Sommer ohne Service? Dienstleister fürchten Personalengpässe
Deutschland öffnet wieder. Wann genau in welchem Bundesland welche Corona-Einschränkung fällt, ist zwar teils noch unklar.
Der Trend jedoch ist klar: Schon im Frühling dürfen viele Restaurants und Hotels wieder wie gewohnt öffnen, Messen und Konzerte können stattfinden, Reisen müssen nicht mehr verschoben werden. Doch dafür braucht es viel Personal – und das fehlt oft.
Mit dem bekannten Fachkräftemangel in zahlreichen Branchen hat das eher wenig zu tun. „Wir erleben jetzt zusätzlich eine Knappheit bei den kontaktintensiven Branchen, also in der Gastronomie und Co.“, sagt Enzo Weber, Professor am Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit.
Branche muss verlorenes Personal zurückgewinnen
Der Grund für die Probleme sei in der Vergangenheit vor allem die Kurzfristigkeit bei Lockdown- und Lockerungsmaßnahmen gewesen, so Weber. „Da hatte der Arbeitsmarkt dann keine Zeit zu reagieren.“ Dramatisch war die Lage vor allem im Mai 2021, sagt die Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), Ingrid Hartges: Nach einer langen Lockdown-Phase fehlten Gastronomie und Hotellerie zahlreiche Beschäftigte – und das bekamen auch die Kunden zu spüren, weil Restaurants zum Beispiel ihre Öffnungszeiten verkürzten. Im Laufe des vergangenen Jahres sei die Zahl der Beschäftigten dann aber wieder gestiegen.
Einen ähnlichen Effekt erwartet Hartges auch jetzt: „Es ist auch dieses Jahr gut möglich, dass zum Beispiel im Januar und Februar mit dem Anstieg der Kurzarbeit wieder Fachkräfte abgewandert sind.“ Sie hoffe, dass die Branche die verlorenen Mitarbeiter wieder zurückgewinnen könne.
IAB-Experte Weber geht davon aus, dass der Personalmangel kein Dauerzustand ist. „Es ist schon so, dass es noch Arbeitskräfte für die Gastronomie gibt“, erklärt er. Nur stünden die halt nicht bei Öffnung direkt vor der Tür, weil sie in der Zwischenzeit andere Jobs gesucht haben – in Testzentren, in der Logistik oder bei Lieferdiensten zum Beispiel.
Teils Abwanderung in andere Bereiche
Ähnliche kurzfristige Engpässe drohen auch in anderen Branchen: Im Veranstaltungsbereich etwa seien vor allem Selbstständige und Hilfskräfte in andere Wirtschaftsbereiche abgewandert, sagt Jens Michow, Präsident beim Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV). „Das ist für die Veranstaltungsunternehmen ein schmerzlicher Verlust, der nicht so schnell kompensiert werden kann.“
Ähnliches meldet der zuständige Verband ADV von den Flughäfen und den dort tätigen Serviceunternehmen: Viele Mitarbeiter hätten die Luftverkehrsunternehmen in der Krise wegen fehlender Beschäftigungsperspektiven verlassen. Reisende müssen sich auf Kapazitätsengpässe einstellen. Unter anderem wegen Personalmangels hatten Reisende am Berliner Flughafen BER in den Herbstferien teils stundenlang auf den Check-in warten müssen.
Das Messegeschäft hingegen gibt sich optimistischer: „Die Kurzarbeit der letzten zwei Jahre hat dazu beigetragen, dass Fachkräfte der Branche erhalten geblieben sind und nun bald wieder durchstarten können“, sagt Jörn Holtmeier, Geschäftsführer beim Verband der deutschen Messewirtschaft (Auma). Und auch der von Corona sonst so gebeutelte stationäre Einzelhandel kämpft laut Handelsverband HDE zwar mit einem Auszubildenden-Mangel. Kurzfristige Personalengpässe erwarte man aber nicht, hieß es auf Anfrage.
Keine „Great Resignation“ wie in den USA
Insgesamt ist die Lage auf dem Dienstleistungsmarkt in Deutschland längst nicht so dramatisch wie anderswo, sagt Arbeitsmarkt-Experte Weber: „Es gab in Deutschland keine Great Resignation.“ In den USA sorgt diese „große Kündigung“, also eine massenhafte Abwanderung von Arbeitskräften seit dem Ende der ersten Lockdowns für anhaltende Personalengpässe in verschiedenen Branchen wie der Gastronomie. Andererseits hat der Arbeitskräftemangel in Deutschland laut Weber durchaus langfristige Komponenten – den demografischen Wandel etwa, durch den immer weniger Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.
Eine mögliche Gegenmaßnahme könnten Lohnerhöhungen sein. „Aber für Gastwirte, die zwei Jahre finanziell durch ihre bisher schwerste Krise gegangen sind, ist das natürlich schwer“, sagt Weber. Hilfreich wäre eine verstärkte Zuwanderung von Fachkräften. Das sei aber eher keine kurzfristige Lösung.
Raum sieht der Experte dagegen bei der Umwandlung von Minijobs in sozialversicherungspflichtige Stellen oder bei der gezielten Anwerbung Langzeitarbeitsloser, „da haben wir noch immer knapp 300.000 mehr als vor der Krise.“
Der Dehoga fordert, die geplante Erhöhung der Verdienstgrenze für Minijobs vorzuziehen. Eigentlich soll diese erst am 1. Oktober von 450 auf 520 Euro steigen. Eine schnellere Anhebung würde bei der Überbrückung von Personalengpässen helfen, sagt Geschäftsführerin Hartges: „Gerade in der Außengastronomie, die ja witterungsabhängig auch schon im Frühjahr gut besucht wird, sind Minijobber wirklich extrem wichtig für uns.“ (dpa/red)
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