Stimmung gekippt: Wirtschaft hat Vertrauen in die Bundesregierung verloren
Wie kann der Wirtschaftsstandort Deutschland aus der Krise kommen? Das war Thema des gestrigen Deutschen Arbeitnehmertags in Berlin. Dabei wurde auch deutlich, wie tief inzwischen der Graben zwischen der Ampel und der Wirtschaft ist.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger ging dann auch hart mit der Bundesregierung ins Gericht. Er forderte von der Ampel, dass diese mehr für den Standort Deutschland tun müsse. Nun seien konkrete Handlungen gefragt. „Ein gezielter Bürokratieabbau ist ein kostenloses Konjunkturprogramm“, so Dulger.
82 Prozent der Unternehmer sehen Standort Deutschland in Gefahr
Zum Arbeitgebertag hatte der Verband eine Umfrage beim Meinungsforschungsinstitut Forsa in Auftrag gegeben, die gestern vorgestellt wurde. Wie der „Merkur“ berichtet, sehen 82 Prozent der Unternehmen laut dieser Umfrage den Standort Deutschland in Gefahr. 85 Prozent der Unternehmen wollen einen Abbau der Bürokratie und 88 Prozent der befragten Firmen sind der Meinung, dass die Regierung keine durchdachte Strategie bei der Bewältigung der Krise habe.
Dass sich die Wirtschaft im Moment solche Sorgen macht, begründet die Umfrage vor allem mit den hohen Energiepreisen und den fehlenden Fachkräften. „Die Stimmung in der Breite der Wirtschaft ist gekippt“, so Dulger. Er wirft der Bundesregierung vor, dass diese nicht liefern würde. Unternehmen bräuchten Planungssicherheit, um die Weichen im eigenen Betrieb stellen zu können. „Die Standortbedingungen stimmen nicht mehr“, so Dulger.
Die Umfrage listet auch gleich eine lange Latte von Forderungen auf, die die Unternehmen an die Regierung stellen. So fordern neben dem Abbau der Bürokratie 70 Prozent der Unternehmer Verbesserungen im Bildungssystem. 69 Prozent eine Modernisierung und Digitalisierung der Verwaltung. Auch die Klimapolitik der Ampel stößt bei den Unternehmern auf Widerspruch.
In einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ)“ hatte der Arbeitgeberpräsident zuvor betont, dass er es für falsch halte, eine absterbende Wirtschaft als Kollateralschaden billigend in Kauf zu nehmen, um Klimaschutzziele zu erreichen. „Geht es der Wirtschaft schlechter, dann schwächt das den Sozialstaat“, sagte der Verbandspräsident.
Scholz spricht von „Deutschland-Tempo“
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der gestern auch vor den angereisten Unternehmern redete, stellte Verbesserungen auf allen staatlichen Ebenen in Aussicht. „Deutschland-Tempo brauchen wir überall, wenn es um Entscheidungen des Staates, um Handlungen und Planungen geht“, so Scholz. Deutschland, sagte Scholz, habe im letzten Jahr bewiesen, dass es ginge. Kurz nach dem Ausbleiben von russischem Gas für die Energieversorgung war innerhalb kürzester Zeit eine Infrastruktur zum Import vor Flüssiggas aufgebaut worden. Diesen „Deutschland-Tempo“ brauchte man jetzt auf allen Ebenen, so Scholz. Weiter bat Scholz die Wirtschaft, ihm „ein wenig zu vertrauen“. Die Regierung werde liefern.
Scholz sagte weiter, dass er davon ausgehe, dass Bund und Länder bei ihrem Treffen am 6. November weitreichende Entscheidungen zur Beschleunigung von Planungen und Genehmigungen treffen werden. Im Moment verhandeln beide Seiten darüber, wo Vorschriften, die als lähmend empfunden werden, gestrichen werden könnten. Auf dem Spitzentreffen zwischen dem Bundeskanzler und den 16 Ministerpräsidentinnen und -präsidenten soll dann eine abschließende Entscheidung fallen.
Auch CDU-Chef Friedrich Merz der gestern ebenfalls bei den Arbeitgebern sprach, sagte, dass er den Eindruck habe, dass Scholz entschlossen sei, die Führung des Landes „mal zu übernehmen“. Der CDU-Vorsitzende hatte sich gerade erst am vergangenen Freitag mit Scholz im Kanzleramt getroffen. Merz betonte gestern noch einmal, dass Deutschland im internationalen Vergleich sehr hohe Energiekosten, eine hohe Steuerlast und hohe Bürokratiekosten habe. „Das lässt sich auf Dauer nicht durchhalten“, so Merz.
Arbeitgeberpräsident Dulger forderte am Schluss die Bundesregierung auf, die strategische Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland wieder in den Mittelpunkt des Handelns zu stellen und einen wachstums- und investitionsfreundlichen Rahmen zu schaffen. „Die Politik muss sich entscheiden – Wachstums- oder Wohlfühlpolitik.“
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