Plan der Bundesregierung

„Bauen muss zukünftig einfacher, schneller und günstiger werden. Dazu soll das Bauen im Sinne des Gebäudetyps E befördert werden, indem die Vertragspartner Spielräume für innovative Planung vereinbaren, auch durch Abweichen von kostenintensiven Standards. Die Länder beabsichtigen, dazu Änderungen der Musterbauordnung und der Landesbauordnungen vorzunehmen. Die Bundesregierung wird – in Absprache mit den Partnern des Bündnisses – eine ‚Leitlinie und Prozessempfehlung Gebäudetyp E‘ bis Ende des Jahres vorlegen, um dafür zu sorgen, dass für die Beteiligten vereinfachtes Bauen rechtssicher gelingen kann“, heißt es dazu in Punkt 8 des Papiers.

Die Baubranche unterstützt das Vorhaben der Ampelregierung. Auf dem Wohnungsbau-Tag stellte die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (ARGE) eine Studie vor, die zeigte, wie ein solcher Gebäudetyp die Baukosten um über 30 Prozent senken könnte. 

Habeck: „Da müssen wir durch“

Zynischer wurde der Auftritt des Wirtschaftsministers. Habeck sprach in seiner Ansprache von der volkswirtschaftlichen und sozialen Bedeutung der Branche. „Ohne eine Wohnungswirtschaft im Aufschwung oder unter Last kann kein ökonomischer Aufschwung gelingen“, betonte Habeck. Zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) hingen direkt an dieser Branche, so Habeck weiter.

Dann erinnerte Wirtschaftsminister Habeck daran, dass die Krise, in der sich die Branche im Moment befinde, „zynisch gesprochen, geplant war“. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und den darauffolgenden wirtschaftlichen Turbulenzen habe sich die Europäische Zentralbank (EZB) gezwungen gesehen, die Leitzinsen zu erhöhen, um der Inflation entgegenzuwirken. Dass dadurch Investitionen zurückgehalten würden, war beabsichtigt und habe sich nun bestätigt. „Die Leidtragenden sind Sie. Aber da müssen wir durch“, resümierte Habeck. „Diese schmerzhafte Operation war aber auch erfolgreich, und ich denke, wir sind bald durch. Es wird aber jetzt ein bisschen dauern, das ist die ehrliche Antwort“, so der Wirtschaftsminister. Subventionen erteilte Habeck ebenso eine Absage, wie Bauministerin Geywitz es schon vor dem Wirtschaftsminister getan hatte. 

Weit von selbst gesteckten Zielen entfernt

Die Verbände der Bau- und Immobilienbranche, darunter auch der Mieterbund, der den jährlichen Wohnungsbau-Tag organisiert, hatten zuvor vom Bund zusätzliche Milliardenmittel gefordert. Sie schlagen vor, jährlich 15 Milliarden Euro für den Bau von 100.000 neuen Sozialwohnungen sowie weitere acht Milliarden Euro für den Bau von 60.000 erschwinglichen Wohnungen bereitzustellen. Zusätzlich sollte die öffentliche Hand die Bautätigkeit durch ein Zinsverbilligungsprogramm von einem Prozent unterstützen.

Zu Beginn ihrer Regierungszeit hatte sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, um dem wachsenden Bedarf vorwiegend in den Großstädten zu begegnen. Von diesem Ziel ist Deutschland allerdings weit entfernt. Im Jahr 2023 wurden, laut Statistischem Bundesamt, bei neu zu errichtenden Wohngebäuden 214.100 Wohnungen genehmigt. Das waren 29,7 Prozent oder 90.200 Neubauwohnungen weniger als 2022. Auch 2024 erwarten Experten nicht, dass 400.000 neue Wohnungen gebaut werden. 

Sorgen werden „in Berlin mit Füßen getreten“

Dass trotz dieser ernüchternden Zahlen die Sorgen der Baubranche in Berlin kein Gehör finden, sorgt für Unmut. Thomas Reimann, Präsident des hessischen und thüringischen Baugewerbes, zeigt sich auf Anfrage von „IPPEN.MEDIA“ verstimmt über die neusten Zahlen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden: „Es ärgert mich, wenn ich sehe, dass das unternehmerische Engagement vieler Kollegen in der Bauwirtschaft durch einen Mangel an Verlässlichkeit durch die politischen Verantwortlichen in Berlin mit Füßen getreten wird.“ Die fehlenden politischen Maßnahmen würden Vertrauen zerstören und so den Wohnungsbau immer weiter ausbremsen.

 



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