Stellenabbau und Insolvenzen: Automobilzulieferer kämpfen ums Überleben
In Deutschland ist mit der Automobilindustrie auch die Maschinenbau- und Automobilzulieferindustrie von tiefgreifenden Umstrukturierungen betroffen, die mit Stellenabbau, Werksschließungen und Insolvenzen einhergehen. Deutschlands Schlüsselindustrie rutscht zunehmend in die Krise und zieht zahlreiche mittelständische Zuliefererunternehmen mit.
Pressenhersteller Schuler schließt Standort: Fast 500 Stellen weg
Neuestes Beispiel aus Baden-Württemberg, der Maschinenbaukonzern Schuler mit Hauptsitz in Göppingen: Die Geschäftsleitung hat am vergangenen Freitag über Details informiert. Es ist ein Abbau von bundesweit 474 Stellen vorgesehen, der sich unterschiedlich auf die Standorte des Traditionsunternehmens verteilt. Der Standort Weingarten soll geschlossen werden, wobei ein Teil der Arbeitsplätze an andere deutsche Standorte verlagert werden soll. Darüber hinaus ist die Schließung der Produktion in Gemmingen vorgesehen. Allein am Standort Weingarten/Baden-Württemberg werden über 300 Arbeitsplätze verloren gehen.
Bereits Anfang September hatte Schuler mitgeteilt, dass das Unternehmen 500 Stellen streichen muss, viele darunter auch in Weingarten bei der endgültigen Schließung des Werks. Schuler machte bei dieser ersten Stellenabbau-Ankündigung sinkende Absatzzahlen für Personenkraftwagen und anhaltende Unsicherheit im Bereich der Elektromobilität als Hauptgründe für die notwendige Neustrukturierung aus.
Die Schuler Group AG, gegründet 1839 und mittlerweile Teil des österreichischen Andritz-Konzerns, ist als weltweit größter Hersteller von hochpräzisen Pressen bekannt. Diese werden zur Herstellung von Karosserieteilen wie Türen, Hauben und Kotflügel in der Automobilindustrie verwendet. Das Unternehmen betreibt nach eigenen Angaben zwölf Standorte in Deutschland.
„Das wirtschaftliche Umfeld für unsere Kunden in der Automobilindustrie und damit auch für Maschinen- und Anlagenbauer wie uns hat sich in jüngster Zeit weiter verschlechtert“, erklärt Dr. Joachim Schönbeck, Vorstandsvorsitzender des Schuler-Mutterunternehmens ANDRITZ in einer Presseerklärung des Unternehmens, auf der Website unter der Überschrift: „Schuler stellt sich in Deutschland neu auf“.
Autos mit deutschem Erfolgskonzept ade
Schuler ist jüngstes Beispiel und mittlerweile nur eines von immer mehr werdenden Unternehmen, die mit Entlassungen, Schließungen oder Insolvenzen die Krise darstellen. Die gesamte Industrie kämpft derzeit mit geringen Absatzzahlen und hohen Kosten. Seit der Jahrtausendwende hat sich der globale Automobilmarkt drastisch verändert. Zwischen 2000 und 2017 ist die Produktion in Deutschland deutlich gewachsen, wie eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) aufzeigt. Grundlage dafür war das besondere Geschäftsmodell der deutschen Automobilindustrie.
Dieses basierte auf zwei Säulen: zum einen auf der aktiven Globalisierung von Produktion und Vertrieb und zum anderen auf der Dominanz im Premiumsegment. Diese Strategie ermöglichte es, in Deutschland hochpreisige Fahrzeuge für den Weltmarkt zu produzieren – gut 75 Prozent der in Deutschland gebauten Autos gehen in den Export, davon rund 40 Prozent interkontinental.
Dieses erfolgreiche Geschäftsmodell geriet jedoch ins Wanken und führte seit 2018 zu erheblichen Produktionseinbußen. Die Produktion verlagerte sich zunehmend nach Asien, insbesondere nach China. Im vergangenen Jahr (2023) wurden fast 60 Prozent aller Autos in Asien hergestellt und fast 50 Prozent dort verkauft. Im Jahr 2023 lag die gesamte Pkw-Produktion in Deutschland etwa auf dem Niveau von 1985, die Exporte auf dem Niveau von 1998.
Schwergewichte aus der Autobranche insolvent
Nur einen Tag nach Berichten in der letzten Woche, dass bei Volkswagen bis zu 30.000 Arbeitsplätze gefährdet sind, (Epoch Times berichtete) meldet mit WKW Automotive am vergangenen Freitag ein weiterer, größerer Zulieferer Insolvenz an.
Der Autozulieferer WKW, bekannt für die Produktion von Zierleisten für VW und BMW, beschäftigt rund 3.800 Mitarbeiter, vor allem an den Standorten Velbert und Wuppertal.
Mit rund 5.000 Beschäftigten weltweit und etwa 1.000 in Deutschland gehört auch Eissmann Automotive zu den prominenten Insolvenzfällen. Das Unternehmen, das Innenraumkomponenten für zahlreiche Automobilhersteller produziert, kämpfte seit Jahren mit den Folgen von Inflation und gestiegenen Materialkosten. Das Insolvenzverfahren wurde Anfang 2024 eröffnet.
Bei den Automobilzulieferern musste Eissmann Insolvenz anmelden, aber viele andere kämpfen auch. Bei Konzernen wie Bosch und ZF Friedrichshafen werden derzeit Tausende Arbeitsplätze abgebaut oder stehen zur Disposition.
Insgesamt sollen bei Bosch 3.000 Stellen wegfallen – auch an vielen Standorten in Baden-Württemberg. Damit will sich das Unternehmen wettbewerbsfähig für die Zukunft machen. Der Autozulieferer ZF Friedrichshafen will auf Elektromobilität umstellen. Bei der Produktion von E-Motoren, die ohne Getriebe auskommen, wird weniger Personal benötigt. Das Unternehmen plant, sein Werk in Gelsenkirchen und ein Stoßdämpferwerk in Nordrhein-Westfalen zu schließen. Der Verlust von 10.000 Arbeitsstellen bis zum Jahr 2028 droht in dem Kontext. „Wir befinden uns knietief in der Transformation“, so ZF.
Das breite Rückgrat der Industriestruktur Deutschlands schwindet
Für die Zulieferindustrie sei die Transformation dabei in besonderer Weise ein epochaler Umbruch, so der Verband der Automobilindustrie (VDA). Die deutsche Zulieferlandschaft habe sich über Jahrzehnte dadurch ausgezeichnet, dass sie aus vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen besteht, die hoch spezialisiert auf einzelne Bauteile und damit häufig Weltmarktführer in ihren Bereichen sind. Diese Hidden Champions befinden sich nicht selten im ländlichen Raum und bilden damit das Rückgrat der breiten Industriestruktur Deutschlands. Gerade für diese Unternehmen bedeutet die Transformation jedoch häufig, dass sie binnen weniger Jahre ihr komplettes Produktportfolio umgestalten müssen.
Schon vor einem Jahr, im September 2023, konnte die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Möller, nicht ausschließen, dass Deutschland als Branchenstandort auf der Strecke bleiben könnte. Möller beklagte unter anderem Überregulierung, zu langsame politische Entscheidungen und fehlende Rechtsrahmen bei Zukunftsthemen wie Künstliche Intelligenz. Epoch Times berichtete.
Deutschland als Standort immer uninteressanter?
Unternehmen aus der Schlüsselindustrie Deutschlands und ihre Zulieferer beklagen hingegen, dass sie die Kostenexplosion in Deutschland in der Automobilindustrie besonders zu spüren bekommen. Kostentreiber seien die Corona-Pandemie, Lieferkettenprobleme, Rohstoffverknappung, der Ukraine-Krieg, die Energiekrise und „unerwartet hohe Tarifabschlüsse in Deutschland“. Das zumindest gibt die fränkische Firma Fehrer, weltweit führender Spezialist für Komponenten im Fahrzeuginnenraum, als Grund für die Aufgabe ihrer Produktionsstätten in Deutschland an. In dem Fall sind insgesamt 270 Arbeitsplätze betroffen, wenn bis Ende 2024 gleich zwei Produktionsstandorte in Deutschland geschlossen und die Produktion ins Ausland verlagert werden soll.
Man sehe sich „zu einer umfangreichen Restrukturierung gezwungen“, heißt es vonseiten des Unternehmens. Die Produktion werde nicht eingestellt, sondern an andere Standorte verlagert. Nur so könne Schaden von der gesamten Fehrer-Gruppe abgewendet werden.
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