„SOS – Die deutsche Wirtschaft ist in Gefahr“: Unternehmer rufen zur Großdemo auf
Die Wirtschaft plant für den 29. Januar einen sogenannten „Wirtschaftswarntag“ vor dem Brandenburger Tor in Berlin und in anderen Städten unter dem Motto „SOS – die deutsche Wirtschaft ist in Gefahr“. Viele Firmenchefs wollen auf die Straße gehen, damit die am 23. Februar gewählte Regierung die Weichen für einen wirtschaftlichen Aufschwung, neue Jobs und mehr Netto stellt.
„Die deutsche Wirtschaft schrumpft. Heimische Unternehmen wandern ab. Internationale Investoren bleiben fern. Als Standort verlieren wir rasant an Attraktivität. Die Lage ist ernst“, heißt es im Aufruf des „Aktionsbündnis Wirtschaftswarntag“, das hinter der Aktion steht.
Nach eigenen Angaben wird die Projektgruppe zur organisatorischen Vorbereitung von mehreren Verbänden organisiert, darunter „Die Familienunternehmer“, dem „Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie“, dem „Bundesverband der freien Berufe“, dem „Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen“ sowie der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM).
Fast 50 Verbände beteiligen sich
„Wir stehen an einem wirtschaftlichen Kipppunkt und verlieren so massiv an wirtschaftlicher Substanz wie nie zuvor“, schreiben die Initiatoren in ihrem Aufruf weiter. Es solle ein „Weckruf für die Politik“ sein, um „notwendige Maßnahmen zu ergreifen und die wirtschaftliche Stabilität unseres Landes zu sichern“.
An der Aktion wollen sich fast 50 Wirtschaftsverbände beteiligen, so unter anderem der Arbeitgeberverband Gesamtmetall, der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA), der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), der Verband der Familienunternehmer, der Verband „Die Immobilienunternehmer“ sowie der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft (BVMW). Nach eigenen Angaben vertreten diese Verbände insgesamt rund 20 Millionen Arbeitnehmer.
„Mit dem Wirtschaftswarntag kämpfen wir für eine Wirtschaftswende“, sagt Marie-Christine Ostermann, Chefin der Familienunternehmer, gegenüber der „Bild“. Die Bundestagswahl im Februar soll zur „Volksabstimmung“ werden: „Welche Politik, welche Parteien geben den Unternehmen wieder Luft zum Atmen?“
Auf der Mobilisierungswebsite wird Ostermann noch deutlicher:
Uns Familienunternehmern reicht es mit schlechter Wirtschaftspolitik – die Zukunft unseres Landes steht gerade auf dem Spiel. Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist in Gefahr. Deshalb beteiligen wir uns am Wirtschaftswarntag.“
Konkret fordern die Unternehmer niedrigere Steuern, einen Anstiegsstopp für Sozialabgaben und weniger Vorschriften und Gesetze.
Von „falschen Rahmenbedingungen in die Knie gezwungen“
Stefan Wolf, Präsident von Gesamtmetall, dem Arbeitgeberverband der Elektro- und Metallindustrie, macht der Regierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) große Vorwürfe: „In der Politik ist längst nicht bei jedem angekommen, wie dramatisch die Lage ist.“ Die Industrie werde von „falschen Rahmenbedingungen in die Knie gezwungen“.
Auch der Präsident des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura, macht gegenüber der „Bild“ seinem Ärger Luft: „Wir stecken mitten im dritten Jahr der Krise, ohne Aussicht auf Besserung. Die Überregulierung geht ungebremst weiter. Wenn wir nach all den politischen Fehlentscheidungen jetzt nicht für einen echten Politikwechsel kämpfen, wann dann?“
Gesellschaftlicher Zusammenhalt und soziale Sicherheit sei nur mit einem starken Mittelstand und einer starken Industrie möglich, sagt der Jens Meiser, Geschäftsführer der Carl Meiser GmbH+Co KG aus Albstadt in Baden-Württemberg. Der Textilunternehmer fordert von der Politik, dass Regulierung und Bürokratie abgebaut werden.
Verlässliche und sichere Rahmenbedingungen müssten wirtschaftliches Handeln flankieren und damit schützen. Weiter müsse bezahlbare Energie sichergestellt werden. Gut 50 Prozent des Preisbestandteils der teuren Energie seien, so Meiser, staatlich induzierte Abgaben auf Strom und Gas. Unternehmen bräuchten jetzt bessere Rahmenbedingungen und Freiheiten. „Ansonsten werden wir erdrosselt und müssen als die wichtige Stütze unserer Gesellschaft aufgeben“, prognostiziert der Unternehmer.
Über die Rahmenbedingungen für Unternehmer ärgert sich auch Thomas Henneke, Geschäftsführer der KB Schmiedetechnik GmbH aus Hagen in Nordrhein-Westfalen. Das Unternehmen beschäftigt nach eigenen Angaben 100 Mitarbeiter. Henneke sagt:
Umweltschutz ist essenziell – doch in Deutschland wird er oft ideologiegetrieben umgesetzt und verfehlt damit sein Ziel. Stattdessen brauchen wir eine sachliche, technologieoffene Herangehensweise und einen gesunden Energiemix, der sowohl die Umwelt schützt als auch die Industrie stärkt.“
„Blickt der Realität ins Auge!“
In einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ kündigte der Chef der Metall-Arbeitgeber, Stefan Wolf, einen weiteren Stellenabbau in den kommenden Jahren an. „Die Industrie wird in den nächsten fünf Jahren noch deutlich mehr Arbeitsplätze verlieren. Schon jetzt ist der Stellenabbau real, seit zehn Monaten in Folge“, so Wolf.
Die Auftragsauslastung der Branche liege bei durchschnittlich 75 Prozent. „Das heißt, wir können die Arbeitsplätze nicht erhalten. Dafür reicht der Umsatz nicht aus“, so der Arbeitgeberpräsident weiter. Daher müsse man an der Kostenschraube drehen. Aktuell arbeiten in der Metall- und Elektroindustrie noch 3,91 Millionen Beschäftigte.
Dirk Jandura, der Präsident des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), fasst auf der Website zum „Wirtschaftswarntag“ die Situation zusammen. Gute Vorsätze und vollmundige Versprechungen würden jetzt nicht weiterhelfen. Nun brauche es eine „echte Wirtschaftswende“, bevor es für den Standort zu spät ist. Der „Wirtschaftswarntag“ soll deshalb ein Weckruf an alle politischen Entscheider sein: „Blickt der Realität ins Auge!“, so Jandura.
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