Neue Sanktionen: Tanker mit russischem Öl nicht mehr versichert
Die EU-Staaten haben ein teilweises Öl-Embargo gegen Russland beschlossen. Nach langen Debatten konnte Ungarn durchsetzen, dass Lieferungen durch Pipelines nicht betroffen sind, sondern nur russisches Öl, welches über den Seeweg kommt.
Tankschiffe mit russischem Öl sollen künftig keinen Versicherungsschutz mehr in der EU und in Großbritannien erhalten. Damit wird Russland praktisch vom Versicherungsmarkt von Lloyd’s of London ausgeschlossen.
Da europäische Versicherer den größten Teil des weltweiten Ölhandels absichern, könnte dies auch Russlands Bemühungen, sein Öl in Asien zu verkaufen, untergraben, analysiert das „Wall Street Journal“. Die Reedereien von Frontline Ltd., eine der größten Tankerflotten der Welt, erklärten bereits Anfang Mai, dass sie kein Rohöl transportieren werden, wenn sie Schiffe nicht vor Gefahren wie Tankerschäden, Ölverschmutzungen und anderen Umweltschäden versichern können.
Dieses Verbot gilt weltweit und wird binnen sechs Monaten umgesetzt. Nur wenige Reedereien dürften sich bereit erklären, ohne Versicherung weiterhin Öl zu transportieren. Behörden in Dänemark, die das Nadelöhr zwischen Ostsee und Nordsee absichern, könnten zudem zögern, unversicherte Schiffe passieren zu lassen.
Risikoreich für Deutschland: Inflation
Im Jahr 2020 kamen 29 Prozent der Rohölimporte der EU aus Russland. Das Risiko, dass die Inflation aufgrund steigender Ölpreise weiter zunimmt, ist hoch. Das Versicherungsverbot dürfte die Ölpreise massiv treffen.
Von der beschlossenen Ausnahmeregel, die Ungarn erhalten hat, um sich weiterhin versorgen zu können, möchte die deutsche Regierung nicht profitieren. Deutschland verzichtet freiwillig auf Pipeline-Öl, zum Jahresende soll der Import eingestellt werden.
Olaf Scholz sieht trotz der Einschränkung auf Ölimporte über den Seeweg den Kompromiss als einen Erfolg an, weil er den Ölexport Russlands stark beschränken werde. Wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärt, würden sich die Ölimporte bis zum Jahresende um 90 Prozent reduzieren.
Wirtschaftsminister Robert Habeck geht das neue Embargo nicht weit genug. Er sprach von einem „Gewürge um das sechste Sanktionspaket“, mit dem er „nicht glücklich“ sei. Durch Ungarns Druck laufe die EU Gefahr, ihre Einigkeit zu verlieren.
Ostdeutschland hat das Nachsehen
Die einzige aus Russland kommende, 5.500 Kilometer lange Ölpipeline „Druschba“, beliefert neben Polen, Tschechien und der Slowakei die Raffinerien in Leuna und Schwedt. Gut ein Drittel des hierzulande benötigten Öls stammen aus dieser Quelle, die restlichen zwei Drittel bezog Deutschland bislang über den Seeweg.
Leuna wird vom französischen Konzern Total betrieben und kann auf Öl über den polnischen Hafen Gdańsk umstellen. Die Lage der Raffinerie Schwedt, die mehrheitlich der russischen Rosneft gehört, ist komplizierter. Polen möchte keinen russischen Eigentümer beliefern. Debattiert wird, möglicherweise das neue Energiesicherungsgesetz zu nutzen und die Raffinerie unter Treuhänderschaft zu stellen.
Alle technischen Parameter der Raffinerie in Schwedt sind auf das russische Öl abgestimmt, ein Umbau ist komplex und teuer. Erdöl aus Katar oder Saudi-Arabien hat eine ganz andere Zusammensetzung und benötigt andere Verarbeitungsmechanismen. Zudem kann es zu logistischen Problemen kommen, um die benötigten Ölmengen nach Schwedt zu bringen. Die Transportkapazitäten über Tankwagen und Schiene sind begrenzt.
Schwedt versorgt große Bereiche der östlichen Bundesländer und Berlin mit Benzin und Kerosin, vor Versorgungsengpässen wird gewarnt.
Schadet das Embargo Russland?
Nach Einschätzung von ifo-Chef Clemens Fuest wird das beschlossene teilweise Öl-Embargo Russland nicht besonders schaden. Russland könne sein Öl auch anderswo verkaufen, erklärte er im ZDF. Starke Abnehmer für russisches Öl sind China und Indien.
Pro Monat zahlt die EU laut dem Brüsseler Think Tank Bruegel etwa 10 Milliarden Dollar an Russland für Rohöl- und Ölprodukte. Es dürfte für Russland schwer sein, den „gesamten europäischen Markt zu kompensieren“, so Maria Shagina, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Think Tank des Internationalen Instituts für strategische Studien.
Einige OPEC-Staaten überlegen in diesem Zusammenhang, ob Russland weiterhin an einem Abkommen zur Ölproduktion beteiligt sein sollte, berichtet das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf Insider. Einen formellen Vorstoß in diese Richtung gibt es noch nicht. Hintergrund ist, dass die Sanktionen der EU Russland beeinträchtigen könnten, die entsprechenden Mengen Rohöl zu fördern. (ks)
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