Regierung wollte größten Finanzskandal der Nachkriegszeit als „reinen Bilanzskandal“ verkaufen
Nach Befragungen von über 100 Zeugen, darunter Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), haben die Vertreter von Grünen, Linken und FDP im Wirecard-Untersuchungsausschuss am Montag ein Sondervotum vorgestellt.
„Es geht um den größten Börsen- und Finanzskandal der Nachkriegszeit“, heißt es in dem Dokument, das der Nachrichtenagentur „AFP“ vorliegt. Dieser sei durch „kollektives Aufsichtsversagen“, sowie ein „politisches Netzwerk“ und der Sehnsucht nach einem „digitalen nationalen Champion“ ermöglicht worden.
Neben dem Versagen der Aufsichtsbehörden gebe es auch eine klare politische Verantwortung für den Skandal, betonte Fabio de Masi (Linke). Dies sei der zentrale Unterschied zum Abschlussvotum der Koalitionsparteien CDU/CSU und SPD, das für Ende Juni erwartet wird. Es herrsche „ein ganz klares Waffenstillstandsabkommen in der großen Koalition, dass man die politische Verantwortung nicht benennt“, sagte de Masi.
De Masi: Scholz hat keine Verantwortung übernommen
Auf Seiten der Union gebe es Personalien [z.B. Bundeskanzlerin Angela Merkel], die sich aktiv für Wirecard eingesetzt hätten. Auf Seiten der SPD gebe es den für die Bankenaufsichtsbehörde BaFin zuständigen Bundesfinanzminister Scholz. „Zu politischer Führung und Verantwortung gehört es auch, Verantwortung zu übernehmen“, sagte de Masi. Das habe Scholz nicht getan, „er hat sich immer weggeduckt“.
Auch der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Florian Toncar, sah Versäumnisse bei der BaFin und der Antigeldwäscheeinheit des Zolls, der Financial Intelligence Unit (FIU). Er forderte den Rücktritt der für diese beiden Behörden zuständigen Staatsminister. „Der Wirecard-Skandal war kein Naturereignis, sondern er war verhinderbar“, sagte Toncar.
Toncar: Betrug zwar durchdacht, aber nicht perfekt organisiert
Die Arbeit des Untersuchungsausschusses habe ergeben, dass der Betrug zwar durchdacht, aber nicht perfekt organisiert war. „Es wäre geradezu zwingend gewesen, dass Behörden und Prüfer früher eingestiegen wären und früher diese Sache beendet hätten“.
Die Grünen-Politikern Lisa Paus betonte, der Untersuchungsausschuss habe „intensiv und breit gearbeitet“. Zweck des Sondervotums sei es, der Arbeit des Untersuchungsausschusses „voll Rechnung zu tragen“.
Ziel der Bundesregierung im Laufe des Wirecard-Skandals sei es gewesen, diesen zu einem „reinen Bilanzskandal hinunterzukochen“, kritisierte Paus. „Natürlich gibt es eine politische Verantwortung – es war ein milliardenschweres Behördenversagen“.
Wirecard hatte Ende Juni 2020 Insolvenz angemeldet und soll zuvor jahrelang die Bilanzen gefälscht haben. Der im Oktober 2020 beschlossene Untersuchungsausschuss soll die Vorkommnisse rund um den einstigen Dax-Konzern aufarbeiten und insbesondere das Vorgehen der Bundesregierung und der ihr unterstehenden Behörden untersuchen. (afp)
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