Rekordgewinne vorbei: Banken stehen vor harten Zeiten
Käme es zu einem Wirtschaftseinbruch, dann wäre es um manche deutsche Bank nicht gut bestellt. Zu diesem Ergebnis kommt ein Stresstest, mit dem die Finanzaufsicht Bafin und die Bundesbank die Widerstandsfähigkeit kleiner und mittelgroßer Banken überprüft haben.
Anders als beim zuletzt simulierten Stresstest im Jahr 2022 wurde dieses Mal das Krisenszenario verschärft und gravierendere wirtschaftliche Rückgänge vorgegeben, darunter einen stärkeren Einbruch des Bruttoinlandsprodukts sowie ausgeprägtere Krisen an den Immobilien-, Aktien- und Anleihenmärkten. Auch wurde eine kumulierte Inflationsrate von 13,6 Prozent über drei Jahre vorgegeben. Vor zwei Jahren waren es noch 6,6 Prozent gewesen. Ziel des Szenarios ist es, die Resilienz des Finanzsektors zu testen und insbesondere schwache Institute zu identifizieren.
Rund 60 Banken durchgefallen
Auf einer Pressekonferenz am vergangenen Montag sagte der oberste BaFin-Bankenaufseher, Raimund Röseler, dass mehr etwa 60 Bankinstitute in so einem Stressszenario Schwierigkeiten bekommen hätten. Bei diesen Instituten sank nach Angaben Röselers die Kapitalquote bei einem Wirtschaftsaufschwung unter die Anforderungen der Aufsicht. Betroffen seien sowohl Privat- als auch Genossenschaftsbanken und Sparkassen. Die Zahl der betroffenen Banken sei dieses Mal doppelt so hoch wie im Jahr 2022, heißt es in der Mitteilung der Bafin.
Dieser Anstieg sei nach Angaben von BaFin-Exekutivdirektor Bankenaufsicht Röseler hauptsächlich auf die verschärften Vorgaben des diesjährigen Tests zurückzuführen. Insgesamt hätten 1.200 Institute am Stresstest teilgenommen. Etwa jedes zwanzigste Institut hätte sich dabei als Problemfall erwiesen. Das sei „kein Grund zur Panik, aber ein Grund, diese Institute noch genauer im Auge zu behalten“. Die Ausreißer will Röseler „sehr eng begleiten. Wenn nötig, werden wir mit aufsichtlichen Maßnahmen frühzeitig gegensteuern.“
Deutschland besitzt besonders viele Banken
Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern gibt es in Deutschland besonders viele Banken. Der Bundesverband deutscher Banken, in dem sich Privatbanken zusammengeschlossen haben, geben auf ihrer Website 155 Banken an, die in ihrem Verband Mitglied sind. Hinzu kommen nach Angaben des Verbandes noch 29 außerordentliche Mitglieder wie FinTechs.
Über den Privatbankensektor hinaus gibt es in Deutschland noch 350 Sparkassen und knapp 700 Volks- und Raiffeisenbanken, die meistens in einem festen lokalen Geschäftsgebiet tätig sind. Vor allem letztere Bankenmodelle vergeben den Großteil der Kredite an kleinere Unternehmen und sind auch im Bereich des Geschäfts mit Privatkunden führend.
Auf die Gesamtheit betrachtet, stehen die deutschen Bankhäuser allerdings stabiler da als in den vergangenen Jahren, betonte BaFin-Chef Röseler auf der Pressekonferenz. „Die Rentabilität der kleinen und mittelgroßen Banken und Sparkassen in Deutschland hat sich im Jahr 2023 deutlich verbessert.“
Zinswende bescherte Banken Rekordgewinne
Ein wichtiger Faktor, dass die Banken in Deutschland wieder stabiler dastehen, sind die gestiegenen Zinsen der Europäischen Zentralbank. Die meisten Institute haben davon in den letzten Jahren profitiert.
Durch die gestiegenen Zinsen der EZB konnten die deutschen Banken höhere Zinsmargen erzielen: Sie konnten Kredite zu höheren Zinsen vergeben, während die Zinsen auf Einlagen langsamer stiegen. Zeitweise erhielten sie vier Prozent Zinsen, wenn sie über Nacht Geld bei der Notenbank parkten.
Von den Notenbankzinsen gaben sie nur relativ wenig an ihre Kundinnen und Kunden weiter. Damit fuhren die Institute im vergangenen Jahr Rekordergebnisse ein. Die Sparkassen verdienten vor Steuern 17 Milliarden Euro, die Genossenschaftsbanken elf Milliarden Euro. Die Deutsche Bank erzielte beispielsweise einen Vorsteuergewinn von 5,7 Milliarden Euro und kündigte Ausschüttungen an Aktionäre in Höhe von 1,6 Milliarden Euro an.
Der Stresstest wurde inzwischen zum sechsten Mal durchgeführt. „Die meisten Institute sind gut kapitalisiert und können die sehr anspruchsvollen Herausforderungen des diesjährigen Stresstests meistern“, sagte Röseler.
Die fetten Jahre für Banken währten aber offensichtlich nur kurz. Gerade erst hat BaFin-Präsident Mark Branson in einem Interview mit dem „Handelsblatt“ Deutschlands Bankhäuser vor schwierigen Zeiten gewarnt. Vor allem steigende Kreditausfälle könnten in Zukunft den Instituten das Leben schwer machen. Die „Sonderkonjunktur ist jetzt vorbei“, sagte Branson. Die EZB hat den Einlagezins inzwischen wieder auf 3,5 Prozent gesenkt.
Banken rechnen mit Werteberichtigungen
Kreditinstitute rechnen offensichtlich auch zunehmend mit Werteberichtigungen auf sogenannte notleidende Kredite, also Darlehen, deren Zins- und Tilgungsraten nicht mehr bedient werden können. „Nach Erkenntnissen aus der Umfrage zur aktuellen und zukünftigen Ergebnislage und Risikosituation planen die Institute auch mit zunehmenden Wertberichtigungen“, schreibt die BaFin dazu in ihrer Mitteilung.
Besonders auf dem Immobilienmarkt rechnen Banken und Sparkassen offenbar mit Werteberichtigungen. „Unsere Analyse zeigt, dass der überwiegende Teil der Banken und Sparkassen bei Gewerbeimmobilien wenig optimistisch bleibt. Dieses Segment wird auch weiter fest im Blick der Aufsicht liegen“, wird Bundesbank-Vorstand Michael Theurer in der Mitteilung zitiert. Besser sei der Ausblick bei Wohnimmobilien, allerdings werden bei energetisch sanierungsbedürftigen Gebäuden rückläufige Marktwerte erwartet.
Bankenaufsicht schaut mit Sorge auf Fusionen
In den kommenden Jahren sehen sich Banken laut Stresstest mit mehreren Problemen konfrontiert: der Gewinnung von Personal, der verschärften Konkurrenz um Einlagen sowie einer weitere Eintrübung des wirtschaftlichen Umfelds. „Insbesondere die Herausforderungen durch den demografischen Wandel werden auch den Bankensektor nachhaltig prägen“, so Theurer.
Sorgen macht Bundesbank und BaFin allerdings das hohe Tempo der Bankfusionen. Viele Bankmitarbeiter stehen kurz vor dem Ruhestand. Bei den Sparkassen, die im Privatkundengeschäft führend sind, betrifft das bis 2034 etwa 45.000 Mitarbeiter. Das wäre fast ein Viertel der zuletzt rund 190.000 Beschäftigten. Bei den Genossenschaftsbanken stehen 30.000 Mitarbeiter vor dem Ruhestand, ebenfalls ein Viertel der Belegschaft.
Der resultierende Personalmangel führt dazu, dass viele Banken einem Zusammenschluss aufgeschlossen gegenüberstehen. „Wenn 50 Prozent der Institute überlegen zu fusionieren, finde ich das schon bedenklich“, kommentierte Röseler. 54 Prozent der Geldinstitute gaben an, sich eine Fusion vorstellen zu können oder bereits in einem Fusionsprozess zu sein.
Röseler betonte weiter, der kleinteilige deutsche Bankensektor passe sehr gut zur mittelständischen Wirtschaft. Wenn die Hälfte der Institute fusioniere, weil sie vielleicht nicht mehr wettbewerbsfähig seien, müssten sich Aufseher und Regulatoren damit beschäftigen.
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