Steuerberater: „Wir raten Unternehmen derzeit vom Antrag auf Überbrückungshilfe ab“

Die Steuerberatungsgesellschaft Ecovis rät Unternehmen in Deutschland dringend davon ab, derzeit einen Antrag auf Überbrückungshilfe zu stellen. Es gäbe zahlreiche Fußangeln und offene Fragen, vor allem, weil eine individuell zu errechnende Obergrenze eingeführt wurde.
Von 27. Dezember 2020

Die auf den Mittelstand spezialisierte Steuerberatungsgesellschaft Ecovis Deutschland mahnt Unternehmen zur Vorsicht bei der Beantragung von Überbrückungshilfen.

In einem ausführlichen Beitrag warnen die Ecovis-Experten, die Neufassung des Beihilferechts beinhalte Fallstricke, die nicht nur bürokratischen Aufwand und eine ungewisse Bearbeitungsdauer, sondern auch noch das Risiko beinhalteten, erhaltene Leistungen zurückbezahlen zu müssen.

„Existenziell veränderte Sachlage“ bei der Überbrückungshilfe

Dass sich die Bestimmungen für Unternehmen, die im Frühjahr noch gegolten haben, mittlerweile zum Negativen verändert haben, werde vonseiten des Bundesministeriums für Wirtschaft nicht transparent kommuniziert, heißt es vonseiten der Steuerberater.

Betroffene würden im Unklaren gelassen über eine „existenziell veränderte Sachlage“. Auch die Bundessteuerberaterkammer sei nicht in der Lage, auf Anfragen eindeutige Antworten zu geben.

„Fest steht, dass wir unter diesen Umständen allen Mandaten dringend davon abraten, Anträge zu stellen“, sagte Ecovis.

Ecovis bemängelt an der Kommunikationspolitik des Ministeriums insbesondere, dass mit der „Bundesregelung Fixkostenhilfe 2020“ vom 13. Oktober eine zusätzliche einzelfallabhängige Obergrenze bezüglich des Ausmaßes der Hilfeleistungen eingeführt wurde, dies aber kaum Erwähnung finde.

Unternehmen, die von der Fixkostenhilfe Gebrauch machen wollen, müssen demnach im Überprüfungszeitraum tatsächlich einen Verlust erlitten haben, und diesen aufwändig ermitteln und über eine Nebenberechnung nachweisen. Fest stehe auch, dass „Hilfen spät fließen werden und die Pakete sich deutlich verlängern werden“.

Unterschiedliche Referenzzeiträume

Ihrer Konzeption nach stellt die Fixkostenhilfe der Bundesregierung eine Form der Beihilfe zur „Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats auf der Grundlage von Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)“ dar. Dies bedeutet, dass Unterstützungsleistungen an Unternehmen im eigenen Land in diesem Fall nicht den üblicherweise geltenden Subventionsverboten innerhalb des europäischen Binnenmarktes unterliegen.

Die Regelung betrifft Beihilfen an Unternehmen für ungedeckte Fixkosten. Der beihilfefähige Zeitraum wird mit 1. März 2020 bis 30. Juni 2021 definiert, betrifft also Kosten, die in diesem Zeitraum für das Unternehmen angelaufen sind. Unabhängig davon, ob Unternehmen die Fixkostenhilfe für Zeiträume des Jahres 2020 oder 2021 beantragen, ist in jedem Fall das Jahr 2019 die Referenzgröße.

Im Regelfall ist die Umsatzeinbuße eines Monats gegenüber dem Vergleichsmonat des Jahres 2019 glaubhaft zu machen. Bei Klein- und Kleinstunternehmen darf auch ein Zwölftel des Gesamtumsatzes als Bezugsgröße herangezogen werden, eine Durchschnittsregelung ist auch Unternehmen zugänglich, die im eigentlich vorgesehenen Vergleichsmonat von 2019 ihre Geschäftstätigkeit noch nicht aufgenommen hatten.

Kosten „unabhängig von Ausbringungsmenge“ erfasst

Die Beihilfeintensität darf maximal 70 Prozent der ungedeckten Fixkosten betragen, bei Klein- und Kleinstunternehmen im Sinne der einschlägigen Allgemeinen EU-Gruppenfreistellungsverordnung maximal 90 Prozent. Der absolute Maximalförderbetrag der gewährten Fixkostenhilfe für ein Unternehmen liegt bei insgesamt drei Millionen Euro.

Zulässige Formen von Beihilfen im Sinne dieser Regelung sind direkte Zuschüsse, Darlehen oder Beihilfen in Form von Bürgschaften, Rückbürgschaften und Garantien. Beihilfefähig sind ungedeckte Fixkosten. Bei diesen handelt es sich um Kosten, die „unabhängig von der Ausbringungsmenge entstehen“ und nicht durch einen eigenen Deckungsbeitrag getragen werden können.

Dieser könnte zum Beispiel durch eventuelle trotz des Lockdowns noch erwirtschaftete Umsatzerlöse oder durch Betriebsausfallversicherungen gedeckt sein. Auch Formen der Unterstützung durch andere Quellen wären in die Berechnung eines möglichen eigenen Deckungsbetrages einzubeziehen – darunter auch bereits bezogene befristete Beihilfemaßnahmen. Eine Kumulierung von Beihilfen wird explizit als unzulässig erklärt.

Ecovis weist darauf hin, dass dies bedeutet, bereits erhaltene Corona-Hilfen sind ebenso wie Mittel aus KfW-Kredit in der entsprechenden Gewinn-und-Verlust-Rechnung zu veranschlagen. Immerhin gelten auch Rückzahlungsraten von KfW-Krediten als Kostenbestandteil.

Empfindliche Rückzahlungsansprüche denkbar

Dennoch bewirkt die Neuregelung den Steuerberatern zufolge, dass der Kreis der Unternehmen, die überhaupt als Empfänger von Beihilfen in Betracht kommen, schrumpfe. Der Umstand, dass Corona-Hilfen wie andere Beihilfen auch behandelt werden, könnte dazu führen, dass Neuanträge am Ende sogar Rückzahlungsverpflichtungen auslösen können, weil die Summe bereits zuvor erhaltener Unterstützungsleistungen am Ende den errechneten Anspruch aus dem Neuantrag übersteigen könnte.

In der Bundesregelung heißt es, der endgültige Beihilfebetrag werde nach Entstehung der Verluste auf der Grundlage der steuerlichen Ergebnisrechnung bestimmt. Sobald diese nachgewiesen sind und die Richtigkeit durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer geprüft und bestätigt worden sind, gilt:

„Gezahlte Beträge, die den endgültigen Beihilfebetrag übersteigen, werden zurückgefordert.“

Ministerium lässt viele Fragen offen

Einige offene Fragen zur Überbrückungshilfe beantwortet das Ministerium auf seiner Seite. Bei Ecovis bleiben dennoch Bedenken – sowohl aufgrund der Antworten, die gegeben werden, als auch aufgrund der noch offenen Fragen.

Das Steuerberatungsunternehmen weist insbesondere darauf hin, dass die relative maximale Förderhöhe (neben der bereits erwähnten absoluten von drei Millionen Euro) variabel ist und auf den „bereinigten Verlusten eines Unternehmens im Beihilfezeitraum“ anknüpft. Diese hängen von den Ergebnissen der handelsrechtlichen oder steuerrechtlichen Gewinn- und Verlustrechnung ab.

Bezüglich der zukünftigen Entwicklung ist jedoch zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Prognose erforderlich, die auf einer Schlussrechnung anhand der Ist-Werte beruht. Wird dabei die maximale Förderhöhe überschritten, kommt nicht nur „Überbrückungshilfe 2“ nicht mehr Betracht, sondern es könnten schon zum Zeitpunkt des Antrags Rückzahlungen fällig werden.

Steuerberater rechnen erst im Januar mit Klarheit

Ecovis sieht zudem auch jede Menge noch offener Fragen, die ebenfalls relevant sind, inwieweit es sich lohnt, diese überhaupt noch zu beantragen. So sei der maßgebliche Betrachtungszeitraum nicht eindeutig genug definiert. Zudem bleibe offen, inwieweit auch Ertragsteuern zu den Fixkosten zählen – also etwa Kapitalertragssteuer, Lohnsteuern oder Gewerbesteuer.

Es bleibe unter anderem auch ungeklärt, ob auch planmäßige Abschreibungen unberücksichtigt zu lassen wären oder nur außerplanmäßige, ob im Förderzeitraum gewährte KfW-Schnellkredite als Einnahmen zu werten sind und ob bzw. inwieweit etwa die November- und Dezemberhilfe anzurechnen seien.

Durch den eingeführten Höchstbetrag bleiben aus Sicht der Berater so viele offene Fragen, dass diese deshalb „dringend raten, deren Klärung abzuwarten“. Die Nebenrechnung zur Ermittlung, ob oder in welcher Höhe ein Verlust entstanden sei, könnte in eine neue abgewandelte (Schatten-)Buchhaltung ausarten:

„Der Arbeitsaufwand wird enorm sein, denn die in dieser Berechnung anzusetzenden Kostenpositionen sind nicht identisch mit den grundsätzlich erstattungsfähigen Fixkosten. Diese Nebenrechnung kann so lange nicht durchgeführt werden, bis alle offenen Punkte geklärt sind.“

Vor Anfang 2021 rechnen die Steuerberater nicht mit einer eindeutigen Antwort auf ihre Fragen vonseiten des Bundeswirtschaftsministeriums.



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