Prämiensparverträge: Gegen unwirksame Kündigungen und falsche Zinsberechnungen vorgehen
„Wenn’s um Geld geht, Sparkasse.“ Das war einmal – aus für die Prämiensparverträge. Zunehmend mehr Sparkassen kündigen gut verzinste Prämiensparverträge, mit denen sie zwischenzeitlich nur noch Verluste machen. Mehr als 50 von rund 380 deutschen Sparkassen hätten solche Sparverträge bereits gekündigt oder avisiert, hat das Handelsblatt recherchiert, zuletzt München, Nürnberg und Dresden.
Der Grund: Die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank bringt die Sparkassen in die Bredouille.
Neben Verbraucherschützern äußern zunehmend auch Anwälte Bedenken, dass neben unzulässigen Kündigungen auch noch die Zinsberechnungen falsch seien. Verbraucher könnten sich dagegen wehren.
Bei Prämiensparverträgen zahlt der Kunde monatlich einen bestimmten Betrag ein. Dafür erhält er eine jährliche Verzinsung und nach einer festgelegten Frist eine Prämie, die auf bis zu 50 Prozent der eingezahlten Summe steigen kann.
Laufzeiten: Wann eine Kündigung unwirksam ist
Sparkassen stützen ihre Kündigung auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom 14. Mai 2019. Danach ist eine Kündigung in Ordnung, wenn die höchste Prämie gezahlt wurde und keine feste Laufzeit und auch sonst nichts weiter vereinbart wurde.
Verbraucherschützer befürchten nun, dass Sparkassen das Urteil zu ihren Gunsten nutzen. Denn nicht alle Verträge fielen unter das Urteil. Wenn ein Vertrag auf 25 Jahre ausgelegt sei, dürfe er selbstverständlich erst nach 25 Jahren gekündigt werden. Und wenn vereinbart sei, dass eine erstmals nach 15 Jahren Laufzeit gezahlte Höchstprämie noch zehn weitere Jahre gezahlt werden soll, dürfe auch erst nach 25 Jahren gekündigt werden, so die Verbraucherzentrale.
Die vereinbarte Laufzeit finden Sparkassenkunden in ihren Verträgen. Auch aus einem früheren Werbeprospekt könne man unter Umständen eine Laufzeit herleiten, allerdings nur in engen Grenzen.
Aufpassen bei Verträgen mit einer Dauer von 99 Jahren
Besonders abstrus seien Laufzeiten von 99 Jahren, sagt der Berliner Rechtsanwalt Dr. Thomas Storch, Partner der Kanzlei Storch & Kollegen, gegenüber der Welt. Hier seien Fälle gemeint, in denen ein unbefristeter Vertrag vererbt wurde. Sparkassen zufolge seien die „99 Jahre“ ein Systemfehler. Man konnte keine unbefristete Laufzeit eintragen, daher sei man auf 99 Jahre ausgewichen.
Der Berliner Anwalt meint jedoch, Verträge sind so einzuhalten, wie sie geschlossen wurden. Und 99 Jahre seien nicht unbefristet, sondern befristet. Sparkassen dürften hier also nicht kündigen.
Wie man sich gegen Kündigungen wehren kann
Dr. Storch und die Verbraucherzentralen raten Verbrauchern, schriftlich und fristgerecht gegen die Kündigung Widerspruch einzulegen. Kürzlich hat die Verbraucherzentrale dazu einen aktualisierten Musterbrief veröffentlicht. Sparraten sollten die Verbraucher dann weiterzahlen, Alternativangeboten solle man skeptisch gegenüber stehen. Nehme man das an, habe man die Chance vertan.
Dabei empfehlen beide rechtlichen Beistand – sei es durch die Verbraucherzentrale oder einen Anwalt. Dr. Storch strebt Musterklageverfahren an, die zur allgemeinen Klärung dienen sollen, unter anderem für Fälle aus Brandenburg, Nürnberg und München.
Zinszahlungen überprüfen lassen
Verbraucherschützer und zwischenzeitlich auch Anwälte vermuten, dass die Sparkassen auch bei den Zinsen geschummelt haben. In vielen Verträgen haben die Sparkassen die Zinsen nach unten angepasst, teilweise auf bis zu 0,001 Prozent. Dabei berufen sie sich auf eine sogenannte Zinsanpassungsklausel. Diese Klausel könne rechtswidrig sein.
Rechtsanwalt Guido Lenné aus Leverkusen und Verbraucherschützer sehen gute Chancen, dass Sparkassen nachzahlen müssen. Er führt aktuell eine Klage für einen Mandanten, der mitunter zwei bis drei Euro auf eine Sparsumme von 32.000 Euro erhielt. Die Verbraucherzentrale hatte einen vorenthaltenen Zins von 7000 Euro berechnet.
Banken können die Zinsen nicht einfach so anpassen“, betont er.
Worauf Verbraucher beim Zins achten sollten
Nach Auffassung von Verbraucherzentralen und Rechtsanwalt Lenné könnte die Zinsberechnung falsch sein, wenn man folgende Fragen mit „Ja“ beantwortet.
- Ist geregelt, wie und wann sich der Zins ändert?
- Hat die Bank den Zins nach eigenem Gutdünken angepasst und den Kunden nicht informiert?
- Ist eine einfache Zinsänderung vereinbart?
- Gibt es gar keine Vereinbarung zum Zins?
„Schwammige und für Verbraucher undurchsichtige Regelungen“ seien jedenfalls nicht zulässig, betont Lenné. Vielmehr müsse die Sparkasse einen Referenzzinssatz nennen. Bei dessen Änderung dürfe sich der Vertragszins proportional ändern.
Nach Einschätzung der Verbraucherzentrale können mitunter Beträge in drei- bis vierstelliger Höhe zurückgefordert werden. Verbraucher sollten die Klausel auf jeden Fall prüfen und nachberechnen lassen. Dafür hat die Verbraucherzentrale einen weiteren Musterbrief zur Verfügung gestellt. (bm)
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