Nach Uniper-Verstaatlichung: Luft für Gasumlage wird immer dünner
Nach der Ankündigung vom Mittwoch (21.9.), den Gas-Großimporteur Uniper zu verstaatlichen, ist nun bereits ein ähnlicher Schritt bei SEFE im Gespräch. Wie das „Handelsblatt“ berichtet, könnte die Bundesregierung auch die Hoheit über das Unternehmen an sich, das bis Juni als Gazprom Germania firmiert, übernehmen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte erklärt, dennoch bis auf Weiteres an der von ihm geplanten Gasumlage festhalten zu wollen.
Indessen gerät diese aber zunehmend unter Druck. Zweifel regen sich nicht nur an ihrer politischen Opportunität. Habeck selbst hatte im Zuge der Verkündung der Uniper-Verstaatlichung erklärt, dass es finanzverfassungsrechtliche Bedenken bezüglich der Gasumlage gäbe. Diese zu prüfen, sei die Aufgabe des Bundesfinanzministeriums unter Christian Lindner. Dieser erklärte, die Prüfung sei bereits abgeschlossen und es gebe keine rechtlichen Bedenken – auch unter der Prämisse der Verstaatlichung Unipers nicht.
Gasumlage de facto „Steuer für Gaskunden“
Diese Einschätzung stößt jedoch auf Widerspruch in der Fachwelt. In der „Welt“ kommt dieser beispielsweise von Stefan Korioth, Professor für Öffentliches Recht an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Dieser habe „größte rechtliche Bedenken“ bezüglich der Umsetzbarkeit einer Gasumlage, von der auch verstaatlichte Unternehmen profitierten.
Unabhängig von der Frage, ob die Stabilisierung angeschlagener Gasunternehmen tatsächlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei, sieht er in Uniper jedenfalls einen Gamechanger. Mit dem Erwerb eines 99-Prozent-Anteils durch den Staat wirke die Gasumlage de facto wie eine „Steuer für Gaskunden“. Eine solche dürfe jedoch nur der Bund, ein Land oder eine Kommune direkt erheben.
Habeck hatte zuletzt erklärt, er wolle die Gasumlage von Oktober 2022 an als vorübergehende „Brücke“ beibehalten, bis die Verstaatlichung von Uniper in trockenen Tüchern sei. Dies soll Ende dieses Jahres der Fall sein. In seinem Ministerium geht man davon aus, dass die Gasumlage von diesem Moment an zu einer Sonderabgabe würde.
Jurist verweist auf Kohlepfennig-Urteil des Bundesverfassungsgerichts
Dieser Meinung ist auch Korioth, und er betont, dass eine solche einer gesetzlichen Grundlage bedürfe. Vor allem müsse die Sonderabgabe auf eine klar definierte Gruppe zugeschnitten sein. Die Allgemeinheit aller Gaskunden sei diesbezüglich jedoch nicht präzise genug. Dies habe das Bundesverfassungsgericht bereits 1994 im Zusammenhang mit dem sogenannten Kohlepfennig verdeutlicht.
Diese 1974 eingeführte Ausgleichsabgabe zugunsten des Steinkohlebergbaus sollten alle Stromkunden bezahlen. Dies war aber keine „klar definierte Gruppe“, entschied das Bundesverfassungsgericht. Immerhin sei jeder Bürger des Landes auf Strom angewiesen.
Mit Blick auf eine Sonderabgabe für alle Gaskunden könnte es sich ähnlich verhalten, ist sich Korioth sicher. Retten ließe sich diese allenfalls durch einen ganz bestimmten Schritt:
Eine Möglichkeit könnte sein, die verstaatlichten Unternehmen von der Gasumlage auszuschließen.“
Für die Gaskunden würde die mit 2,4 Cent pro Kilowattstunde festgesetzte Umlage dann zwar günstiger. Für Habeck wäre dies jedoch gerade keine Hilfe, wenn es darum geht, die Folgen der Energiekrise auf dem heimischen Markt zu bewältigen.
Zusatzgewinne für profitable Unternehmen?
Mit der Gasumlage will die Regierung Energiekonzerne wie den Gasimporteur Uniper stützen. Sie sind wegen der zunächst gedrosselten, dann ganz eingestellten Lieferungen aus Russland gezwungen, teure Alternativen einzukaufen und gleichzeitig ihre Lieferverträge mit ihren Kunden einhalten zu müssen.
Der Staat will nun vermeiden, dass die Unternehmen in Finanzschwierigkeiten geraten und so die Versorgungskette wie im Dominoeffekt zusammenbricht. Uniper hat bereits milliardenschwere Staatshilfen und noch weitere beantragt.
Allerdings stellte sich kürzlich heraus, dass auch Unternehmen, die nicht in existenzielle Not geraten sind, ebenfalls Gelder durch die Gasumlage abschöpfen könnten. Unternehmen könnten sogar versuchen, mit der Umlage Zusatzgewinne zu erwirtschaften, wie es in Branchenkreisen hieß. Einige Versorger haben jedoch schon im Vorfeld deutlich gemacht, Mittel aus der Umlage nicht in Anspruch nehmen zu wollen.
SPD stellt Gasumlage ebenfalls infrage
Unterdessen gibt es auch politischen Gegenwind für die Gasumlage – aus den Reihen der Regierungskoalition. SPD-Chef Lars Klingbeil hat nach der Verstaatlichung des Erdgas-Versorgers Uniper die Gasumlage infrage gestellt. „Ich unterstütze den Weg, den Robert Habeck hier vorgeschlagen hat“, sagte Klingbeil dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND, Freitagsausgaben) mit Blick auf die jüngst verkündete Uniper-Verstaatlichung. „Ich sage aber auch klar: Die Gasumlage gehört damit jetzt auf den Prüfstand.“
Angesichts der krisenhaften Situation müsse die Regierung auch die Kraft aufbringen, Wege notfalls zu überdenken und zu korrigieren. Es sei auch aus Sicht der SPD richtig, die Gasversorgungsinfrastruktur zu stützen. Dies gelte vor allem auch für den wichtigen Stadtwerke-Lieferanten Uniper.
Dabei müsse es aber gerecht zugehen, betonte Klingbeil. Es habe sich aber „herausgestellt, dass die Verstaatlichung von Uniper der bessere Weg ist“.
Gasspeicher füllen sich – allerdings zu deutlich höheren Preisen
Habeck machte unterdessen erneut deutlich, dass es bezüglich einer Einführung der Umlage im Oktober keine verfassungsrechtlichen Bedenken gebe, immerhin sei Uniper zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht verstaatlicht. Eventuell müsse später es aber „Anpassungen“ geben.
Trotz ausbleibender Gaslieferungen aus Russland über die Pipeline „Nord Stream 1“ ist der Füllstand der Gasspeicher auf mittlerweile über 90 Prozent angestiegen. Das geht aus Daten der europäischen Plattform zur Gasspeicherung (AGSI) hervor. Demnach liegt der Wert aktuell bei 90,07 Prozent. Bis November sollen es laut Verordnung 95 Prozent sein.
Mit dem Gas aus den Speichern soll Deutschland trotz eines fortgesetzten Lieferstopps von russischem Gas durch den Winter kommen. Derzeit erhält Deutschland Erdgas über Pipelines, etwa aus Norwegen und den Niederlanden. Zum Jahreswechsel sollen die ersten zwei Terminals in Betrieb sein, wo verflüssigtes Erdgas (LNG) wieder gasförmig gemacht und dann ins deutsche Netz eingespeist werden kann.
Die Beschaffungspreise betragen jedoch ein Vielfaches dessen, was in der Zeit intakter Beziehungen zur Russischen Föderation üblich gewesen war.
(Mit Material von afp und dts)
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