Nahostkrise: Düngerpreise explodieren – Lebensmittel könnten folgen

Die Krise im Nahen Osten droht die Landwirtschaft weltweit zu treffen. Steigende Gaspreise führen automatisch über den Düngemittelmarkt zu höheren Kosten in der Landwirtschaft: Steht damit die nächste Erhöhung von Lebensmittelpreisen bevor?
Stickstoff ist ein zentraler Bestandteil von Düngemitteln.
Stickstoff ist ein zentraler Bestandteil von Düngemitteln.Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa
Von 28. Oktober 2024

Der Düngemarkt ist stark von globalen Faktoren wie Rohstoffpreisen, Energiepreisen und geopolitischen Ereignissen abhängig. Dünger ist wesentlicher Bestandteil der landwirtschaftlichen Produktion, der dazu beiträgt, Ernteerträge zu steigern.

Dabei dominieren im Markt verschiedene Düngemitteltypen. Die drei wichtigsten Düngerarten, die im Agrarhandel in unterschiedlichen Konzentrationen und Mischungen angeboten werden, sind Stickstoff (N), Phosphat (P) und Kalium (K). Stickstoff, Grundnahrungsmittel für Pflanzen, ist hierbei mengenmäßig das wichtigste Düngemittel.

Die Hauptproduzenten von Stickstoffdüngemitteln sind Russland, die USA und China. Bei Phosphat ist Marokko ein wichtiger Produzent. Rund 40 Prozent der weltweiten Kaliexporte stammen aus Russland und Belarus, aber auch Kanada ist ein wichtiger Exporteur.

Der Preis für Stickstoffdünger wird  wesentlich mitbestimmt vom Markt für Ammoniak, einem Zwischenprodukt der Düngerherstellung. Für die Ammoniakproduktion sind wiederum große Mengen Erdgas erforderlich. Niedrige Erdgaspreise sind ein wichtiger Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit der Düngemittelindustrie: Erdgas macht letztlich mehr als die Hälfte des Herstellungspreises von Stickstoffdünger aus.

Abhängig vom Verlauf des Konfliktes im Nahen Osten

In Deutschland sind aktuell die Stickstoffpreise, trotz der Energiekrise, anhaltend stabil – „noch“, schreibt das Fachblatt „Agrarheute“ in Hinblick auf den deutschen Markt. Am Weltmarkt hat sich Harnstoff (der ca. 45 % Stickstoff enthält) stark verteuert. In Frankreich schlägt sich das bereits in gestiegenen Preisen nieder. Die Eskalation im Nahen Osten treibt die Gaspreise zunehmend weiter hoch, und mit ihnen Kosten für die Stickstoffproduktion.

Die europäischen Erdgas-Futures, Terminkontrakte, die den Handel von Erdgas zu einem bestimmten Preis und zu einem festgelegten Zeitpunkt in der Zukunft ermöglichen, waren Mitte Oktober auf ein 10-Monats-Hoch von 40 Euro pro Megawattstunde angestiegen. Als Grund dafür werden die geopolitischen Spannungen im Nahen Osten gesehen und die in dem Zusammenhang befürchteten großen Versorgungsrisiken, so „Agrarheute“.

Es steht sogar die Befürchtung im Raum, dass die Versorgung mit Gas und Öl aus der wichtigen Schlüsselregion während des Kriegs ganz zum Erliegen kommen könnte, oder zumindest stark eingeschränkt werden.

An den Exporthäfen im Nahen Osten und in Ägypten sind die Harnstoffpreise bereits deutlich gestiegen, die angespannte Lage wirkt sich schon auf den globalen Stickstoffmarkt aus. Dieser Markt reagiert aufgrund des Anstiegs der Gas- und Ammoniakpreise, schreibt „Agrarheute“.

In Europa verhaltene Reaktionen

Die europäischen Preise sind diesem Anstieg bis jetzt nicht oder nur zum Teil gefolgt. Die Auswirkungen des Konflikts aber werfen ihre Schatten voraus.

Viele europäische Händler und auch Hersteller halten sich aktuell mit Preisnennungen zurück und warten könnten die weitere Entwicklung im Nahen Osten ab. Allerdings rechnen sie mit Preisaufschlägen – insbesondere bei Harnstoff. Mitte Oktober kostete Harnstoff in Frankreich 407,5 Euro je Tonne und damit 35 Euro mehr als zum Beginn des Monats.

Deutschland außen vor bei Preiserhöhungen – bis jetzt

In Deutschland haben sich die Düngepreise in der Zeit allerdings wenig verändert. Mit 450 Euro je Tonne Harnstoff zeigt sich kaum Bewegung seit Monatsanfang. Auch der Harnstoffpreis an den deutschen Importhäfen liegt aktuell bei 450 Euro je Tonne und ist damit genauso hoch wie zum Monatsbeginn. Ebenfalls die Preisforderungen für Kalkammonsalpeter (KAS) oder den Flüssigdünger Ammoniumnitrat-Harnstoff-Lösung (AHL) sind seit Monatsbeginn unverändert.

Für Kornkali verlangen die Händler aktuell etwa 287 Euro je Tonne und damit sogar 25 Euro weniger als zum Monatswechsel. Für den wichtigsten Phosphordünger der deutschen Bauern, Diammoniumphosphat (DAP), müssen an den Importhäfen diese Woche knapp 670 Euro je Tonne gezahlt werden. Auch hier liegen die Preise wie zum Monatsbeginn.

Obwohl die Gaspreise stark gestiegen sind, steigen die Düngepreise in Deutschland bisher nicht. Laut „Agrarheute“ haben Hersteller und Händler Preiserhöhungen zumeist wieder zurückgenommen. Das Fachblatt zu den Gründen: „Die Nachfrage aus der Landwirt ist wie eingefroren. Landwirte sind oft noch mit der Maisernte und der Aussaat von Wintergetreide beschäftigt. Angesichts der erneut gefallenen Getreidepreise sind vielen Bauern die Düngerpreise zu hoch.“

Der Dünger wird in der Regel über den Winter gekauft und gebunkert, die nächste Düngung steht für Landwirte im Frühjahr an.

Durch die steigenden Gaspreise geraten die Hersteller aber unter Druck. Die Düngemittelhersteller haben dadurch erhöhte Produktionskosten, die sie aber aktuell durch Preiserhöhungen nicht wieder einspielen können. Kurz: Höhere Düngerpreise lassen sich gerade nicht durchsetzen, da sie von den Landwirten nicht akzeptiert werden, was sich in der geringen Nachfrage ausdrückt.

Zur geringen Akzeptanz der derzeitigen Preise kommt möglicherweise ein geringerer Bedarf hinzu: Regenfälle in einigen Regionen in Süddeutschland und in Frankreich haben sowohl die Maisernte als auch die Aussaat von Winterkulturen behindert.

Energiepreise ziehen an

Derweil ziehen die Energiepreise weiter an, und damit auch automatisch die Produktionskosten für die energieintensive Düngemittelindustrie. Während laut Statistischem Bundesamt  im Februar  2024 in Deutschland der Erdgaspreis für die Kilowattstunde noch bei 26,09 Euro pro Kilowattstunde lag, sind es im Oktober bereits 40,12 Euro.

Wie sich die Situation weiterentwickelt, hängt maßgeblich von der Stabilität der Gasversorgung und den geopolitischen Entwicklungen im Nahen Osten ab. Kurzfristig könnte die hohe Füllrate der europäischen Gasreserven eine gravierende Knappheit verhindern.

Deutschland wird voraussichtlich auch in diesem Jahr ohne Engpass bei der Gasversorgung über den Winter kommen. Eine Verknappung von Gas vor dem Winter steht vorerst nicht im Raum. Mit 98 Prozent liegt der Füllstand der Gasspeicher derzeit sogar circa 7 Prozentpunkte über dem Mittel der Jahre 2017 bis 2021, meldet der „NDR“. Für Anfang November ist ein Füllstand von mindestens 95 Prozent angepeilt.

Sollte sich die Energiekrise verschärfen, könnte dies – wie schon in der Vergangenheit – eine signifikante Erhöhung der Lebensmittelpreise zur Folge haben.

Folgen für die Lebensmittelpreise: Blick auf die Vergangenheit

Bereits in der Vergangenheit haben Preissteigerungen bei Dünger die Lebensmittelkosten in die Höhe getrieben. Ein Beispiel ist die Energiekrise von 2007/2008, die durch steigende Rohölpreise gekennzeichnet war. In dieser Zeit verteuerten sich Düngemittel erheblich, teilweise bis zu 50 Prozent, was die Kosten für landwirtschaftliche Erzeugnisse in die Höhe getrieben hat  und weltweit zu höheren Lebensmittelpreisen führte.

Die Preise der vier Hauptnahrungsmittel Reis, Mais, Weizen und Sojabohne verdreifachten sich fast innerhalb von drei Jahren.

Erhöhung der Rohstoffpreise

Insbesondere der Anstieg der Dieselpreise wirkte sich in der 2007/2008er-Krise auf alle Stufen der Lebensmittelproduktion und -verteilung aus. Da Düngemittel und Transport vom Ölpreis abhängig sind, führte dessen Anstieg zu höheren Kosten für den Anbau und den Vertrieb von Nahrungsmitteln.

Ähnliche Effekte könnten sich auch in der aktuellen Situation einstellen. Vornehmlich könnten die Preise für Weizen, Mais und Soja von höheren Produktionskosten betroffen sein. Diese Grundnahrungsmittel spielen nicht nur eine zentrale Rolle in der Ernährung, sie sind auch wichtige Rohstoffe für die Tierfutterproduktion. Eine Preissteigerung in diesen Bereichen könnte sich auf die gesamte Versorgungskette mit Lebensmitteln auswirken und Verbraucherpreise empfindlich erhöhen.

Inflation besonders im Supermarkt zu merken

Dabei sind die Lebensmittelpreise seit 2020 bereits stark gestiegen – in den vergangenen drei Jahren um fast ein Drittel. Das zeigt eine Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes für den Zeitraum von Januar 2020 bis Mai 2024. In diesem Zeitraum sind die Zuckerpreise etwa um rund 80 Prozent gestiegen, Mehl und andere Getreideerzeugnisse um rund 50 Prozent. Auch Kartoffeln sind inzwischen fast 50 Prozent teurer als noch Anfang 2020.



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