Statistik und Realität: Warum die niedrige Inflation viele Menschen nicht überzeugt

Die Inflation in Deutschland sinkt auf 1,6 Prozent – der niedrigste Stand seit zwei Jahren. Während die allgemeine Teuerung nachlässt, erleben Verbraucher bei Grundnahrungsmitteln jedoch deutliche Preisanstiege – ein widersprüchliches Bild, das die statistischen Durchschnittswerte verdecken.
Die Verbraucherpreise sind im Juli wieder etwas stärker gestiegen.
Statistisch sinkt die Inflation. Die Angst bei den Deutschen bleibt trotzdem. Das hängt vor allem mit den Lebensmittelpreisen zusammen.Foto: Bernd Weißbrod/dpa
Von 13. Oktober 2024

Im September ist die Inflation in Deutschland auf den tiefsten Stand seit Februar 2021 gefallen. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am letzten Freitag mitteilte, lag die Inflationsrate im letzten Monat bei 1,6 Prozent.

Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, sind es im Moment vor allem die gesunkenen Energiepreise, die gerade Verbraucher und Unternehmen entlasten. Das ziehe die Inflationsrate nach unten. „Insbesondere die erneuten Preisrückgänge bei Energie dämpften die Inflationsrate im September 2024 stärker als in den Monaten zuvor“, erklärte Ruth Brand, Präsidentin des Statistischen Bundesamtes. „Demgegenüber wirkten die weiterhin überdurchschnittlichen Preiserhöhungen bei Dienstleistungen inflationstreibend.“

Energie ist deutlich günstiger geworden

Autofahrer haben derzeit Grund zur Freude, denn die Benzinpreise sind innerhalb der letzten sechs Monate um 20 Cent pro Liter gesunken. Laut dem Statistischen Bundesamt fielen die Kraftstoffpreise insgesamt um 12,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Im Vergleich zum Vorjahr sind die Strompreise um 6,4 Prozent gesunken, während die Preise für Erdgas um 1,9 Prozent zurückgegangen sind. Die Kosten für Fernwärme hingegen sind um 31,8 Prozent gestiegen und liegen damit deutlich über dem Niveau des Vorjahres.

Der Warenkorb für die Berechnung der Inflationsrate setzt sich aus einer Vielzahl von Gütern und Dienstleistungen zusammen, die typischerweise von privaten Haushalten gekauft werden. Diese Auswahl spiegelt die durchschnittlichen Konsumgewohnheiten der Bevölkerung wider. Der Warenkorb umfasst verschiedene Kategorien wie Lebensmittel und Getränke, Bekleidung, Wohnkosten, Gesundheitspflege, Transport, Kommunikation, Freizeit und Kultur sowie Bildungsdienstleistungen.

Ökonomen warnen davor, nun den Kampf gegen die Inflation für beendet zu erklären. Gegenüber dem „Handelsblatt“ prognostizierte der Chefstratege der Privatbank Merck Finck, Robert Greil, Ende September, dass die „Inflation bis Jahresende mit dann entgegengesetzten sogenannten Basiseffekten wieder spürbar über zwei Prozent“ anzieht.

Sascha Möhrle, Ökonom vom ifo Institut, geht ebenfalls davon aus, dass die Teuerungsrate Anfang nächsten Jahres wieder auf über 2 Prozent ansteigen wird. Allerdings wird diese dann, nach Meinung Möhrles, bei unter 2,5 Prozent bleiben. Einen Grund für seine Prognose sieht er darin, dass dann ein Sondereffekt wegfalle.

Im Winter 2023 sind die Energiepreise bereits wieder gesunken. Da die Inflation im Vergleich zum Vorjahr gemessen wird, schlägt dieser Effekt gerade bei den jetzigen Inflationsraten durch. Diese Rate zu halten, wird aber laut Möhrle schwierig, wenn die Preise 2024 niedriger als 2023 sind. Laut dem Statistischen Bundesamt kostete die Kilowattstunde Strom Endverbraucher im ersten Halbjahr 2024 im Schnitt 41,02 Cent. Das ist ein Rückgang von 1,7 Prozent im Vergleich zur zweiten Jahreshälfte 2023. Vergleicht man die Preise sogar mit dem ersten Halbjahr 2023, dann liegt der Rückgang bei 3 Prozent.

Zudem könnten geopolitische Spannungen wie Konflikte oder Handelskriege die Energiepreise erneut in die Höhe treiben. „Die gute Nachricht für Verbraucher ist aber, dass aktuell keine sehr hohen Inflationsraten mehr absehbar sind“, sagt Möhrle.

Butter bald bei 4 Euro?

Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, sind die Lebensmittelpreise im September im Vergleich zum Vorjahr um 1,6 Prozent leicht gestiegen. Schaut man allerdings auf die Grundlebensmittel, so ergibt sich dort ein ganz anderes Bild: Hier haben die Preise kräftig angezogen.

Der Geschäftsführer des Verbandes der Milcherzeuger Bayerns, Hans-Jürgen Seufferlein, hatte erst vor wenigen Wochen gegenüber der „Mitteldeutschen Zeitung“ gesagt: „Das wird sicher nicht das Ende sein. Zum Jahresende werden wir wohl neue Rekordpreise sehen.“

Als Grund für den Preisanstieg nennt Seufferlein einen Rückgang in der Produktion, da viele Betriebe die Milchviehhaltung aufgegeben haben. Gleichzeitig steigt aktuell die Nachfrage. Der Butterpreis wird zwischen Molkereien und Handel monatlich ausgehandelt.

Wie der „Fokus“ Anfang Oktober schrieb, rechnen Experten damit, dass der Butterpreis bis Ende des Jahres auf über 3 Euro steigen wird. „Butter ist ein beliebtes Verbrauchsgut“, sagt ein nicht näher benannter Einkaufschef einer großen Supermarktkette in Deutschland im „Focus“. „Ich rechne damit, dass der Preis die 3-Euro-Marke sprengt. Für Markenbutter heißt das, Preise, die bei circa 3,79 Euro liegen. Bio-Butter wird dann die 4-Euro-Marke knacken.“

Aber auch andere Lebensmittelgruppen wurden teurer: Zucker, Marmeladen, Honig und Süßigkeiten kosteten 5,4 Prozent mehr, während Obst um 3,7 Prozent und Brot sowie Getreideprodukte um 1,2 Prozent teurer wurden.

In den letzten drei Jahren sind die Preise für Lebensmittel deutlich angestiegen. Laut einer Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes sind die Preise vom Juni 2021 bis heute um 29 Prozent gestiegen.

Olivenöl heute 108 Prozent teurer

Die Preissteigerungen bei Basisprodukten wie Olivenöl und Zucker wirken sich spürbar auf die Kosten vieler anderer Lebensmittel aus, die diese Zutaten benötigen. Zum Beispiel sind die Kosten für Kekse um 66,1 Prozent, Ketchup um 59,6 Prozent und Orangensaft um 54 Prozent gestiegen. Auch bei Grundnahrungsmitteln wie Kartoffeln (49,2 Prozent), Kakaopulver (42 Prozent), Gurken (41 Prozent) sowie bei Multivitaminsaft (31,4 Prozent) und Schokoladentafeln (27,8 Prozent) sind deutliche Preissteigerungen zu verzeichnen.

Wirtschaftsfachleute unterscheiden daher zwischen der offiziellen Inflationsrate und der gefühlten Inflation.

Wenn zum Beispiel die Preise für alltägliche Artikel wie Lebensmittel und Benzin stark steigen, kann das Gefühl entstehen, dass die Inflation höher ist, als die offiziellen Zahlen ausweisen. Das führt oft dazu, dass Menschen denken, die Lebenshaltungskosten würden schneller steigen, als die statistischen Daten zeigen.

Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten

Steigende Lebenshaltungskosten bereiten den Menschen immer noch die meiste Angst. Seit 30 Jahren veröffentlichen die R+V Versicherungen jährlich eine Studie über die Ängste der Deutschen. Bei der diesjährigen Studie von Anfang Oktober nennen 57 Prozent der Befragten die Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten als Angst, die den ersten Platz der Studie erreicht. „Die Menschen blicken mit Skepsis auf die aktuelle Entwicklung. Hohe Tarifabschlüsse, Inflationsprämien und spürbar langsamer steigende Preise konnten den Deutschen ihre Sorgen nicht nehmen“, kommentiert Studienleiter Grischa Brower-Rabinowtsch das Ergebnis der Befragung.



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