Strategieänderung: Autobauer legen bei Umsatz und Gewinn deutlich zu
Die weltweit führenden Autobauer haben zuletzt ihre Umsätze und Gewinne kräftig gesteigert. Im dritten Quartal des Jahres stiegen die Umsätze der 16 größten Autokonzerne im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 11 Prozent auf 504 Milliarden Euro.
Die Gewinne vor Zinsen und Steuern (Ebit) legten um 35 Prozent auf 39 Milliarden Euro zu, wie aus einer Analyse des Prüfungs- und Beratungsunternehmens Ernst & Young (EY) hervorgeht. Ein wichtiger Grund waren laut EY Währungseffekte in Japan, wo der schwache Yen den japanischen Autobauern ein Gewinnplus von 103 Prozent bescherte.
Die Profitabilität – gemessen an der Ebit-Marge, die das operative Ergebnis ins Verhältnis zum Umsatz setzt – legte von 7,2 auf 8,6 Prozent leicht zu. Am profitabelsten ist demnach der deutsche Autobauer Mercedes-Benz mit einer Marge von 13 Prozent. Gefolgt von Toyota mit 12,6 Prozent und BMW (11,3 Prozent). Volkswagen landete mit 6,2 Prozent auf den hinteren Plätzen.
Diese Zahlen gehören gewichtet
Wie konnten Mercedes, BMW und VW ihren Gewinn derart steigern? Sie wechselten die Strategie, wie das „Handelsblatt“ im April 2022 darlegte.
Nahezu alle Fahrzeughersteller folgten über Jahrzehnte hinweg der Logik „je mehr verkaufte Autos, umso besser“. Es wurde unter Volllast produziert. Bei Überkapazitäten wurden die Neuwagen zum Monatsende mit erheblichen Nachlässen in den Markt gedrückt.
Nun zählt als neue Leitwährung der Branche nicht mehr der Absatz, sondern nur noch der Gewinn. Die Konzerne bauen bewusst größere Modelle, für die sie mehr Geld verlangen könnten. Dafür werden die unrentablen Kleinwagen aus dem Programm gestrichen.
In diesem Zusammenhang werden zudem mit einem neuen Agenturmodell schrittweise die Autohändler entmachtet, „um Einheitspreise durchzusetzen“. Kunden sollen künftig direkt mit Mercedes, BMW und VW handeln. Der Vertrieb über selbstständige Händler wird tendenziell beendet. Die Händler sollen künftig nur noch als Vermittler in Erscheinung treten. Es wird erwartet, dass sich die Zahl der deutschen Autohändler bis 2030 auf dann rund 3.800 Unternehmen annähernd halbiert.
Wie im Jachtbau: Luxus statt Masse
Teilweise wurde das Angebot künstlich verknappt, um die Produkte begehrenswerter erscheinen zu lassen, lautete damals ein Vorwurf der Wirtschaftszeitung. Einer Analyse der Investmentbank Stifel zufolge betrage bei Mercedes die durchschnittliche Lieferzeit etwa acht Monate, bei VW sechs Monate und bei BMW vier Monate.
Während der temporären Engpässe bei Microchips werden die knappen Chips vorwiegend in „hochpreisige und margenstarke Fahrzeuge eingebaut“. Die Kosten für Metalle und Rohstoffe, für Energie und Personal steigen – und lassen sich mit Mittelklassewagen kaum wieder einspielen. „Wir priorisieren andere Segmente“, erklärte Audi-Chef Markus Duesmann zum Ende der Produktion des erst 2016 eingeführten kleinen SUV Q2. Luxuslimousinen nehmen hingegen zu. „Wir werden unsere Modellpalette nach unten begrenzen und nach oben erweitern.“
Bei Mercedes wird das kleinste Produkt – der Smart – zu einem SUV weiterentwickelt, unrentable Kompaktwagen wie die B-Klasse verschwinden. Im Frühsommer 2020 wurde mitgeteilt, dass der Autobauer in jedem Segment möglichst nur noch Luxusfahrzeuge anbieten will.
Wer produziert dann die Kleinwagen?
Woher die Kleinwagen, die die deutschen Straßen bevölkern, später kommen, bleibt offen. Das Branchen-Wirtschaftsmagazin für die Automobil- und Zulieferindustrie „Automobil Produktion“ berichtete, dass mittlerweile die chinesischen Autohersteller verstärkt nach Europa drängen, einige davon würden sogar unter „falscher Flagge“ segeln.
Während die Shanghaier Autohersteller Nio und Aiways versuchen, ihre eigenen Marken in Europa aufzubauen, geht der chinesische Autogigant SAIC den Weg des Kuckucks. Die ehemals britische Automarke MG wurde durch Übernahme der Markenrechte zur chinesischen Automarke MG.
Bekannt ist auch die chinesische Geely-Gruppe, die sich bei zahlreichen europäischen Herstellern einkaufte oder sie gleich ganz übernommen hat. Mittlerweile sind die Chinesen auch der größte einzelne Anteilseigner bei Mercedes und reden bei den Entscheidungen in Stuttgart ein Wörtchen mit.
Es „regiert der Rotstift“
Für die weltweite Autoindustrie laufe es längst nicht mehr rund, sagte der Autoexperte und Leiter der Mobilitätssparte Westeuropa bei EY, Constantin Gall: „Das kommende Jahr wird deutlich herausfordernder.“ Die Nachfrage nach Neuwagen schwächele, der Hochlauf der Elektromobilität stocke, der Preisdruck nehme zu. Probleme bei Einführung neuer Modelle belasteten die Profitabilität, weil der Umsatz fehle und Entwicklungskosten höher als geplant seien.
Immer mehr Hersteller reagieren dem Experten zufolge mit Rabatten, günstigen Finanzierungsangeboten und Sondermodellen. Das belaste aber oft die Marge.
Entsprechend wollen laut Gall viele Konzerne ihre Kosten senken. „Inzwischen regiert wieder der Rotstift, denn viele Autokonzerne leiden unter einer überbordenden internen Bürokratie und zu komplexen Abläufen – was hohe Summen verschlingt und die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt“, sagte Gall.
Der Umstieg auf die Elektromobilität werde für die Branche zur entscheidenden Bewährungsprobe. „Aktuell nehmen allerdings die Sorgen zu, dass die Kunden den ambitionierten Umbau der Mobilität hin zu Elektromobilität nicht mitgehen“, sagte der EY-Experte. Der Markt werde zwar mit neuen E-Autos geflutet, doch die Kunden zeigten sich zurückhaltender als erwartet.
Autogipfel am 27. November im Kanzleramt
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die deutsche Auto- und Mobilitätsindustrie zu einem Autogipfel am kommenden Montag ins Kanzleramt eingeladen. Darunter sind auch die Vorstandschefs von Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW, Oliver Blume, Ola Källenius und Oliver Zipse, wie der „Spiegel“ unter Berufung auf Teilnehmerkreise berichtet.
Darüber hinaus zählen Gewerkschaftsführer, Betriebsratsvorsitzende sowie die Chefs großer Zulieferer zu den geladenen Gästen, genau wie Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA). Gemeinsam bilden sie die „Strategieplattform Transformation der Automobil- und Mobilitätswirtschaft“ (STAM), die regelmäßig im Kanzleramt tagt.
Kernthema des Treffens soll das E-Auto-Ziel der Bundesregierung sein. Demnach sollen bis 2030 mindestens 15 Millionen E-Autos auf Deutschlands Straßen fahren. Fachleute des Bundeswirtschafts- sowie des Bundesverkehrsministeriums sollen am Montag Auskunft über den Stand der Transformation geben.
Sowohl in der Politik als auch in der Autobranche wachsen die Zweifel, ob das Ziel noch zu erreichen ist. Die Marke von 15 Millionen E-Fahrzeugen, heißt es aus der Autoindustrie, könne frühestens 2032 überschritten werden. 2030 hingegen werde man in Deutschland wohl eher bei 8,5 bis 10,5 Millionen E-Autos liegen.
Durch den Ukrainekrieg und den daraus resultierenden Anstieg der Energiepreise hätten sich die Rahmenbedingungen erheblich verschlechtert. „Die Kunden sind sehr zurückhaltend“, sagte ein hochrangiger Manager. Produktion und Absatz der E-Autos hätten sich in Deutschland deutlich verlangsamt.
(dpa/red/ks)
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