OECD-Prognose: Deutschland geht die Luft aus – Prognose für Wachstum weiter gesenkt

Die OECD hat ihre Prognose für das Wachstum der Weltwirtschaft angehoben. Deutschland traut sie jedoch keines zu. Und das soll sich auch perspektivisch kaum ändern.
Der OECD zufolge dürfte sich die Weltwirtschaft in diesem Jahr langsam erholen.
Der OECD zufolge dürfte sich die Weltwirtschaft in diesem Jahr langsam erholen.Foto: Sina Schuldt/dpa/Symbolbild
Von 8. Juni 2023

Die Weltwirtschaft wird, so schätzt die OECD, in ihrer jüngsten Prognose, 2023 etwas stärker wachsen als angenommen. Die Industrieländer-Organisation geht nun von einem Wachstum von 2,7 Prozent aus. Zuvor lautete die Schätzung noch auf 2,6 Prozent. Für Deutschland gilt dieser Optimismus nicht: Hier wird es 2023 gar kein Wachstum geben, heißt es vonseiten der OECD.

Gegenüber der Frühjahrsprognose stellt dies eine Absenkung um 0,3 Prozentpunkte dar. Das Fazit ist ernüchternd: Deutschlands Wirtschaft stagniert – und dank der hohen Inflation ist auch mit einem Rückenwind durch den Konsum zu rechnen. Die Stagnation stellt, wie der „Business Insider“ berichtet, dabei sogar das günstigere Szenario dar. Bereits im ersten Quartal des Jahres lag die Wirtschaftsleistung sogar um 0,5 Prozent unter dem Vorjahreswert.

OECD erwartet weitere Erholung der Weltwirtschaft im nächsten Jahr

Unter den Industrieländern liegt die Wachstumserwartung nur noch bei Russland mit minus 1,5 Prozent und Argentinien mit minus 1,6 Prozent unter der deutschen. Dabei ist mit Blick auf Russland zu konstatieren, dass es sich dabei um eine Kriegswirtschaft handelt, die sich im Umbruch befindet. Die Beziehungen zum Westen werden geringer, stattdessen weiten sich jene nach China und Indien aus.

Für die Weltwirtschaft insgesamt rechnet die OECD perspektivisch mit einer Erholung nach den traumatischen Erlebnissen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges. Die Energiepreise bewegten sich in den meisten Ländern wieder in Richtung Vorkriegsniveau.

Auch die Lieferketten würden sich wieder einspielen. Für das nächste Jahr rechnet die Industriestaaten-Organisation mit einem Plus von 2,9 Prozent. Dies sei jedoch nach wie vor unterhalb des Niveaus des Jahrzehnts vor Corona angesiedelt.

Überalterung als systemische Krise

Die vor allem mit Blick auf Deutschland eingetrübten Erwartungen überraschen wenig, wenn man auf die systemischen Unwägbarkeiten blickt, die Experten seit Längerem wahrnehmen. Eine jüngst veröffentlichte Berechnung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit unterstreicht: Die deutsche ist nicht nur eine kurzfristige.

In der „Finanzmarktwelt“ findet sich eine ausführliche Analyse zu den Folgen der Überalterung, die in Deutschland Platz greift und immer stärker ihre ökonomischen Spuren hinterlässt. Darin ist etwa die Rede von der Erwartung des IAB, wonach die Zahl der potenziellen Arbeitskräfte im Land bei etwa 47 Millionen liege. Diese werde perspektivisch jedoch nicht mehr steigen – und in manchen Bereichen sei bereits ein Rückgang zu spüren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die stetige Ausweitung der Erwerbsbevölkerung ein Schlüsselfaktor für Wachstum und Produktivität in Deutschland. Als die einheimische Geburtenrate zu fallen begann, gelang es über einige Zeit hinweg noch, diesen Effekt durch Einwanderung auszugleichen. Allerdings droht auch dieses Rezept perspektivisch nicht mehr zu greifen.

Zahl der Erwerbsfähigen in Deutschland sinkt weiter

Zu diesem Ergebnis kommt auch die staatliche KfW. In einer Studie heißt es:

Diese Zeiten sind vorbei. Das Fundament für weiteres Wohlstandswachstum bröckelt.“

Ohne einen grundlegenden Wandel – für den es derzeit wenig Anzeichen gibt – werde die Zahl der Arbeitskräfte in Deutschland drastisch schrumpfen. Bereits im Laufe der kommenden zehn Jahre rechnet man mit einem Rückgang des Arbeitskräfteangebots um drei Millionen Personen oder sieben Prozent.

Das Wachstum werde schwächer, der Inflationsdruck höher, das verarbeitende Gewerbe findet nicht mehr ausreichend Mitarbeiter. Um das Arbeitskräftepotenzial konstant zu halten, müssten mindestens 400.000 Erwerbsfähige ins Land einwandern.

Die Politik meinte, die Migrationsbewegungen aus Syrien und der Ukraine würden Entlastung bringen. Tatsächlich hatte nach fünf Jahren erst etwa die Hälfte der seit 2015 ins Land gekommenen Geflüchteten Arbeit gefunden.

Bund will Einwanderung erleichtern – Kommunen ächzen unter zusätzlichen Aufgaben

Bereits seit Ende der 2010er-Jahre befindet sich die Zahl der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter im Rückgang. Einwanderung und ein Plus bei der Beschäftigung von Frauen und Rentnern wirkten dieser Entwicklung entgegen. Allerdings erreichen immer mehr geburtenstarke Jahrgänge das Rentenalter.

Bloomberg Economics geht davon aus, dass die demografische Entwicklung das Wachstum in Deutschland auch perspektivisch bei maximal einem Prozent einfrieren wird. In ähnlicher Weise hatte sich zuvor bereits der IWF geäußert. Deutschland wird – neben Japan – von der Entwicklung in besonderer Weise betroffen sein.

Während Bundesarbeitsminister Hubertus Heil versucht, die Einwanderung von Fachkräften zu erleichtern, stehen Länder und Kommunen vor erheblichen Herausforderungen. Sie klagen über überfüllte Schulen, zu wenig Wohnraum und fehlenden finanziellen Mitteln, um Integration zu flankieren.

OECD weist stagnierende Produktivität aus

Ein Ausbaupotenzial für den Arbeitsmarkt gebe es noch im Bereich der Menschen im Rentenalter. Etwa neun Prozent der Ruheständler üben in Deutschland noch eine Form der Erwerbstätigkeit aus. In den USA sind es derweil 20 Prozent.

Bezüglich der Frauenerwerbstätigkeit scheinen die Potenziale hingegen zunehmend ausgeschöpft zu sein. Beim Nachwuchs ist hingegen schon wieder ein besorgniserregender Trend zu beobachten: Derzeit gibt es bereits 100.000 Bewerber weniger als angebotene Lehrstellen. Gleichzeitig scheinen viele potenzielle Bewerber den Anforderungen an einen Lehrberuf nicht gewachsen.

Auch die Produktivität stagniert. Laut OECD ist diese in den USA seit 2015 um acht Prozent angestiegen – in Deutschland hingegen nur um zwei Prozent. Einer der Gründe dürfte der zunehmende politische Druck auf die Automobilindustrie sein. Wie der Maschinenbau leidet diese zudem unter den hohen Energiepreisen. Dazu kommt, dass die Digitalisierung auf allen Ebenen nur schleppend vorangeht. Ob das Phänomen ChatGPT hier in Deutschland einen Schub bewirken wird, ist noch ungewiss.



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