Nobelpreisträger warnt vor sinkender Arbeitsmotivation durch höhere Sozialleistungen

Der Wirtschaftsnobelpreisträger Prof. David Card sieht in den hohen Sozialleistungen eine Gefahr für die deutsche Volkswirtschaft. Bei der Migration hingegen könnte Deutschland für die Wirtschaft punkten – wenn da nicht die bürokratischen Hürden wären.
Mehr als 40 Milliarden Euro wurden 2023 für Bürgergeld ausgegeben. (Illustration)
Mehr als 40 Milliarden Euro wurden 2023 für Bürgergeld ausgegeben.Foto: Carsten Koall/dpa
Von 18. September 2024

Der Wirtschaftsnobelpreisträger Prof. David Card von der University of Berkeley in Kalifornien warnt davor, den Abstand zwischen Mindestlohn und Bürgergeld weiter zu verringern. In den 1990er-Jahren erforschte der renommierte Ökonom die Zusammenhänge von Mindestlohn und Beschäftigung. Dabei fand er heraus, dass ein höherer Mindestlohn – nicht wie behauptet – die Ursache von höherer Arbeitslosigkeit ist. Seine Erkenntnisse brachten ihm die Bezeichnung „Mister Mindestlohn“ ein.

Zum einen sei fraglich, ob eine Annäherung zwischen Mindestlohn und Bürgergeld „gesellschaftlich akzeptabel ist“. Zum anderen gibt der Professor gegenüber „Bild“ zu bedenken: „Es gibt mehr Leistungsempfänger, wenn höhere Beträge ausgezahlt werden.“

Dies gelte nicht nur für Empfänger des Bürgergeldes, sondern auch für Arbeitnehmer, die auf zusätzliche Sozialleistungen angewiesen sind, sowie bei Modellen zum bedingungslosen Grundeinkommen.

„Für jeden Dollar, den man mehr auszahlt, wird für einen Dollar weniger gearbeitet“, schildert Card.

Die Folgen seien weitere Einbußen in der Volkswirtschaft, denn eine sinkende Arbeitsleistung in der Bevölkerung führe zur Abnahme der Produktivität.

Vorsicht bei Mindestlohnerhöhung

Dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) den Mindestlohn, der aktuell bei 12,41 Euro liegt, im Jahr 2026 auf mindestens 14 Euro pro Stunde erhöhen will, hält der renommierte Professor ebenfalls für keine gute Idee.

„So etwas im Gesetz festzuschreiben, ist immer eine schlechte Idee“, sagte der Experte in einem Interview mit der „Süddeutschen“. „Man weiß nie, wie sich die Dinge entwickeln.“

Falls der Arbeitsmarkt in Not gerate, möchte man den Mindestlohn vielleicht für ein paar Jahre stagnieren lassen, bis die Lage sich wieder entspannt habe. „Daher wäre ich hier sehr vorsichtig“, mahnt Card.

Unrealistisch findet er auch die Forderung, den Mindestlohn so stark zu erhöhen, dass Menschen, die derzeit etwa Wohngeld bekommen, ausschließlich von ihrer eigenen Arbeit leben können.

Wer sich für Menschen mit geringerem Einkommen einsetze, müsse sich immer das Gesamtpaket anschauen und dürfe nicht nur den einzelnen Lohn für den einzelnen Arbeiter betrachten. In Deutschland sei der Alleinverdiener nicht mehr der Standard, wirft Card ein.

Mögliche Lösung: Regionale Mindestlöhne

Eine gute Variante hingegen wären regionale Mindestlöhne. Da könne man auch nicht argumentieren, dass es unfair sei, wenn etwa ein Fast-Food-Mitarbeiter in Meiningen für die gleiche Arbeit weniger verdient als ein Kollege in München. Denn in München seien die Mieten viel höher, selbst im Vorort.

Ihm zufolge zähle auch kein Argument der Fairness: „Wer das macht, will in der Regel für sich selbst mehr herausholen“, sagt Card. Er könne die Argumentation zwar nachvollziehen, aber letztlich gehe es um einen „egoistischen Vorstoß“ – mit Fairness habe das nichts zu tun.

Migration für Gesellschaft förderlich

Vorteile sieht der Arbeitsmarktforscher hingegen im Bereich Einwanderung, auch wenn viele Menschen „wütend wegen der Migration“ seien. Diese sei wünschenswert und förderlich für die Gesellschaft, denn je mehr Leute es in einer Gesellschaft gebe, desto mehr Geld sei da.

Vor einigen Jahren erforschte Card die Frage, woher der Widerstand gegen Migration kommt. Dabei fand er heraus, dass es eine Rolle spielt, „ob es den Leuten wichtig ist, dass ihre Nachbarn und Kollegen die gleiche Sprache sprechen, der gleichen Religion angehören, die gleiche ethnische Zugehörigkeit haben“. Die Einstellungen hierzu prägen die Meinung zur Einwanderung, so Card.

„In der Gastronomie und der Pflege kann man auch mit wenig Deutsch-Kenntnissen gut arbeiten“, sagt er.

Ein Problem sieht der Ökonom an einer anderen Stelle: „Der deutsche Arbeitsmarkt ist heute bekannt dafür, dass Zertifikate erforderlich sind, die Ausländer nicht haben können.“

In den 1960er und 70er-Jahren hingegen seien viele Türken nach Deutschland ausgewandert und hätten in der Stahlindustrie gearbeitet – ganz ohne Deutsch-Kenntnisse. „Das war auch möglich.“



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