Spritpreise auf Allzeithoch: Bundesregierung diskutiert, statt zu handeln

Die Benzinpreise haben im Zuge des Krieges in der Ukraine binnen kürzester Zeit Rekordniveaus erreicht. Während die Regierungen im Ausland den Bürgern fast überall unter die Arme greifen, wird hierzulande noch debattiert.
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Die Benzinpreise steigen.Foto: iStock
Von 16. März 2022

Der Griff zum Zapfhahn schmerzt. Die Preise an der Tankstelle haben in dieser Woche alle Rekorde gebrochen. Kostete ein Liter Diesel im Januar durchschnittlich rund 1,60 Euro, zu Beginn dieser Woche waren es 2,30 Euro. Besonders brisant ist diese Entwicklung vor allem für jene gesellschaftlichen Schichten, die über wenig Geld verfügen, beruflich aber auf ein Auto angewiesen sind.

Bundesfinanzminister Christian Lindner will Auto- und LKW-Fahrern mit einem Rabatt von mindestens 20 Cent je Liter Benzin entlasten. Es soll „umgehend“ ein fester Preisnachlass eingeführt werden, um die Ausgaben der Autofahrer je Liter Kraftstoff auf unter zwei Euro drücken.

Autofahrer sollen den Nachlass beim Bezahlen an der Tankstelle erhalten, berichtete die „Auto Bild“. Die Tankstellenbetreiber bekämen den Rabattbetrag anschließend vom Bund erstattet. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder forderte unterdessen wegen der steigenden Spritpreise eine schrittweise Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Benzin und Diesel.

Rationierung in Ungarn

Der teure Sprit ist auch in anderen Ländern Gegenstand heftiger Debatten – und jede Regierung hat ihre eigene Antwort. In Ungarn etwa gibt es bereits seit längerem einen Benzinpreisdeckel bei umgerechnet rund 1,10 Euro je Liter. Dies führte zu einem extremen Tanktourismus aus angrenzenden Ländern wie der Slowakei und Österreich verbunden mit Benzinknappheit an den ungarischen Tankstellen.

„Daraufhin wurde rationiert“, berichtet Manuel Frondel, Energiefachmann vom Forschungsinstitut RWI. Erlaubt waren nur noch 25 Liter je Fahrzeug. Die Folge: Die Autofahrer fahren mehrere Tankstellen hintereinander an und daher bilden sich große Schlangen an den Tankstellen.

Tank-Tourismus gibt es angesichts der astronomisch hohen Preise auch hierzulande, insbesondere in Richtung Polen und Österreich. In der Alpenrepublik kostet ein Liter Diesel heute 2,04 Euro, während Benzin mit 1,97 Euro unterhalb der Zwei-Euro-Marke notiert ist – deutlich weniger als in Deutschland.

Der Hauptgrund für die Preisdifferenz: Der Bund belegt Benzin mit einem Energiesteuersatz von 65,45 Cent je Liter, bei Diesel sind es 47,04 Cent. Zudem ist auf alle Energieträger die Mehrwertsteuer fällig, die auf den Warenpreis sowie die Energiesteuer erhoben wird.

Insgesamt landen somit beim Benzin rund 48 Prozent der Tankrechnung beim Fiskus, beim Diesel sind es rund 39 Prozent. Im Juli kommt noch ein CO2-Preis dazu, was Diesel rund neun Cent und Benzin rund acht Cent teurer macht.

Spritpreisbremse in Frankreich

Neben Lindners umstrittenen Rabattvorstoß diskutiert die Ampelkoalition derzeit neben der Senkung der Mehrwertsteuer auch einen Preisdeckel sowie eine Anpassung der Pendlerpauschale. Gleichzeitig fordern die Unternehmen, die geplante CO2-Bepreisung auszusetzen.

Während hierzulande die Mühlen langsam mahlen und die Spritpreise hoch bleiben, hat in Polen die Regierung Morawiecki Anfang Februar eine neue Fassung ihres „Anti-Inflationsschilds“ auf den Weg gebracht. Sie gilt bis Ende Juli und senkt den Mehrwertsteuersatz bei Kraftstoff von 23 auf acht Prozent.

Angaben der Regierung zufolge ist dies das niedrigste im Rahmen der EU-Regelungen zulässige Niveau. Autofahrer dürfen sich daher über vergleichsweise niedrige Preise von derzeit umgerechnet 1,59 Euro je Liter Benzin freuen. Diesel schlägt mit 1,68 Euro zu Buche.

In Frankreich tritt Anfang April eine Spritpreisbremse in Kraft. Vier Monate lang bezuschusst die Regierung jeden Griff zum Zapfhahn mit 15 Cent je Liter. Das lässt sich der Élysée-Palast eigenen Angaben zufolge rund zwei Milliarden Euro kosten.

Benzindiebstahl in Italien

Die Niederlande reagieren auf den Preisanstieg an den Tankstellen mit einer Senkung der Steuern auf Benzin und Diesel um 21 Prozent. Ab dem 1. April ist Benzin um 17 Cent und Diesel um 11 Cent günstiger. Aktuell werden dafür 2,40 Euro bzw. 2,27 Euro fällig.

Italiens Regierung verhält sich ähnlich wie Berlin: Zwar nimmt der Druck zu, die Steuern zu senken, doch bislang hat sich das Kabinett Draghi nicht bewegt. Benzin kostete zuletzt 2,26 Euro und Diesel 2,23 Euro.

Die Staatsanwaltschaft in Rom leitete bei mehreren Anbietern eine Untersuchung auf Marktmissbrauch ein. Derweil melden italienische Zeitungen eine Zunahme von Benzindiebstählen. An manchen parkenden Autos wurden Tankdeckel aufgebrochen und der Treibstoff abgesaugt.

Was verblüffte Autofahrer beim Blick auf die Anzeigetafeln kaum glauben mögen: Die Preise für Kraftstoffe sind nicht im selben Maße gestiegen wie die Rohölpreise, die in Folge des Überfalls Russlands auf die Ukraine die höchsten Werte seit mehr als einem Jahrzehnt erreicht haben.

Das ergibt die Auswertung der Kraftstoff- und Rohölpreisdaten des Jahres 2022 im Rahmen des an diesem Mittwoch erschienenen RWI-Benzinpreisspiegels. RWI-Ökonom Manuel Frondel bringt das überraschende Fazit so auf den Punkt: „Offenbar geben die Tankstellenbetreiber aktuell die steigenden Rohölpreise nur beschränkt an ihre Kundschaft weiter.“



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