Ostdeutsche Wirtschaft wächst schneller als im Westen
Die ostdeutsche Wirtschaft wächst schneller im Vergleich zu Gesamtdeutschland. Das zeigt die heute vorgelegte „ifo Konjunkturprognose für Ostdeutschland und Sachsen“. Die Prognose für das Jahr 2024 deutet darauf hin, dass sie um 1,1 Prozent wachsen wird, während Gesamtdeutschland insgesamt lediglich ein Wachstum von 0,4 Prozent erwartet. In Sachsen erwarten die Wirtschaftsexperten mit 0,4 Prozent ein ähnliches Wachstum wie in Gesamtdeutschland. Das bliebe unter dem Durchschnitt der ostdeutschen Bundesländer.
Bereits im ersten Quartal dieses Jahres zeigte die ostdeutsche Wirtschaft eine positive Entwicklung, während die Gesamtwirtschaft Deutschlands eher flau verlief. Insbesondere im Sektor der konsumnahen Dienstleistungen verzeichnet Ostdeutschland ein kräftiges Wachstum. „Die Industrie in Ostdeutschland ist zugleich weniger stark von Produktionsbeschränkungen betroffen, was ihre Wachstumsaussichten weiter verbessert. Daher dürfte Ostdeutschland in diesem Jahr insgesamt eine robustere Wachstumsleistung zeigen“, sagt Joachim Ragnitz von der Dresdner Niederlassung des ifo Instituts in der Mitteilung zur Veröffentlichung der Prognose.
Im Gegensatz dazu bremsen in Sachsen vor allem die Industrie und der Bau das Gesamtwachstum. Diese Sektoren stehen vor Herausforderungen, die das Wirtschaftswachstum im Bundesland beeinträchtigen könnten, heißt es in der Prognose.
Wachstum könnte an Fahrt gewinnen
Laut ifo Institut könnte das Wachstum auch im kommenden Jahr weiter an Fahrt gewinnen. Alles in allem dürfte das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt in Ostdeutschland um 1,7 Prozent steigen, in Deutschland um 1,5 Prozent. Für Sachsen wird ein Wert von 1,4 Prozent erwartet.
Das Institut geht davon aus, dass bei einem wachsenden Weltmarkt, weiter sinkenden Zinsen, rückläufiger Inflation und steigenden Reallöhnen auch die hiesige Industrie wächst. Das zusätzlich verdiente Geld fließe in den Konsum, sagt Ragnitz. Auch die Dienstleister dürften nächstes Jahr merklich zum Wachstum beitragen.
Ragnitz zufolge arbeitet sich die deutsche Wirtschaft allmählich aus einer Schwächephase mit leichter Schrumpfung im vergangenen Jahr heraus. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt schätzt er dennoch als „mau“ ein. Sie soll sich nach der Prognose in diesem Jahr nur „sehr verhalten“ verbessern. Ostdeutschland könne mit einer Zunahme der Zahl der Erwerbstätigen von 0,2 Prozent rechnen. Im nächsten Jahr soll der Arbeitsmarkt jedoch stagnieren, nicht zuletzt aufgrund der unvorteilhaften demografischen Entwicklung, heißt es.
Ostdeutschland als Schlüssel zum Wachstum
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte schon vor einer Woche gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe die Wirtschaft in Ostdeutschland als Schlüssel bezeichnet, um die noch immer lahmende Konjunktur im Land auf Trab zu bringen. „Das Wirtschaftswachstum kommt langsam aus der Krise – gezogen derzeit vom Osten“, so Habeck. Viele Menschen machten sich dort Gedanken, wie man neue Wege gehen könne. „In der Lausitz, in Schwedt, in Leuna und an etlichen anderen Orten.“
Habeck sagte, dass Unternehmen dort investieren, wo die Bedingungen günstig sind. Er betonte, dass Ostdeutschland immer vielfältiger wird. Ein Beispiel dafür seien die bedeutenden Investitionen von Intel in Magdeburg, die als Vorbild für weitere Investitionen dienen könnten. Die Bundesregierung unterstützt die Ansiedlung von Intel mit zehn Milliarden Euro. Ab 2027 plant das US-Unternehmen, in Magdeburg mit der Produktion zu beginnen.
Oliver Holtemöller, Konjunkturexperte am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle, gibt gegenüber dem mdr noch einen anderen Grund dafür an, dass Ostdeutschland im Moment im deutschen Gesamtvergleich so gut dasteht. Holtemöller sagt, tatsächlich sei der Osten in die Krise gar nicht so tief hineingerutscht. Die gesamtdeutsche Wirtschaft sei vergangenes Jahr um 0,3 Prozent geschrumpft. Die ostdeutsche Wirtschaft hingegen sei um 0,7 Prozent gewachsen. „Aus konjunktureller Perspektive ist es tatsächlich so, dass in den vergangenen ein bis zwei Jahren die ostdeutsche Wirtschaft besser dastand als die westdeutsche.“
Holtemöller nennt mehrere Gründe dafür. Einerseits wurde der Osten durch die Krise weniger stark getroffen, da er weniger von Exporten ins Ausland abhängig ist. Andererseits spielten auch Sondereffekte eine Rolle: Die Erhöhung der Renten und des Mindestlohns hat die Kaufkraft erhöht.
Osten kann Westen nicht aus der Krise führen
Robert Lehmann vom ifo Institut Dresden ergänzt im mdr, dass im Osten einige Großinvestitionen zu den Wachstumszahlen beigetragen haben. „Besonders Tesla in Brandenburg hatte ein sehr kräftiges Wachstum, vor allem im verarbeitenden Gewerbe.“ Zusätzlich gab es in Mecklenburg-Vorpommern einen Sondereffekt durch den Ausbau und die Inbetriebnahme des neuen LNG-Terminals. Auch Werften erhielten im Rahmen des Sondervermögens mehr Rüstungsaufträge.
Die Stimmung unter ostdeutschen Unternehmen, so Lehmann, sei besser als unter westdeutschen. Dabei verweist der Experte auf die Zahlen des Geschäftsklimaindex.
Konjunkturexperte Oliver Holtemöller stellt jedoch klar, dass der Osten allein den Westen nicht aus der Krise führen wird. Wirtschaftliches Wachstum konzentriert sich größtenteils auf urbane Gebiete, wobei der Westen mit Städten wie dem Ruhrgebiet, München, Hamburg und Frankfurt am Main mehr Möglichkeiten hat. Daher sei es unrealistisch zu erwarten, dass der Osten Deutschlands plötzlich zum führenden wirtschaftlichen Motor wird. Vielmehr müsse man sich die einzelnen Regionen genauer ansehen. Bezüglich der Industrieansiedlungen bestehe die Erwartung, dass dort, wo neue Industrien entstehen, auch die Wirtschaftskraft entsprechend zunehmen wird. Das werde jedoch nicht das Zugpferd für Westdeutschland sein.
Im Osten fehlen, so Holtemöller, langfristig auch Arbeitskräfte. Die Bevölkerung sei älter und die Zuwanderung von Fachkräften sei im Vergleich zum Westen gering. Dennoch zeigt der Osten aktuell sein Potenzial.
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