Schwieriger Neustart der Messen nach Corona-Krise
Begeisterte Camping-Fans bei der Stuttgarter CMT, Gedränge bei der Grünen Woche in Berlin: Die erste deutsche Messe-Saison nach der Pandemie hat zu Jahresbeginn schnell Fahrt aufgenommen. Doch vor der Neuauflage der Konsumgüter-Leitmesse Ambiente (3.-7. Februar) in Frankfurt wird deutlich, dass die Pandemie-Zwangspause den Wandel der Geschäftsplattformen enorm beschleunigt hat. Insbesondere die Fachmessen müssen um jeden Besucher kämpfen.
Normalisierung für 2024 erwartet
Der Branchenverband Auma rechnet seiner aktuellen Mitgliederumfrage zufolge erst für 2024 mit einer Rückkehr auf das Vor-Corona-Niveau, wenn das laufende Programm problemlos abgewickelt werden kann. Rund 340 größere Messen sind 2023 zwischen Husum und Friedrichshafen geplant, nur etwas weniger als im Jahr 2019 (351). Noch fehle das internationale Publikum in gewohnter Stärke, sagt Auma-Geschäftsführer Jörn Holtmeier, der „Deutschen Presseagentur“ (dpa). Er verweist zudem auf instabile Lieferketten und zunehmende Unwägbarkeiten der Weltwirtschaft.
Das gerade um eine Halle erweiterte Frankfurter Messegelände ist zur Frühjahrsmesse Ambiente mit einer Rekordfläche von 353.000 Brutto-Quadratmetern voll ausgebucht. Die Messegesellschaft hat dafür ihr Konsumgüterangebot auf einen Termin konzentriert.
Erklärtes Ziel der Weltleitmesse: Den Abstand zur Nummer zwei vergrößern. Einkäufer und Aussteller sollen möglichst nicht um den Termin am Main herumkommen – egal ob sie feinste Gläser oder ganze Containerladungen mit Gebrauchsgeschirr handeln.
Die Frankfurter Herbstmesse Tendence erlitt für die Konzentration ebenso einen stilles Corona-Ende wie die Paperworld, deren einstige Schwestern Christmasworld (Weihnachtsschmuck) und Creativeworld (Bastel- und Kreativbedarf) nun der Ambiente angegliedert sind, statt einen eigenen Termin zu füllen.
Stephen Kurzawski, in Frankfurt seit Jahren für die Konsumgüterveranstaltungen verantwortlich, äußert offen, was er denkt. Man könne schon sehr froh sein, wenn nur 20 Prozent der früheren Gäste wegblieben. „Mehr schafft bislang keine Präsenzmesse.“
Statt früherer Zahlen um die 140.000 Fachbesucher will er bei der neu und breiter aufgestellten Ambiente schon bei 100.000 Besuchern von einem Erfolg sprechen.
Die Rückkehr der Normalität
„Das ist das richtige Zeichen, dass die Normalität zurückkehrt“, sagt Oliver Kasties, Hauptgeschäftsführer des Gastgewerbeverbandes Dehoga Hessen, zum Neustart. Gerade die Frankfurter Hotellerie hängt stark an den Geschäftsreisenden und hat in den Pandemie-Jahren gelitten.
Neben der Schließung mehrerer Luxushotels kamen neue, noch vor der Pandemie geplante Häuser mit drei und vier Sternen auf den Markt. „Die müssen sich jetzt alle beweisen.“ Zur Buchungslage hält sich der Verband bedeckt: Ausgebucht sei man nicht, zumal die große Gruppe der Gäste aus China nach wie vor fehle.
Selbst Freizeitmagneten wie die Stuttgarter Publikumsmesse CMT erreichen trotz Tourismus-Sonderkonjunktur nicht ganz die alten Besucherzahlen. Statt 300.000 kamen an den neun Messetagen 265.000 Menschen, um sich über Reiseziele, Golf, Wellness oder Caravans zu informieren.
Die Messe Stuttgart zeigte sich dennoch angesichts der mehr als 1.600 Aussteller sehr zufrieden.
Die Messe als Anbieter von Lösungen
Das allein wird bei den Fachmessen nicht genügen, wenn Reise-Etats strenger geführt und digitale Handelskanäle immer wichtiger werden. „Die Messe muss zum Lösungsanbieter werden und nicht nur Quadratmeter verkaufen“, fasst der Frankfurter Bereichsleiter Philipp Ferger die Herausforderung zusammen.
Das ganze Jahr müsse man über die starken Messemarken der jeweiligen Branche Mehrwert schaffen, ergänzt Ambiente-Managerin Julia Uherek. Nachträgliche Order über die Internetplattform sind bereits gängig. Webinare, Experteninterviews, Blogs und andere fachspezifische Inhalte sollen folgen, um die Kunden das ganze Jahr bei der Stange zu halten – damit sie auch 2024 auf die Messe Frankfurt kommen, um die Produkte live zu erleben und neue Geschäfte per Handschlag zu besiegeln.
Viele Herausforderungen
Spätestens seit Februar 2022 befinden sich Wirtschaft und Gesellschaft hierzulande im Dauerturbomodus, was Krisen und Change-Prozesse angeht, heißt es auf der Internetseite des Auma. Aufschluss über die Bewältigung der vielfältigen Herausforderungen soll ein „Trendpaper 2023“ geben, das der Bundesverband Industrie und Kommunikation (bvik) kürzlich veröffentlicht hat.
Demnach bleibt die Messe ein wichtiger Bestandteil im Marketing-Mix der Industrieunternehmen. „Messen werden zu analogen Kraftzentren im digitalen Zeitalter“, heißt es im Papier unter anderem. In einer digitalisierten Welt seien Messen wichtige „analoge Highlights“, die Orientierung, Emotionen und Begegnungen bieten.
Branche kommt aus einem wirtschaftlich tiefen Tal
Nach Ansicht der Auma findet die Messewirtschaft „langsam wieder ihren Rhythmus“, wie ein Sprecher auf Anfrage von Epoch Times mitteilt. 2023 könne das erste bessere Jahr seit Beginn der Corona-Pandemie werden. „Wir kommen jedoch auch aus einem wirtschaftlich sehr tiefen Tal. Zwei Jahre Messeverbot lasten noch schwer auf der Branche“, betont der Sprecher.
Problematisch sei die Arbeitsmarktsituation. Der Auma habe in den vergangenen beiden Jahren stets auf die gefährdeten Jobs hingewiesen. 165.000 seien „in der Spitze“ durch Kurzarbeit gesichert worden. „Sachlage ist, dass in allen Bereichen der Messewirtschaft – bei Veranstaltern, Dienstleistern, Geländebetreibern – etliche hoch motivierte und qualifizierte Fachkräfte abgewandert sind, weil ihnen nach zwei Jahren Messestopp die Perspektive fehlte“, so der Sprecher weiter.
Wie viele Menschen ihre Arbeit verloren oder von sich aus die Branche verlassen haben, sei nicht bekannt. Wie in vielen Branchen fehlten nun aber nicht nur Fach-, sondern auch Arbeitskräfte.
Den gesamtwirtschaftlichen Schaden durch Verbote, Verschiebungen und Streichungen von Messen gibt der Sprecher mit mehr als 60 Milliarden Euro an. Die Einbußen für den Fiskus schätzt er auf knapp zehn Milliarden Euro. „2019 trug die Messewirtschaft noch mit 28 Milliarden Euro zum volkswirtschaftlichen Jahresplus bei“, betont der Sprecher und beruft sich dabei auf Berechnungen des Münchner ifo Instituts.
Vertrauen durch persönliche Begegnungen
Waren während der Pandemie virtuelle Veranstaltungen offenbar das Modell der Zukunft, wird inzwischen aber auch in Zusammenhang mit Messen wieder die Wichtigkeit der „analogen Begegnung“ hervorgehoben. Für den Auma-Sprecher eine Konsequenz aus den langen Kontaktverboten und -einschränkungen.
„Die Bedeutung der persönlichen Begegnung“ sei während der Pandemie klar geworden. „Menschen wollen sich treffen.“ Deutlich geworden sei auch, dass gute Ideen ihre Marktplätze brauchen. „Vertrauensaufbau beginnt aber meist mit persönlichen Gesprächen.“
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